Kapitel 35 (Edon's Sicht)

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Edon

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlage, spüre ich die Müdigkeit bis in die Knochen. Ich kann mich nicht bewegen und starre wie gelähmt an die Decke. Dabei überlege ich, ob ich heute überhaupt aus meinem Bett steigen soll. Denn der Gedanke, nun einfach liegen zu bleiben und nichts zu tun, ist verlockend. Doch mir ist bewusst, dass ich dann erst recht an Ariana denken werde. Ich werde an sie denken, doch das will ich nicht.

Seit unserem Kuss gestern... Fuck, dieser Kuss. Ich kriege ihn einfach nicht aus meinem Kopf. Er ist wie eingebrannt und immer wenn ich die Augen schließe, spielt sich das ganze erneut ab.

Sie drückt ihre Lippen auf meine... mein Herzschlag beschleunigt sich. Ihr zierlicher Körper unter meinem... nur wir zwei... allein.

Scheiße, warum kann ich es nicht vergessen? Ich verstehe es nicht. Ich kann nicht glauben, dass sie mich geküsst hat. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Und noch viel weniger kann ich glauben, dass ich sie geküsst habe. Ich habe ihren Kuss erwidert.

Und... es war unglaublich.

Das Gefühl, dass ich dabei empfunden habe, war so neu und so verwirrend.

Ich verstehe allmählich gar nichts mehr.

Verfickte scheiße...

Ich schrecke aus meinem Tagtraum, als ich etwas vibrieren höre. Seufzend drehe ich mich auf die Seite und greife nach meinem Handy, dass sich auf meiner Nachtkommode befindet. Ein Name ziert den Bildschirm und ich kann nicht anders, als die Augen zu schließen und dem Impuls zu widerstehen, die nächste Wand einzuschlagen.

Fuck... ihn habe ich total vergessen.

Ehe ich mich versehe, klingelt mein Handy. Stöhnend öffne ich die Lider wieder und blicke aufs Display, dass aufleuchtet und wie erwartet wieder Mace's Namen anzeigt. Er ruft mich an und eigentlich sollte ich rangehen. Doch ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht. Ich kann nicht mit Mace sprechen. Denn dann müsste ich ihn anlügen. Ich kann ihm ja schlecht erzählen, oder aber verheimlichen, dass ich gestern mit seiner kleinen Schwester rumgemacht habe. Und dass es mir gefallen hat.

Er wird mich umbringen. Er wird sich von mir abwenden. Er wird mich hassen.

Mein bester Kumpel muss ausgerechnet der große Bruder sein, von dem Mädchen, dass nebenan wohnt. Von dem Mädchen, dass mir seit gestern Abend nicht mehr aus dem Kopf geht.

Ariana geht mir nicht aus dem Kopf. Sie spukt in meinem Verstand herum und immer wieder sehe ich da dieses Bild... Ein Bild, dass sie und Kieran zeigt. Meine Hand verkrampft sich und ich atme tief durch die Nase aus. Ich versuche es abzuschütteln, doch sobald ich das Bild aus meinem Kopf bekomme, ist da auch schon das nächste. Und das zeigt einen mir bekannten Moment.

Den Moment auf der Party, wo Kieran Ariana fast an den Arsch gefasst hat. Und nun kann ich nicht einfach tief durchatmen. Ich lasse mein Handy los, dass gerade erst aufgehört hat, zu klingeln, und springe aus dem Bett. Keine zwei Schritte später befinde ich mich vor meinem Boxsack und stelle mir Kieran's Gesicht vor Augen vor.

Ich stelle mir vor, wie er Ariana ein schiefes Lächeln schenkt. Und ich bekomme sofort Lust, ihm die Nase zu brechen. Doch anstatt dies zu tun, hole ich aus und treffe mit meiner Faust mit voller Wucht gegen den Boxsack. Immer wieder. Ich schlage auf ihn ein, als wenn er Kieran wäre und als wenn die Wut dadurch von mir ablassen würde. Doch das tut sie nicht. Vielmehr staut sie sich in meinem Inneren auf und nach einer gefühlten Ewigkeit lasse ich schweratmend und durchschweißt vom Sack ab, raufe mir durch die Haare und lasse einen erstickten Schrei raus.

Ich schreie, weil ich diese verfickten Bilder einfach nicht mehr aushalte. Sie sollen raus aus meinem Kopf. Genauso, wie dieses komische Gefühl raus aus meinem Herzen soll.

Ich kann doch nicht eifersüchtig sein. Dass darf ich nicht! Schließlich rede ich hier gerade über Ariana. Über meine süße, kleine Freundin. Über meine Nachbarin. Über das Mädchen, dass immer für mich da war.

Über die verdammte Schwester meines besten Freundes.

Meines Bruders.

»Edon?«

Ich drehe mich um und sehe in die Augen meiner Mutter. In ihrem Gesicht spiegelt sich Besorgnis wieder. Das tut es seitdem Ariana gestern Abend aus unserem Haus geflüchtet ist. Sie hat mich immer wieder versucht auszufragen und mir sanft auf den Zahn zu fühlen, doch ich hab dicht gemacht. Eisern habe ich mein Pockerface aufgesetzt und habe ihr noch nicht einmal die Chance gegeben, mir zu nahe zu kommen.

Ich brauchte einfach Zeit für mich. Abstand. Ich wollte verstehen, was gestern passiert ist. Was sich zwischen mir und Ariana verändert hat. Ob sich überhaupt etwas verändert hat.

»Was ist los mit dir? Warum sprichst du nicht mit mir?«, höre ich ihre Stimme erneut. Doch ich blicke stur zur Seite und antworte ihr nicht. Sie würde es nicht verstehen. Keiner kann das verstehen. Ich hätte Ariana niemals zurück küssen dürfen. Es spricht einfach gegen alles. Ich hätte es nicht tun dürfen.

Allein der Gedanke wäre falsch gewesen.

Ich schüttle schwach den Kopf. »Ich kann nicht darüber reden, Mum.«

Ein erschöpftes Seufzen ertönt. Dann höre ich Schritte, die sich mir nähren. Im nächsten Moment spüre ich ihre Hand auf meiner Schulter. Ich würde gerne zu ihr sehen, doch ich darf es nicht riskieren, nachzugeben.

»Auch, wenn du jetzt nicht darüber sprechen willst, wenn du deine Meinung änderst, sollst du wissen, dass ich da bin. Das bin ich immer. Verstanden?« Ihre Stimme ist sanft und bringt mich dazu, doch zu ihr zu sehen.

Doch im nächsten Moment liegt mein Blick wieder auf dem Boden vor mir. »Ich weiß, Mum. Aber glaub mir, ich werde nicht darüber reden. Bitte akzeptier das.«, erwidere ich bedrückt und schließe für einen Moment die Augen.

Warum muss das nur so schwer sein?

Was ist nur mit mir passiert?

»Ich liebe dich, Edon. Und das sage ich dir, weil ich dir zeigen möchte, wie wichtig es ist, dass zu sagen. Man sollte den Menschen, die man liebt, immer sagen, was man fühlt.«

Ich schlucke. Natürlich weiß ich, auf was sie hinaus will. Sie will damit sagen, dass ich es Ariana sagen soll. Doch was? Dass ich sie liebe? Das habe ich oft genug. Ich liebe sie, wie ich eine Schwester liebe. Dass dachte ich zumindest bis gestern. Doch seit dem Kuss ist da was anders. Aber das kann doch keine Liebe sein.

Nein, dass darf es nicht.

Auf gar keinen Fall.

»Ich würde gerne wieder alleine sein.«, sage ich, ehe ich noch in all den Gedanken versinke. Ich wende meiner Mutter den Rücken zu und höre, wie sie das Zimmer verlässt. Doch erst nachdem sie die Tür schließt, atme ich aus. Immer wieder. Doch es fühlt sich einfach nicht so an, als wenn diese Spannung von mir fallen würde.

Sie wird vielmehr größer. Und das mit jedem Atemzug, den ich mache.

Gott, Hilfe.

Ich muss etwas tun. Das darf so nicht weitergehen. Es muss aufhören.

Dieses Gefühl muss verschwinden. Die Erinnerung an diesen Kuss muss verschwinden. Alles was in Verbindung mit Ariana steht, muss aus meinem Kopf verschwinden.

Und zwar schnell.





A/N:

Ich bin wieder da, hehe.
Keine Ahnung, warum ich gerade so einen Lauf habe.
Vorsicht, macht kein Auge Leute.

Wer ist alles noch wach?
Auf was hättet ihr jetzt so richtig Bock?
Und wie findet ihr es eigentlich, dass ich manchmal in Edon's Sicht schreibe?

Lasst mir gerne was süßes in den Kommentaren da.
Hab euch alle lieb,
eure mrs wrong

🖤

Casanova ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt