Der Patronus

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Allana

Die nächste Woche war einfach viel zu perfekt um wahr zu sein. Ich konnte gar nicht anders, als praktisch ununterbrochen zu grinsen, wenn ich Draco erblickte und er zwinkerte mir im Unterricht immer zu, wenn er sah, dass uns gerade niemand Beachtung schenkte. Wenn wir nebeneinander saßen, rückten wir automatisch einige Zentimeter näher zueinander und unsere Schultern oder Arme oder Hände berührten sich so leicht.
Zwischen den Stunden tauschten wir kleine, heimliche Küsse in den Gängen oder gingen einfach nur miteinander zum Unterricht, wobei Draco manchmal seinen Arm um mich legte.
Trotzdem vermieden wir diese Gefühlbekundungen wenn wir Leute aus unserer Stufe oder Freunde erblickten.
Ich hatte noch keinen meiner Freunde etwas von Draco erzählt, denn alle von ihnen würden mich für vollkommen verrückt halten.
Ich hatte noch gar nicht wirklich darüber nachgedacht, ob ich denn Jaime diese erfreuliche Nachricht mitteilen sollte, aber letzten Endes brauchte ich das auch gar nicht.
,,Läuft da eigentlich was zwischen euch?", hatte er mich vollkommen beiläufig gefragt, als er mir gerade seine Hausaufgaben zum Abschreiben gegeben hatte. Ich war erst erstarrt, hatte es dann irgendwie geschafft mich vor Überraschung und Schock zu verschlucken und hatte als Resultat prompt angefangen zu husten.
Jaime Gesicht hatte eindeutig gesagt: Das deute ich mal als Ja.
,,Äh", hatte ich gemeint und meine Hand hatte sich um die Feder verkrampft, sodass die Spitze durch das Pergament gestochen, und einen fetten Tintenfleck auf meinem Aufsatz für Zaubertränke hinterlassen hatte. Ich hatte ein Fluchen unterdrückt und mich stattdessen auf meinen Bruder konzentriert, der mich abwartend, mit einer gehobenen Braue angesehen hatte.
,,Das wäre ... eventuell eine nicht unplausible klingende Möglichkeit", hatte ich geantwortet und Jaime hatte schnaubend gelacht. ,,Sehr schön ausgedrückt!" Dann war er wieder ernster geworden und hatte mir tief in die Augen gesehen. ,,Al, es ist mir ziemlich egal, mit wem du zusammen bist oder nicht", hatte er erklärt. ,,Wichtig ist nur, dass du auf mich zählen kannst, sollte ein gewisser Jemand eine ordentliche Tracht Prügel brauchen."
,,Du wärmst mein Herz", hatte ich trocken gemurmelt und mich bei ihm untergehakt. Er hatte nur gegluckst und mit den Augenbrauen gewackelt. ,,Also ... Draco nicht wahr? Ist er ein guter Küsser? Diese Frage hat mich immer schon beschäftigt."
Ich war vor Scham rot angelaufen und hatte ihm spielerisch in die Rippen geboxt.
Er hatte nur gegrinst.

Auch ich musste lächeln, als ich an diese Erinnerungen zurückdachte.
,,Wow, Allana, dein Patronus hat sogar schon eine Form!", rief Ron und deutete aufgeregt auf den grauen Dunst vor mir. Dieser verdichtete sich nach wenigen Augenblicken zu kleinen Flügeln, die elegant ausgebreitet waren. Dazwischen befand sich ein schmaler Kopf mit einem tödlich geschwungenen Schnabel und vor Intelligenz blitzenden Augen. An den dürren Beinchen waren scharfe Krallen erkennbar.
Ich lachte glücklich. Ein Greif! Mein Patronus war ein Greif!
Innerlich fiel mir ein Stein vom Herzen. Hauptsache es war keine Schlange ...
Der Vogel zischte in atemberaubender Geschwindigkeit um mich herum, bevor er sich langsam in Dampf auflöste.
Durch den blauen Nebel nahm ich Jaimes Gesicht wahr. Er stand etwas abseits der eifrig lernenden Schüler aus der DA und drehte seinen Zauberstab zwischen den Fingern umher. Sein Gesichtsausdruck wirkte starr, seine Augen hatten jedoch einen müden Glanz angenommen.
,,Alles in Ordnung?", fragte ich ihn zögerlich und stellte mich zu ihm. Er zuckte die Schultern. ,,Es ist zugegebenermaßen ... kompliziert." Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und blickte scheinbar in Gedanken versunken zu den anderen Schülern.
Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. ,,Dann sprich mit mir. Ich kann die helfen."
Er lächelte gequält. Da bin ich mir nicht so sicher." Er holte kurz Luft und sah mir nun direkt in die Augen. ,,Du erinnerst dich bestimmt noch an die ... Vorfälle im letztem Schuljahr? Mit Crouch Jr. und dem Dementor?"
Ich nickte langsam. Wie könnte ich das je vergessen? ,,Natürlich."
,,Und ich habe einen Patronus heraufbeschworen. Jetzt kann ich es nicht mehr. Und ich weiß auch warum." Er schwieg für einen Moment. ,,Ich habe meine schönste Erinnerung genutzt, um einer Person das Leben zur Hölle zu machen - ein absolutes Paradox. Und jetzt ... jetzt taucht das Gesicht von Crouch immer vor mir auf, wenn ich mich auf diese Erinnerung konzentrieren möchte. Es ist ..." Er schloss für einen Moment lang die Augen und seine Schultern sackten spürbar herab. ,, ... als hätte er diese Erinnerung vergiftet."
Mir fehlten die Worte. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie sehr ihm das zusetzte. Wenn die schönste Erinnerung, in der man immer Trost gefunden hat, die einen aufgeheitert hat, diese zerbrechliche, fragile, perfekte Erinnerung plötzlich zum persönlichen Albtraum wird.

Jaime

Sein Gesicht schien überall zu sein. Wie tausend Spiegelsplitter, die Bruchstücke seiner selbst in meinen Geist reflektierten und wie ein Echo zurückwarfen. Egal wie sehr ich versuchte ihn auszublenden, um den Patronus heraufzubeschwören, Crouch Jr's Gestalt tauchte immer wieder vor meinem inneren Auge auf. Er legte sich wie ein dunkler, bedrohlicher Schatten auf meine Erinnerung mit Hermine. Mal hörte ich nur seine Stimme, dann sein Lachen, dann sein Flehen um Gnade und dann sah ich ihn mit diesen blicklosen, gepeinigten Augen, die sich tief in meinen Kopf bohrten und das sanfte Licht der Erinnerung enfach erlischten.
Ich holte tief Luft und sah meine Schwester an. Ihr Blick war voller Mitgefühl und Anteilnahme. Sorgend.
,,Wir finden eine Lösung, okay?", meinte sie sachte und legte mir die Hand auf die Schulter. Ich nickte leicht, aber innerlich war ich mir nicht sicher. Wie konnte man auf dieses psychische Problem reagieren? Es fand doch alles in meinem Kopf statt!
,,Jaime. Sieh mich an", meinte Allana nun etwas entschlossener. Ich hob den Kopf und blickte in ihre grauen Augen.
,,Wir werden eine Lösung finden, das verspreche ich dir", erklärte sie mir deutlich. ,,Ich habe dich in die Sache reingezogen, also helfe ich dir jetzt auch!"
Das war die Allana, die ich kannte. Die Person, die niemals aufgab. Auf die man zählen konnte. Das gab mir mehr Zuversicht, als irgendetwas Anderes.
Ich ließ zu, dass sie mich umarmte und drückte sie kurz. Dann lösten wir uns wieder. Keiner von uns beiden wollte neue Gerüchte im Umlauf haben.

Allana

Jaime rieb sich kurz über das Gesicht, blickte mich dann erneut an und lächelte leicht ein kleines, schelmisches Grinsen. ,,Soso, ein Greif also. Zugegebenermaßen passend für dich. Während ich intelligent, flink und gewitzt als Fuchs bin, bist du als Greif ... überraschend, schnell und tödlich."

Was haltet ihr von Allanas Patronus? Findet ihr Jaimes Einschätzung dazu passend?

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt