Drohende Zukunft

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Das Bild von Allana hat mir übrigens ghostwriterin_ gezeichnet, vielen Dank dafür und es sieht wirklich richtig klasse aus!

Allana

Zwei Wochen. Zwei Wochen waren seit Sirius' Tod vergangen. Zwei Wochen und der Schmerz des Verlustes war noch immer frisch. Als würde eine eiskalte Klaue mein Herz zusammendrücken.
Heute war ein weiterer schöner Sommertag, aber er erschien trist und farblos. Bedrückend.
Ich wandelte durch die Korridore wie eine Fremde. Schüler grüßten mich und ich lächelte sie mechanisch an. Mein Lachen klang hohl. Meine Freundlichkeit falsch. Wie konnten diese ganzen Schüler nur so fröhlich sein? Es passte nicht zusammen. Sirius war gestorben. Nichts passte mehr.
Meine Freunde fragten mich immer wieder wie es mir ging, wie ich mich fühlte. Was sollte ich darauf antworten? Wie konnte ich darauf antworten? Worte konnten nicht ausdrücken, was ich fühlte.
Ich verbrachte wieder mehr Zeit mit Jaime. Es tat gut mit jemandem zu sprechen, mit jemandem offen zu sprechen, ohne lügen zu müssen.
Draco hatte ich nichts von meiner Verwandtschaft mit Sirius erzählt. Jaime hatte gemeint, dass dieser womöglich seinen Eltern davon berichten würde. Und wir konnten nicht sicher sein, wie viel Narzissa und Lucius Malfoy über Selena und Voldemort wussten oder ahnten. Neue Gerüchte konnten weder Jaime noch ich jetzt gebrauchen.
Innerlich seufzend schlug ich den Weg zum Krankenflügel ein.
Hermine war während des Kampfes von einem schwarzmagischen Fluch getroffen worden und durfte deshalb für eine Woche das Bett nicht verlassen. Als Jaime davon gehört hatte, war er schnurstracks in den Krankenflügel geeilt, wobei er äußerst bildlich beschrieben hatte, wie er Harry zurichten würde, sollte dieser seine Freunde noch ein Mal so in Gefahr bringen.

Dort angekommen, wuselte mir Madame Pomfrey schon entgegen und murmelte etwas über ,,Jungen in den Betten der Mädchen ... nutzen jede Situation aus ... kann man keine Sekunde allein lassen ..." Sie hastete zu einem der Schränke und schnappte sich mehrere Verbände. Anschließend eilte sie zurück zu den weißen Krankenbetten. ,,Gaunt, ich will es nicht ein fünftes Mal sagen, scheren Sie sich aus Grangers Bett, Sofort!"
Jaime grinste schelmisch und erhob sich von Hermines Bett, auf dessen Decke er gelegen hatte. Dann setzte er sich auf einen der klapprigen Stühle.
Hermine selbst war in einer Ausgabe des Tagespropheten vertieft, die Decke über die Beine gezogen. Ihr ging es schon fast wieder normal, nur ihr Arm zuckte hin und wieder. Sie hob den Blick als sie mich sah und winkte in meine Richtung. Ich verzog die Lippen ein Stück nach oben und bemühte mich um ein Lächeln.
Kaum war Madame Pomfrey grummelnd aus dem Raum gestöckelt, flätzte sich mein Bruder wieder auf der Decke.
,,Hey", meinte er. Im Gegensatz zu mir hatte er in den letzten Tagen jede freie Minute genutzt, um sich abzulenken. Er war häufig bei Hermine, drangsalierte mit Draco die jüngeren Schüler, erkundete das Schloss, war am See und umging so jeglichen Gedanken an Sirius.
Ich hingegen dachte zuviel an Sirius, sodass ich mich nur schlecht auf andere Dinge konzentrieren konnte. Zwei Extreme.
,,Schon den Koffer gepackt?"
,,Jap, habe ich." Ich wollte diesen Sommer wieder zu meinen Adoptiveltern. Die aber mehr Eltern für mich gewesen waren, als irgendjemand sonst. Mit Ausnahme vielleicht von Sirius.
Ich seufzte. Wieder dieser schmerzhafte Stich im Magen, den ich bei dem Namen meines Onkels verspürte.
Die Diggorys hatte ich nun seit über einem Jahr nicht mehr gesehen, ich hatte es einfach nicht über mich gebracht. Das ganze Haus war so von Cedric geprägt worden, alles in diesem Haus hatte mich an ihm erinnert. Jede noch so kleine Kleinigkeit. Ohne ihm war es nur leer und düster.
Ich wusste gar nicht, ob die Diggorys überhaupt noch in diesem Haus wohnten. Vielleicht war es ihnen so wie mir ergangen und sie konnten diese plötzliche Kälte, diese plötzliche Leblosigkeit nicht mehr ertragen ...
Ich würde es bald herausfinden.
Jaime hatte mir erzählt, dass er sich eine Wohnung in Chiswick mieten, (einem am Rand gelegenen Stadtteil von London) und mehr über Voldemorts Vergangenheit herausfinden wollen würde, damit wir möglicherweise irgendwann einen Vorteil ihm gegenüber haben könnten.
,,Oh, schau mal!", unterbrach Hermine meine trüben Gedanken. ,,Jaime, da ist ein Bild von dir in der Zeitung!"
Mein Bruder erstarrte für einen Moment, dann lächelte er schwach. ,,Ich werde noch berühmter als Harry, wart's ab." Seine Miene wurde jedoch merklich dunkler, als er das Bild musterte. Ich warf einen Blick auf die Zeitung. Tatsächlich. Es war eines der unzähligen Aufnahmen, die die Reporter am Tag von Voldemorts offizieller Rückkehr gemacht hatten. Harry und Dumbledore gingen mit dem Rücken zur Kamera durch das gleißende Blitzlicht der Presseleute und einen Augenblick lang konnte man Jaimes Gestalt sehen, das Gesicht starr, die Kleidung verdreckt.
Wir warfen uns einen kurzen Blick zu. Das wird böse Folgen haben.
,,Ah", meinte Jaime kurz angebunden. ,,Ja, da bin wohl ich."
Glücklicherweise stellte Hermine keine weiteren Fragen, sondern regte sich über den Tagespropheten auf. ,,Die gleichen Berichte wie vor zwei Wochen! Sie müssen nicht Harry zum hundertsten Mal als Held feiern, sondern sich auf das Wesentliche konzentrieren! Zum Beispiel Todesser gefangen nehmen!"
Jaime zuckte betont gelassen die Schultern. ,,Die Dementoren haben Askaban verlassen. Ich bezweifle, dass die Todesser also lange dort bleiben werden."
Hermine raufte sich die Haare und ließ einen Schwall von äußerst üblen Bemerkungen über die Inkompetenz des Ministeriums frei. Als sie fertig war, atmete sie heftig.
Ich blickte auf meine Uhr. ,,Der Zug kommt in drei Stunden, Hermine, brauchst du noch Hilfe beim Packen?"
Diese schüttelte den Kopf. ,,Ron hat mir gestern geholfen", nuschelte sie. Jaimes Augen verengten sich kurzzeitig.
,,GAUNT, RUNTER VOM BETT!"
Jaime zuckte so heftig zusammen, dass er beinahe zu Boden gefallen wäre und stand hastig auf. ,,Zu Befehl, Madame Pomfrey", murmelte er.
Dann ging er zu mir und zog mich am Ärmel. ,,Noch eine Sache", flüsterte er und warf einen Seitenblick auf Hermine, die allerdings wieder in ein Buch vertieft war.
Ich hob fragend eine Braue. ,,Jaa?"
Jaime räusperte sich verlegen. ,,Ich will nicht, dass du in den Ferien zu Draco gehst. Sein Vater ist ein Todesser, er war im Ministerium ... wer weiß, was da gerade los ist ... es könnte eine Falle sein."
,,Ich hatte nicht vor Draco in den Ferien zu besuchen", erklärte ich schulterzuckend. Es wäre schön gewesen, daran bestand kein Zweifel, aber Jaime sprach genau das aus, was auch schon in meinem Kopf herumgespukt war: Dracos Eltern waren Todesser, sie würden ohne Zweifel treu zu Voldemort stehen. Ich wusste nicht, was mich bei ihm erwartete.
Jaime nickte, offensichtlich erleichtert. ,,Sehr gut."
Meine Gedanken kreisten nun um Draco. Wenn ihm in den Ferien etwas zustoßen würde ... Wusste Voldemort eigentlich von unserer Beziehung? Ich werde Draco erst im neuen Schuljahr wiedersehen ...
,,Du, Jaime, kannst du mir das Passwort für deinen Gemeinschaftsraum geben? Ich will mich noch von Draco verabschieden." Ich sah ihn bittend und aus großen Augen an.
Mein Bruder blinzelte kurz. ,,Ähm, klar, es lautet Reinblut."
Ich schnaubte belustigt. ,,Einfallslos."
,,Grundwissen."
,,Rassistisch." Ich drehte mich um und ging aus dem Raum.
,,Vorurteil!", rief er mir nach. Ich musste tatsächlich lachen.

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt