Sieben Probleme

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Allana

,,Na, also sooo schlecht ist es jetzt auch nicht gelaufen", meinte ich, nachdem ich Jaimes Geschichte bis zum Ende gehört hatte. Dieser schnaubte nur und begann weiter durch den Gemeinschaftsraum zu tigern. Dabei grummelte er leise vor sich hin. ,,Ich fasse es immer noch nicht, dass mir so etwas Dummes herausrutschen konnte!", rief er schließlich aus und schlug wütend mit der geballten Faust auf die Armlehne eines flauschig roten Sofas.
,,Jaime, lass bitte das Mobiliar in Ruhe. Das kann auch nichts dafür."
Dies handelte mir einen genervten Blick meines Bruders ein.
Ich rollte die Augen. ,,Jaime, was geschehen ist, ist geschehen. Es bringt also nichts, dich jetzt darüber aufzuregen. Andere Themen und Probleme sind auch noch durchaus wichtig."
Mein Bruder schnaubte und ließ sich schwer neben mich auf das Sofa fallen. ,,Was könnte wichtiger sein als die Auroren, deren Hauptverdächtiger außerdem zufälligerweise ich bin?!"
Seine Augen blitzten düster, doch ich ließ seinen Ausbruch unbeeindruckt über mich ergehen. Ich hob einen Finger. ,,Slughorn." Ich hob einen zweiten Finger. ,,Draco." Und einen dritten. ,,Wie immer Harry." Vierter. ,,Natürlich auch Dumbledore." Fünfter. ,,Wahrscheinlich für alle Ewigkeit Voldemort, der nämlich einfach nicht sterben will." Ich ballte die Hand zur Faust und streckte erneut den Daumen aus. ,,Und damit verbunden natürlich besagte Horkruxe, denn-"
,,Was hast du gerade gesagt?!"
Ich zuckte zusammen und meine Augen weiteten sich schlagartig: Harry hatte gerade flankiert von Ron Weasley den Raum betreten und starrte mich aus aufgerissenen Augen an. Sein Finger deutete leicht zitternd auf mich. Von Jaime schien er gar keine Notiz zu nehmen.
Schweiß brach in mir aus und ich öffnete und schloss den Mund. Neben mir tastete mein Bruder unauffällig nach seinem Zauberstab.
Meine Gedanken rasten. Wie viel hatten die beiden gehört?!
,,Ah ... Hi, Harry ... ich dachte, ihr würdet erst morgen wiederkommen", meinte ich und lächelte gezwungen. ,,Und was meinst du mit "Was hast du gerade gesagt?"" Ich war stolz, dass meine Stimme vollkommen ahnungslos klang.
Harry runzelte die Stirn, blickte mich jedoch weiter an. ,,Du hast über Horkruxe gesprochen ... Dumbledore hat mir gerade dazu eine Erinnerung von Slughorn gezeigt, wo Volde-" Er unterbrach sich abrupt, denn sein Blick war auf Jaime gefallen. ,,Gaunt", zischte er, ,,was tust du hier?"
Jaime zuckte die Schultern als wäre es keine große Sache, sich in dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors aufzuhalten. ,,Nur mit Allana reden." Seine Körpersprache war zwar lässig und entspannt, wie er halb auf dem Sofa lag, ein Arm auf der Lehne platziert und sich leicht an mich lehnte, doch ich spürte seine Besorgnis durch unsere telepathische Verbindung. Seine Stirn war außerdem unmerklich gerunzelt ...
,,Ahh, da hast du wohl etwas falsch verstanden, Harry!", meinte ich und grinste schief.
,,Ähm ... ja", meinte Jaime eilig nickend, ,,sie hat nicht über diese Horkre- ... Harkru- ..." Er räusperte sich und kratzte sich scheinbar peinlich berührt am Kopf. ,, ... wie auch immer gesprochen, sondern sie meinte ... äh ..." Seine Stimme erstarb und er stupste mich unauffällig an.
Ich dachte scharf nach. ,,Ähm ... ich meinte ... Keine Hetze ... ja, das hab ich gesagt ... weil ... Jaime mal wieder ... gegen das Ministerium gewettert hat."
Jaime warf mir einen kurzen Blick zu, der so merkwürdig angestrengt neutral war, als müsste er sich zusammenreißen nicht loszuprusten ... oder die Augen zu verdrehen ... oder vor komischer Verzweiflung aufzuseufzen ... oder alles auf einmal.
,,Genau", brachte er schließlich gepresst hervor, ,,ich habe mal wieder versucht, Allana mit meinen politischen Ansichten zu beeinflussen."
,,Jaaa ..." Und jetzt schnell die Aufmerksamkeit von mir weg lenken. ,,Harry, was hat es mit diesen Horkruxen eigentlich auf sich?"
Harrys Augen fixierten für einen Moment lang Jaime, dann blinzelte er. ,,Uhm ... ich erzähl dir später davon, Al."
,,Alles klar", meinte ich schnell und zupfte an Jaimes Hemd. Gleichzeitig schickte ich ihm einen telephatischen Wink. ,,Komm ... besprechen wir unsere ..."
,,Hausaufgaben", half Jaime mir weiter.
,,Ja ... besprechen wir sie lieber in der Bibliothek."
Mein Bruder ließ sich widerstandslos von mir mitziehen und wir kletterten eilig durch das Porträtloch nach draußen.
Im Flur angekommen stieß ich einen Seufzer der Erleichterung aus. ,,Also, das war gerade viel zu knapp für meinen Geschmack", murmelte ich und Jaime nickte zustimmend. ,,Stell dir einmal vor, sie hätten uns die amateurhafte Ausrede nicht abgekauft ..." Dann umspielte ein schiefes Grinsen seine Mundwinkel. ,,Keine Hetze ... was besseres ist dir auch nicht eingefallen?"
Ich schnappte ein wenig beleidigt nach Luft. ,,Sagt der, der nach der Hälfte des Satzes kein Wort mehr herausbekommen hat und mich panisch angeglubscht hat!"
Er gluckste nur und rieb sich die Hände. ,,Hast du gehört, was Harry über die Horkruxe gesagt hat? Er meinte, Slughorn käme darin vor ... wir haben unseren lieben Zaubertranklehrer also wirklich gewaltig unterschätzt, denn er hat scheinbar mehr Wissen über die Horkruxe als selbst Dumbledore!"
,,Was auch bedeutet, dass Slughorn weder Harry noch Dumbledore dieses Wissen weitergeben darf", ergänzte ich nachdenklich.
,,Mmh. Die Frage ist nur, was hat Harry von Dumbledore erfahren? Er kennt den Begriff Horkrux jetzt bereits, aber ich glaube irgendwie, dass er nicht genau weiß, was dieser darstellt ... sonst hätte er eben anders reagiert, da bin ich mir sicher ... Du musst also unbedingt herausfinden, worum es in dieser Erinnerung ging."
,,Kein Problem", erklärte ich und machte mir eine geistige Notiz, Harry erneut nach den Horkruxen zu fragen. ,,Und Slughorn?", fragte ich dann, ,,glaubst du, er wird noch mehr offenbaren? Was weiß er überhaupt genau?"
Jaime schüttelte überlegend den Kopf. ,,Warum hat er sein Wissen dann nicht mit Dumbledore geteilt? Irgendetwas oder Irgendjemand scheint ihn daran zu hindern ..."
Ich runzelte die Stirn. ,,Glaubst du, dass Voldemort ihn irgendwie bedroht?"
Jaime zuckte die Schultern. ,,Möglich wäre es bestimmt. Aber jetzt ist er in Hogwarts bei Dumbledore ... er bräuchte sich also eigentlich nicht zu fürchten ..." Dann seufzte er und ließ die Schultern fallen. ,,Ich brauche etwas Zeit um darüber nachzudenken ... In der Zwischenzeit will ich, dass du jede noch so kleine Kleinigkeit über die Horkruxe in Erfahrung bringst, die es zu wissen gibt."
,,Alles klar", meinte ich nur und klopfte ihm zum Abschied auf den Rücken. ,,Wir sehen uns beim Abendessen."
Er grummelte nur etwas.

Die Informationen von Harry über die Erinnerung zu bekommen, war geradezu lachhaft einfach gewesen, da er im Gemeinschaftsraum der Gryffindors ausgebig mit Hermine und Ron darüber diskutiert hatte. Das einzige, was ich tun musste, war, die Ohren zu spitzen und ab und zu scheinbar harmlose Zwischenfragen zu stellen. So hatte ich nach nur wenigen Minuten das gesamte Wissen über die mysteriöse Erinnerung von Slughorn erfahren.

,, ... wie schon gesagt, die Erinnerung ist bestenfalls unvollständig", erzählte ich Jaime kauend beim Abendessen und piekste mit der Gabel eine Kartoffel auf. ,,Slughorn hat da irgendwie dran rumgepfuscht, sodass der Begriff Horkrux zwar irgendwie zu verstehen war, aber die Erinnerung wurde dann offenbar so schwammig, dass keine genauen Bilder oder Worte mehr zu vernehmen waren ... womöglich weiß er also auch gar nicht, dass der Name wirklich "Horkrux" lautet ... aber es klang für ihn offenbar am logischsten und als er mich darüber sprechen gehört hat, ist ihm der Begriff in den Sinn gekommen."
,,Wir sind Potter und Dumbledore also noch immer weit vorraus ... das ist gut, denke ich. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, was wir bezüglich Slughorn unternehmen sollten."
Ich blickte Jaime stirnrunzelnd an. ,,Unternehmen?", wiederholte ich, ,,Jaime, das klingt ja schon so, als würdest du ihm drohen wollen ... oder Schlimmeres."
,,Hier steht gerade sehr viel auf dem Spiel, Al", meinte Jaime, dessen Gesichtsausdruck merklich dunkler geeorden war. ,,Vor allem für mich und meine Identität. Natürlich gibt es eine Grenze, die man nicht überschreiten sollte ... aber wenn es keine andere Möglichkeit gibt, darf uns so etwas nicht aufhalten."

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt