Kapitel 9

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Als die Klingel zur Mittagspause ertönt und der Lehrer uns vom Unterricht befreit, kann ich nicht anders als erleichtert auszuatmen. In Sekundenschnelle packe ich meine Materialien zusammen und erhebe mich von meinem Stuhl, um ohne einen Blick zurück zuwerfen aus dem Kunstraum zu flüchten.

Ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass das gerade die komischsten Stunden Kunst waren, die ich jemals hatte. Nach dem kurzen und nicht gerade hilfreichen Gespräch mit Ben hat er immer noch nicht aufgehört mich anzustarren, was mich unglaublich hibbelig gemacht hat. Es war ein komisches Gefühl, denn er hat es nicht gerade unauffällig getan.

Er schien die ganze Zeit in Gedanken woanders und das Gefühl das es etwas mit mir zutun hatte, lässt mich einfach nicht los.

Abermals schüttle ich meinen Kopf und konzentriere mich auf meine Umgehung. Meine Beine steuern auf die Cafeteria zu, genauso wie die jedes anderen im Korridor. Nun habe ich - Gottseidank - eine Pause und kann mit Malia über das Geschehene sprechen, denn ich brauche nun einfach jemanden, der sich mit mir unterhält, damit ich das alles verdauen kann.

Nun spukt nicht nur die Sache mit Edon und meiner unerwiderten Liebe in meinem Kopf herum, sondern auch das Unwissen. Wahrscheinlich übertreibe ich auch maßlos, doch ich habe ein komisches Gefühl bei dem Ganzen und wenn es um sowas geht täusche ich mich selten.

Als ich nach einem kurzen Fußmarsch in der Cafeteria ankomme, steuere ich auf sofortigem Weg auf die Essensausgabe zu, um mir erst einmal einen Cupcake zu besorgen. Mit diesem und einem kalten Kakao steuere ich auf Malia zu, die wie üblich an unserem Stammtisch sitzt, der eher hinten steht, was gut ist, da uns so niemand belauschen kann.

Seufzend stelle ich mein Tablett auf dem Tisch ab und setzte mich auf den Stuhl gegenüber von Malia. Diese hat bis gerade noch auf ihr Handy gestarrt, schreckt nun jedoch aus ihrer Starre und sieht mit vor Schreck geweiteten Augen zu mir.

Ich grinse dümmlich. »Was machst du da?«

Malia, die meine Worte erst nach einigen Sekunden zu verstehen scheint, schluckt merklich. »Ich... ich lese nur etwas für Biologie nach«, schießt es mit einem mal aus ihr heraus. Sie sieht nervös aus, was mich nur noch neugieriger macht. Das sie etwas für Biologie nachliest kann ich mir wirklich schlecht vorstellen, zumal sie dieses Fach hasst und an sich niemals freiwillig etwas für die Schule tun würde.

»Sicher?«, hacke ich weiter nach und durchlöchere sie mit meinem Blick. Doch dieses Mal macht sie sich nicht einmal die Mühe, zu mir aufzusehen, während sie antwortet.

»Vollkommen.«

Meine Augen beugen sie misstrauisch und ich kann es mir nicht verkneifen, zu warten, bis der richtige Moment da ist, um mich schnell nach vorne zu beugen und ein Blick auf ihr Handy zu wagen. Sie schreckt mit großen Augen zurück, doch es ist zu spät, da ich schon erkannt habe, was sie gerade tut.

Oder eher gesagt mit wem sie gerade etwas tut.

Mit wem sie gerade schreibt.

Und als ihr Blick dann auch noch an mir vorbei geht und ich diesem langsam folge, bestätigt sich mein Verdacht. Etwas weiter hinten, an einem mir bekannten Tisch sitzt die Person, die Malia anscheinend so brennend zu interessieren scheint.

Malik Ashton. Groß gewachsener Footballspieler, dunkelbraune Haare, breit gebaut und nun kommt es, - er ist Edon's bester Kumpel hier. Sobald ich realisiere, was das überhaupt bedeutet und bemerke, dass Malik genau in diesem Moment ebenfalls zu uns, oder eher gesagt zu Malia sieht, macht es Klick in meinem Kopf.

Ich drehe mich wie von der Tarantel gestochen zurück zu Malia, die mich ebenfalls mit geweiteten Pupillen mustert.

»Du stehst auf Malik Ashton!«, quicke ich neben der Spur, bemerke jedoch Sekunden später, dass ich ein bisschen zu laut gesprochen habe. Malia schlägt mir mit voller Wucht gegen mein Schienbein, was ich mächtig verdient habe, mich aber dennoch nicht davon abhält, laut aufzukeuchen. Nachdem ich mich gesammelt habe, sehe ich mich wie Malia um und stelle erleichtert fest, dass uns niemand gehört hat.

»Rede verdammt nochmal leiser!«, zischt Malia dann total belegt.

Ich schnappe dramatisch nach Luft. »Scheiße, warum hast du mir nicht früher gesagt, dass du auf ihn stehst?! Oder das du mit ihm schreibst? Hallo, ich bin deine beste Freundin!«, entgegne ich eingeschnappt, doch ich bin immer noch so geschockt, dass ich einfach nicht sauer klingen kann.

Malia fährt sich frustriert durch die Haare. »Ich... ich - da läuft nichts zwischen uns. Und ich stehe auch nicht auf ihn!«

Ich merke sofort, dass sie lügt, oder vielmehr versucht, sich selbst etwas vorzumachen, doch dazu sage ich nichts, da ich weiß, dass Malia erst mit der Sprache rausrücken wird, wenn sie selbst bereit dazu ist. So ist das eben bei ihr, es fällt ihr schwer, sich gegenüber andere zu öffnen. Selbst gegenüber mir. Sogar gegenüber sich selbst, hat sie Hemmungen.

Doch als sie erneut zu Malik sieht, kann ich mir einfach nicht verkneifen, noch etwas zu sagen. »Malia, es ist kein Problem verliebt zu sein! Es ist vielmehr einmalig, dass du auch mal Interesse an einem Jungen hast. Und das dieser Junge dann auch noch Malik ist, ist noch einmaliger.«, bemerke ich leise und darauf bedacht, nicht zu aufdringlich zu klingen.

Malia läuft hochrot an und schüttelt verbissen den Kopf. »Das bin ich nicht!«

Sie ist wirklich eine verdammt schlechte Lügnerin. Doch so leicht werde ich es ihr diesmal nicht machen. Sie kann mir vertrauen verdammt nochmal. »Wenn du wirklich nicht auf ihn stehst, warum reagierst du dann so empfindlich?«

Langsam sieht sie wieder zu mir und ich kann etwas in ihren Augen aufblitzen sehen. Malia schluckt merklich. »Es.. - Ich...« Ihre Stimme bricht und mit einem Mal kann ich erkennen, wie schwer ihr das Ganze fällt. »Okay, scheiße ja - ich bin vielleicht einwenig verschossen in Malik. Aber das ist noch nicht klar genug, um es überhaupt laut auszusprechen.«

Meine Augenbrauen schießen überrascht in die Höhe. Ich hätte wirklich nicht gedacht das sie es so schnell zugibt. Doch in ihrer Stimme konnte ich diesen bitteren Ton heraushören, der meine eigentliche Freude verblassen lässt. »Warum bist du dir so unsicher? Ich habe deinen Blick gesehen, der übrigens eindeutig war. Malik scheint auch gefallen an dir gefunden zu haben... also so, wie er gerade zu dir gesehen hat.«, murmle ich leise, da ich nicht möchte, dass irgendjemand etwas mitbekommt.

Gottseidank ist es immer laut in der Cafeteria...

Malia's Gesicht wird kreideweiß. »Was? Das fragst du noch? Er ist Lacoss-Spieler und nicht gerade als guter Junge bekannt. Und er hatte etwas mit Amanda's Freundin...« Den letzten Satz führt sie nicht zu Ende, doch das ist auch garnicht nötig, denn ich weiß genau, auf was sie hinaus möchte.

Ich verziehe mein Gesicht. »Jeder hier hatte mal etwas mit Amanda oder einer ihrer Freundinnen.« Meine Worte scheinen sie nicht besonders zu überzeugen, deshalb füge ich noch schnell hinzu: »Und das sind alles nur Gerüchte. Ich kenne Malik nun schon ganz gut und kann dir versichern, dass er nicht so ist wie er auf andere wirkt. Er ist wirklich nett.«

Sie schüttelt abermals den Kopf. »Das ist alles nicht so leicht, Ariana.«

Ich kräusle unzufrieden die Stirn. Ich würde gerne etwas darauf erwidern, doch ich möchte ihr nicht noch mehr zusetzten. Sie wirkt mit einem mal so traurig und es versetzt mir einen Stich, sie so zu sehen. Schnell sammle ich mich, ehe ich ein strahlendes Lächeln aufsetzte und nach Malia's Hand greife.

»Weißt du was, lass uns ein ander mal darüber sprechen! Heute ist so ein toller Tag, der perfekte Tag, um shoppen zu gehen! Also, hast du Lust?« Meine Idee scheint etwas zu bewirken, da auch Malia anfängt zu Lächeln. Sie liebt shoppen mehr als jeder andere Mensch auf dieser Welt, sogar mehr als mein Bruder.

»Klar!«, erwidert sie glücklich, was mich zum Lachen bringt.

Genau das braucht Malia jetzt. Und wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich ein bisschen Ablenkung auch mir nicht schaden. Denn eine Sache ist mir heute Morgen klargeworden, als Edon mich am Arm aufgehalten hat: Ich sollte anfangen, mich von ihm fernzuhalten. Ich sollte anfangen ihn nur noch als den zu sehen, der er für mich sein sollte.

Und zwar als einen guten Freund. Denn sonst werde ich wahrscheinlich niemals glücklich werden können.

Casanova ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt