Das Verschwindekabinett

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Allana

,,A-also ist der Dunkle Lord dein-"
,,Ja", sagte ich nur.
Draco schloss für einen Moment lang die Augen. ,,Ich ... ich muss mich kurz hinsetzen."
Mit einem leisen Ächzen, als wäre er nicht siebzehn, sondern einundsiebzig Jahre alt, ließ er sich schwer auf eine der Treppenstufen nieder. Ich sah wie er tief durchatmete und dann die Beine von sich streckte. ,,Weißt du ... ich habe wirklich mit allem gerechnet. Außer damit."
Ich setzte mich vorsichtig neben ihn und winkelte die Knie an. ,,Und- und was denkst du nun?"
Bitte versteh es, bitte versteh es, bitte versteh es-
Er schüttelte nur den Kopf. ,,Oh, bei Merlin!" Dann begann er heiser zu lachen. Es war ein bitteres Lachen, heiser und nahe an der Hysterie. Und gleichzeitig war es auch ein ernst gemeintes, echtes Lachen, voller Komik und Gefühl.
Als wäre Draco zwischen diesen Emotionen hin und hergerissen.
Als wüsste er nicht, ob er mich anschreien, oder mich lächelnd in den Arm nehmen sollte.
Irgendwann schwoll das Lachen zu einem leisen Kichern ab.
Endlich schien er sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben, nur seine Mundwinkel zuckten ab und an. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und seine Miene wurde starr. ,,Es ist nur so", meinte er plötzlich mit etwas gepressterer Stimme als gewöhnlich. Dann seufzte er und atmete kurz durch. ,,Es ist nur so ... ich habe das ganze Jahr meine ausweglose Situation bemitleidet und jetzt wird mir klar ... im Gegensatz zu euch habe ich vermutlich noch Glück gehabt! Und all die Jahre habe ich meine Verwandschaft gehasst ... nun, nicht alle, aber du weißt schon ... und jetzt seht euch an!"
Sichtlich ermattet von diesem Ausbruch legte er sich mit dem Rücken auf den steinernen Boden. Sein Blick war auf die Decke gerichtet. ,,Ich kann es immer noch nicht fassen", murmelte er schwach, mehr zu sich selbst als zu mir.
Ich beobachtete meinen Freund etwas genauer und mir fiel ein Stein vonm Herzen.
Er schien zwar wirklich fassungslos zu sein - aber eigentlich nicht im negativen Sinne. Eher ... überwältigt. Und vermutlich zu geschockt, um einen vernünftigen Gedanken zu formen, geschweige denn in Worte zu fassen.
Eine Weile vernahm ich nur Dracos Atemzüge, die nur langsam ruhiger wurden.

,,Aber ... es ergibt Sinn, denke ich", meinte er dann schließlich, ohne mich anzusehen. ,,Ihr wurdet im gleichen Jahr eingeschult, ihr steht euch viel zu nahe, verbringt Zeit miteinander ... Merlin, ich bin mit der Tochter des Dunklen Lords zusammen und mein bester Freund ... unfassbar ..."
Die Erwähnung meines Bruders riss mich aprupt in die Realität zurück. Ich rappelte mich hastig auf. ,,Draco ... Das ist jetzt bestimmt nicht so einfach für dich und ich wette, du hast tausend Fragen ... aber wir müssen überlegen, wie wir Jaime hier rausschaffen können!"
Ich streckte ihm die Hand hin. Er zögerte sichtlich und blickte mich an. ,,Keine weiteren Geheimnisse?"
,,Nein", versprach ich ihm.
Endlich umfasste er meine Hand und ich zog ihn auf die Beine.

Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Zwar war mir klar gewesen, dass der Raum der Wünsche einen essenziellen Bestandteil von Dracos Plan ausmachte und dass wir dies auch dazu nutzen konnten, um Jaime in Sicherheit zu bringen.
Doch als Draco dreimal um die nackte, unbearbeitete Wand herumging, die Augen geschlossen, leise vor sich hinmurmelnd und sich dann die Tür zum Raum der Wünsche offenbarte, der Eingang sich öffnete und das Innere des Raumes preisgab, eines Raumes, den ich bisher immer als Schutzbereich wahrgenommen hatte, als ein Wunderwerk der Magie, taumelte ich zurück.
Dieser Raum war verpestet, geschändet von einer solchen Bösartigkeit, dass ich würgen musste.
Überall stapelte sich Gerümpel zu meterhohen Bergen, doch da war mehr, versteckt, verborgen, behütet bewacht, Irgendetwas, das Dunkelheit ausblutete und die wundersame Magie des Raumes verpestete.
Ein Horkrux.
Das war die einzige Möglichkeit. Es gab keine andere Magie, die sich so dunkel, so vertraut anfühlte.
Sie bewegte sich um mich, fließend, schien zu mir zu flüstern, zischend, erkannte mich.
,,Al, alles in Ordnung bei dir? Du bist so blass geworden ..."
,,Nein ... alles bestens", hörte ich mich antworten.
Ich durfte den Hokrux jetzt nicht zerstören. Wenn Draco dies mitbekommen sollte, würde ihn das nur in noch größere Gefahr bringen, nicht auszudenken, wenn Voldemort sich dazu entschließen sollte, Legilimentik bei ihm anzuwenden ...
Ohnehin hatte ich gerade auch keine geeignete Waffe, um das dunkle Artefakt zu zerstören, ich müsste dafür erst in die Kammer des Schreckens ...
Ich holte tief Luft.
Sei dir deiner Prioritäten bewusst.
Erst rettest du Jaime und nächstes Jahr wirst du noch genug Möglichkeiten haben, den Horkrux zu zerstören.
Jaime. Hat. Vorrang!
,,Sorry, ich war nur etwas überwältigt von dem Ausmaß dieses Raumes..."
Dracos Lippen hoben sich leicht. ,,Stimmt, daran muss man sich erst einmal gewöhnen."
Ich zwang mich zustimmend zu nicken.
,,Komm, ich zeige dir, woran ich arbeite!"

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt