Regulus Arcturus Black

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Jaime

Die Tür schwang nahezu geräuschlos auf. Sie war nicht abgeschlossen gewesen. Einen Moment lang sah ich nur eine kahle, grüne Wand und befürchtete schon, dass dieses Zimmer ebenso leer war, wie das unserer Mutter. Dann erblickte ich ein Poster und ein volles Bücherregal.
Ich atmete auf. Vielleicht hatten wir doch noch eine Chance. Allana quetschte sich an mir vorbei. ,,Unser Onkel war wohl ein waschechter Slytherin", murmelte sie und rümpfte die Nase. Da hatte sie Recht.
Der gesamte Raum war voller Grün und Silber: die Bettdecke, das Laken, der Teppich, sogar einige der Photos zeigten Personen, die Uniformen in diesen Farben trugen.
,,Tja, wenn die beiden Geschwister beide ins falsche Haus gekommen sind, muss der letzte wohl doppelt so viel Patriotismus für das wahre Haus zeigen."
Allanas Antwort war ein Schnauben. ,,Ich suche dann mal die Briefe."
Ich nickte und mein Blick fiel auf einige vergilbte Zeitungsartikel. Dunkles Mal über Muggelwohnung ... Drei Tote durch schwarze Magie ... Du-weißt-schon-wer scharrt neue Anhänger um sich ...
,,Die sind alle über Todesser und dunkle Magie", meinte ich an Allana gewandt.
,,Mmmh", meinte sie und wühlte durch einige Pergamenthaufen, ,,ich habe schon gehört, dass Regulus ziemlich fanatisch gewesen sein soll ... irgendwie komisch, dass er vermutlich von einem Todesser ermordet wurde, findest du nicht?" Sie ruckelte an einer Schublade und runzelte dann die Stirn. ,,Verschlossen."
,,Soll ich Kreacher holen?", fragte ich.
,,Ja, tu das bitte."
Allana fuhr nachdenklich mit einem Finger über das dunkle Holz und inspizierte es von allen Seiten. ,,Er hat sie hastig zugemacht." Sie deutete auf eine deutlich erkennbare Kerbe im dunklem Holz. ,,Siehst du, da sind kleine Risse im Holz. Die Schublade hat geklemmt und er hat sie mit roher Gewalt geschlossen und dann vermutlich einen Zauber daraufgelegt, dass man sie nicht mehr öffnen kann!"
Ihr Gesicht glänzte mit einem Mal vor Aufregung. ,,Jaime, das kann es sein! Das können die Information sein, die wir so lange gesucht haben! Jetzt hol gefälligst Kreacher!"
,,Schon gut", meinte ich sachte und winkte den Hauselfen ins Zimmer. ,,Kreacher, kannst du uns die Schublade öffnen?"
Allanas Begeisterung war ansteckend. Ich spürte, wie mein eigener Herzschlag sich automatisch verschnellerte und sich eine erwartungsvolle Anspannung in mir breitmachte. Das muss es sein!
Kreacher schnippte einmal mit den knorrigen Fingern. Ein Klicken war zu hören.
Allana riss mit fiebrigen Blick die Schublade auf.
Ich traute mich nicht hinzusehen. Was, wenn es nur wieder ein erneuter Fehlschlag war?
Das Rascheln von Pergament war zu hören, als meine Schwester den Inhalt begutachtete.
,,Und", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich schaute noch immer nicht in Richtung der Schublade, sondern konzentrierte meinen Blick auf das Bücherregal. Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind ... Quidditch im Wandel der Zeiten ... Das Märchen von den drei Brüdern ... ,,Hast du was entdeckt?"
Allana hörte auf, in der Schublade zu kramen. Ich spürte ihren Blick auf mir ruhen.
,,Jaime, ja, das habe ich."

,,Ordnen wir sie am besten chronologisch ... da steht doch überall das Datum drauf, oder?"
Allana entfaltete hektisch einen der Briefe. ,,Jap", meinte sie und verglich ihn mit einem anderem Datum. Ihre Hände zitterten dabei merklich.
Ich setzte mich im Schneidersitz auf dem Teppich und begann voller Nervosität an meinen Fingernägeln zu knibbeln. Allana gab mir einen Klaps auf die Finger. Dann drückte sie mir einige Briefe in die Hand. Die meisten waren vermutlich vor unserer Geburt datiert worden. Die Wörter waren mit blauer Tinte geschrieben worden und die Schrift war etwas geschwungen, ganz anders als meine winzige und krakelige Handschrift. Ich fuhr nachdenklich mit dem Finger über das vergilbte Pergament. Die Ränder waren etwas verkohlt und die Tinte bereits etwas ausgeblichen, trotzdem noch immer gut lesbar. Meine Augen wanderten prüfend über den Text. Die beiden haben gestern die hässliche Tischdecke unserer Tante achten Grades verbrannt, du hättest dabei sein sollen, es war grandios!
Mein Herz schlug schneller. Ein erster Hinweis auf uns! Ich musste lächeln, als ich mir vorstellte, wie zwei quirlige Babys fröhlich kieksend eine Decke in Brand setzten. Das war wohl das Minimum an Normalität, welches in der Zaubererwelt existierte.
Ich legte den Brief neben mich. Nur noch drei übrig. Ich will hier nicht eingesperrt sein wie eine Gefangene! ... Mal ehrlich, warum bin ich immer die einzige in der Familie, die ein wenig nachdenkt! Es ist doch nur logisch, dass-
Allana berührte meinen Arm. ,,Wollen wir uns die Briefe nicht lieber zusammen anschauen?"
Ich nickte eilig. ,,Ja. Klar."
Sie deutete auf einen Brief. ,,Der hier ist zeitlich der erste."
,,Okay. Lies vor."
Allana räusperte sich. ,,Reg, Du weißt, dass ich das hier nur für dich tue, oder?  Ich kenne nicht die Drohungen, die Du-weißt-schon-wer dir gegenüber offensichtlich ausspricht, aber sie scheinen Wirkung auf dich gehabt zu haben, sonst würdest du mir wohl kaum schreiben. Ja, ich werde zu der nächsten Sitzung der Todesser kommen und ich werde tun, was mir befohlen wird - sollte es auch damit enden, dass ich selbst zu einer Todesserin werde.
Ich tue das hier für dich, um dir zu helfen, um dich zu schützen. Dafür habe ich einen Gefallen bei dir offen, vergiss das nicht. Sela"
Allana hob den Kopf. Ihre Stimme war ungewöhnlich sachlich. Distanziert. ,,Die Todesser haben also Druck auf Regulus ausgeübt, damit er unsere Mutter zu einer der Versammlungen mitnimmt."
Ich nickte grimmig. ,,Ja, vermutlich wollten sie neue Anhänger rekrutieren. Da war ihnen jedes Mittel recht. Vermutlich hat sie auch bei diesem Treffen das Dunkle Mal bekommen. Wir wissen ja, dass sie eine Todesserin gewesen ist." Ich lehnte mich an den Bettpfosten und beobachtete wie Allana den Brief sorgfältig beiseite legte und einen weiteren glattstrich. Das Datum zeigte etwa drei Wochen nach dem vorherigem Brief.
,,Bereit?"
,,Bereit", meinte ich.
,,Reg, das dunkle Mal brennt seit dem Ritual wie Feuer auf meiner Haut. Wie hast du es bloß ausgehalten, als man es dir auf die Haut geätzt hast?!
Der Dunkle Lord - ich schätze, ich muss ihn nun so nennen - hat mir noch keinen Auftrag gegeben. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert sein soll. Schon seit Tagen befinde ich mich schon im Malfoy-Manor, zusammen mit Barty Crouch Jr., Narzissa Malfoy (sie ist schließlich schwanger), Bellatrix und dem Dunklen Lord persönlich. Noch nie habe ich mich unsicherer gefühlt. Bellatrix scheint eine erneute Stufe ihres Wahnsinns erreicht zu haben. Seit ihr Mann Rodulphus auf einer Mission ist, lebt sie quasi im Keller und experimentiert mit allerlei Tränken herum. Nachts höre ich immerzu ihr gackerndes Lachen und wenn ich ihr zu meinem Unglück über den Weg laufe, zischt sie mir entweder zu, ich sei ein Blutsverräter oder umarmt mich strahlend, da ich endlich "den rechten Weg" gefunden hätte. Wenn irgendjemand eine gespaltene Persönlichkeit hat, dann ist es sie.
Ihre Schwester Narzissa hingegen schließt sich den ganzen Tag in ihr Zimmer ein, damit "das Kind so viel mütterliche Ausgewogenheit wie möglich" bekommt. Ich habe das Gefühl, sie hält es einfach nicht mehr mit ihrer Schwester aus. Da kann ich ihr keinen Vorwurf machen.
Crouch Jr. ist meist außer Haus - was gut ist. Er wirkt beinahe ebenso fanatisch wie Bellatrix.
Ich bin fast jeden Tag in der Bibliothek. Dies scheint mir der einzige Ort zu sein, an dem ich meine Ruhe habe. Unglücklicherweise ist der Dunkle Lord auch häufig dort. Seitdem versuche ich mich immer so weit entfernt wie möglich von ihm zu setzen, damit er mich nicht bemerkt.
Reg, ich vermisse dich, bitte komm zurück, ich habe das Gefühl es hier nicht mehr länger auszuhalten. Sela"
Wir hatten bereits gewusst, dass unsere Mutter eine Todesserin gewesen war, deshalb schockte mich das Geschriebene nicht. Trotzdem tat es gut zu erfahren, dass sie es nicht aus dem Wahn für reines Blut getan hatte, wie so viele von Voldemorts Anhängern. Sie hatte nur ihren Bruder schützen wollen. Eine Welle der Sympathie wallte in mir auf. Aber ein Gefühl der Kälte blieb haften. Barty Crouch Jr. Der Name hallte in meinem Geist wieder. Die Erinnerungen waren noch zu frisch, um sie einfach beiseite schieben zu können. Sie hatte ihn gekannt ...
,,Sie war quasi eine Gefangene", murmelte Allana dumpf und riss mich aus meinen Gedanken. ,,Und gezwungen sich Wahnsinnigen und Mördern anzuschließen."
,,Sie hatte keine Wahl. Man hat ihrem Bruder gedroht."
Allana seufzte leise und griff nach einigen Zögern nach einem weiteren Brief. Sie hielt ihn einige Sekunden lang in der Hand. ,,Weißt du, ich weiß nicht, ob ich weiterlesen will. Da werden noch schreckliche Dinge drinstehen - vielleicht hat unsere Mutter auch diese Dinge begangen! Sie war schließlich ein Todesser!"
Ich sah sie abwartend an. ,,Willst du diese Briefe lieber vergessen und dich mit Fragen quälen, dessen Antworten direkt hier sind? Willst du in ständiger Ungewissheit leben, wer unsere Mutter wirklich war, anstatt jetzt die Antwort zu finden?"
,,Lieber es nicht zu wissen, als eine erneute grauenvolle Wahrheit."
,,Und die Chance auf das Gegenteil! Auf mich macht sie bisher nicht den Eindruck eines Monsters."
Allana seufzte und vergrub das Gesicht in den Armen. ,,Ich weiß nicht, was ich tun soll." Ihre Stimme klang gedämpft. ,,Wenn ich die Briefe lese, werde ich unsere Mutter womöglich auch hassen. Und davor habe ich Angst. Ich will sie nicht als ... Monster in Erinnerung behalten. Nicht schon wieder.  Aber ... wenn ich sie nicht lese, verpasse ich vielleicht etwas ungeheuer Wichtiges! Etwas, von dem ich mir wünschen würde, es gelesen zu haben!" Sie raufte sich durch die Haare.
ich setzte mich neben sie und legte ihr einen Arm auf den Rücken. ,,Eins steht fest", erklärte ich mit leiser Stimme, ,,wenn du es dich jetzt nicht traust, die Briefe zu lesen, wirst du es nie wieder tun. Glaubst du, du kennst damit leben, nie die Wahrheit über unsere Mutter zu erfahren, obwohl du die Möglichkeit dazu hattest?"
Ich wusste bereits ihre Antwort. Ich spürte, wie sie tief einatmete und sich körperlich, wie auch mental straffte. Sie faltete den nächsten Brief auseinander. ,,Bringen wir es hinter uns."

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt