Das Treffen

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Jaime

Ich saß am Tisch der Slytherins und betrachtete meine gerötete Hand. Nach einer Weile hatte ich aufgehört zu zählen, wie oft ich den gleichen Satz wieder und wieder in meine Haut ritzen musste.
Harry und ich hatten die ganze Zeit keinen Laut von uns gegeben, entschlossen Umbrigde diesen Genuss nicht zu gönnen. Hier hatte ich auch zum ersten Mal so etwas wie Verbundenheit gefühlt. Wir mochten uns zwar gegenseitig nicht ausstehen können, waren aber seltsamerweise geeint in unseren Hass auf Umbrigde.
Nach etwa zwei Stunden hatten wir endlich gehen können, nachdem Umbrigde unsere Hände überprüft hatte. Schließlich sollte sich die Botschaft "einprägen". Das hatte sie auch, dachte ich bitter, als ich auf meine schmerzende Hand blickte, die ich nun weder ballen noch krümmen konnte, da sonst der vereinzelte Schorf wieder aufplatzen würde.
Den Weg zurück zu unseren Schlafsaalen hatten wir in völliger Stille zurückgelegt. Zu meiner Überraschung hatte Harry mir ein kurzes ,,Bis morgen" zugemurmelt und ich hatte tatsächlich dem Drang widerstanden, ein Kommentar abzugeben. ,,Ja, bis morgen", hatte ich nur geantwortet.

Allana

Es gab Tage, an denen man sich vollkommen entspannt, ausgeglichen und gelassen fühlte.
Und dann gab es noch so Tage wie heute: Mein Körper schien nicht mehr durch einen ausgewogen Kreislauf, sondern durch Ströme von Adrenalin zu laufen. Ich war nicht in der Lage, irgendetwas langsam zu erledigen. Ich hetzte "wie ein aufgescheuchtes Huhn" hierhin und dorthin, wie mir Ron schläfrig mitteilte und wenn mir irgendjemand zu seinem eigenen Pech im Weg stand, fauchte ich die betreffende Person grob an zu verschwinden.
So viel zum Thema Aufregung vor dem Treffen mit Draco. Nachdem ich wirklich immer aufgedrehter wurde, zwang mich Hermine mit ihr in die Große Halle zu gehen. Währenddessen löcherte sie mich mit Fragen, was denn mit mir los sei, worauf ich stur schwieg.

In der Großen Halle war es noch ziemlich leer. Allerdings entdeckte ich den vertrauten schwarzen Haarschopf meines Bruders am Tisch der Slytherins. Er schien ziemlich in Gedanken verloren zu sein.
Ich näherte mich ihm mit leisen Schritten, bis ich genau hinter ihm stand. Er schien mich nicht zu bemerken, sondern spannte einmal vorsichtig seine eigenartig gerötete Hand an.
Ich soll keine Lügen erzählen.
Beinahe hätte ich diese Worte nur für eine Illusion gehalten, aber hier standen sie gut lesbar auf Jaimes Handrücken eingeritzt.
Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ein Stich von Übelkeit durchzuckte mich.
Wer auch immer dafür verantwortlich war...
Nein, ich wusste bereits, wer dafür verantwortlich sein musste. Umbrigde. Mein Bruder hatte gestern bei ihr Nachsitzen gehabt und jetzt ...
Ich biss die Zähne zusammen und ballte unwillkürlich die Hand zur Faust. Diese verdammte-
Aber ich musste mich jetzt dazu zwingen ganz entspannt und unwissend zu wirken. Jaime sollte nicht wissen, dass ich seine Verletzung gesehen hatte. Er würde nur versuchen das Ganze zu beschönigen, zu rationalisieren, um mich zu beruhigen.
Aber ich wollte mich nicht beruhigen. Diese ... Frau hatte meinen Bruder gefoltert und dafür würde sie bezahlen. Auf die ein oder andere Weise. Dafür würde ich sorgen.
Ich straffte mich und setzte ein fröhliches Lächeln auf, das ich mittlerweile perfekt beherrschte. ,,Hi, Jaime, gut geschlafen?"
Er zuckte zusammen und bedeckte zugleich hastig seine Hand mit einem Zipfel seines Umhangs. ,,J-Ja, ganz gut ..." Er setzte einen unschuldigen Blick auf.
Was du kannst, kann ich schon lange.
Ich schwang ein Bein über die Bank und ließ mich auf der Bank neben meinen Bruder nieder. ,,Wie ist Nachsitzen bei Umbrigde verlaufen?"
Er senkte für eine halbe Sekunde seine Augen auf seine malträtierte Hand. Einen weiteren Beweis brauchte ich nicht.
,,Nur so Sätze schreiben."
Ja, das habe ich gesehen. ,,Das geht ja noch."
Jaime zuckte bloß die Schultern und kratzte sich am Nacken. ,,Jaaa ... sag mal, heute triffst du dich doch mit Draco oder?"
Fieser Themawechsel, Brüderchen. Prompt wurde ich wieder nervös und meine Hände fingen an zu zittern. ,,Ja- Ja, also, wir wollten ja nach Hogsmeade gehen ..." Meine Stimme verklang. Ich deutete auf mich. ,,Wie sehe ich aus?"
Jaime sah mich stirnrunzelnd an. Sein Blick wanderte von meinem Gesicht bis zu meinen Füßen. ,,Normal?"
Das hat meinen Selbstbewusstsein jetzt wirklich gut getan, dachte ich sarkastisch. Heute trug ich schwarze Jeans, ein weißes, etwas eng anliegendes T-Shirt und graue Schuhe. Meine Haare hatte ich mir als absolute Ausnahme zu einen losen Zopf geflochten. Ich pustete mir eine verwirrte Strähne aus dem Gesicht. ,,Na dann, wünsch mir viel Glück."
,,Viel Glück."

Draco erwartete mich am Tor. Auch er trug normale Kleidung, die ich von ihm gar nicht gewöhnt war. Es war vollkommen anders, ihn nicht mehr mit seiner schwarzen Hogwartsuniform und der grünen Krawatte zu sehen, sondern in einem geknöpften Hemd und dunkler Hose, die beide von hoher Qualität zu sein schienen. Reinblütiger eben.
,,Ich habe dich noch nie mit geflochtenen Haaren gesehen", meinte er beinahe nachdenklich. ,,Steht dir aber."
Meine Wangen färbten sich leicht rosa und ich musste breit grinsen. Meine Aufregung nahm ab. ,,Dankeschön. Deine Klamotten sehen aber auch gut aus."
Er plusterte sich etwas auf und streckte den Rücken durch. ,,Das ist aus Italien. Mein Vater hat da-" Er unterbrach sich.
Ich lachte auf und hakte mich munter bei ihm unter. ,,Wieso habe ich schon fast erwartet, dass du so etwas sagen würdest?", neckte ich ihn.
,,Du kennst mich wohl zu gut." Er grinste.
Wir spazierten über die Ländereien, während Draco mir über seine Eltern und sein Leben als reinblütiger Spross erzählte. Es war wirklich faszinierend, aber für mich selbst kaum vorstellbar. Was wäre wohl gewesen, wenn Jaime und ich bei unserer Mutter aufgewachsen wären? Oder bei unserer Mutter und Voldemort? Unser Leben wäre wahrscheinlich - nein, sicherlich - vollkommen anders verlaufen.
,,Und bei dir?", fragte er mich schließlich, ,,weißt du etwas über deine richtigen Eltern?"
Ich zuckte betont gelassen die Schultern. ,,Nur, dass sie höchstwahrscheinlich tot sind und Zauberer waren", log ich. ,,Aber es interessiert mich auch nicht wirklich. Sie sind weg und das ist jetzt einfach so." Ich wünschte, es wäre tatsächlich so einfach.

Zuerst gingen wir in den Honigtopf, wo ich versuchte Draco Froscheier unter der Behauptung anzudrehen, es wären Pfefferminzbonbons.
Ich konnte ihn schließlich überreden eins zu essen, indem ich ihm vorschlug, zusammen gleichzeitig die "Bonbons" in den Mund zu nehmen.
Ich tat so, als würde ich das Froschei essen, während er seins tatsächlich in den Mund nahm.
Sein Gesicht erstarrte augenblicklich. Er sah mich an, sein Blick fiel auf mein unberührtes Bonbon. Dann fing er an zu würgen und spuckte das Bonbon aus.
Ich fing loszuprusten. ,,Überraschung!"
,, Du...!" Er deutete anklagend mit den Finger auf mich.
,,Ich?", wiederholte ich betont unschuldig, noch immer schmunzelnd.
,,Das wirst du bereuen", drohte er und piekste mir in den Bauch.
Oh, nein. Die Rache des Malfoy.
Dann schlug er mit einer Kitzelattacke zu.
,,Stopp, Stopp, aufhören! Ich mein's ernst, hör auf mich zu foltern!"
Ich wurde erneut von einer Lachsalve erschüttert.
Solchermaßen zufrieden, dass er seinen geknickten Stolz wiederhergestellt hatte, ließ er von mir ab. Ich hielt mir schwer atmend den Bauch, mein Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen. So sehr hatte ich bestimmt schon nicht seit Wochen gelacht.
Wir kauften uns einige Süßigkeiten und gingen dann in die Drei Besen, wo wir uns an einen der Tische setzten und die Schüler beobachten, die ein- und ausgingen. Bald schon stellte sich heraus, dass Draco so ziemlich alles an Klatsch und Tratsch über die einzelnen Schüler wusste, was es überhaupt zu wissen gab. ,,Das ist Cormac McLaggen, ein völliger Trottel. Sein Vater arbeitet im Ministerium, aber Gerüchten zufolge ist er pleite und versucht jetzt deshalb ein neues Gesetz zu entwerfen, damit er mehr Spendengelder in seine eigene Tasche abzweigen kann - schlauer Kerl. Das dort ist Romilda Vane, die ist grad mal dreizehn, benimmt sich aber so, als wäre sie schon volljährig ... sie ist übrigens in Gryffindor." Er warf mir einen gespannten Seitenblick zu.
,,Ja, ich weiß, in Slytherin seid ihr die reinsten Engel", murmelte ich scherzhaft. Er gluckste und setzte sich so, dass ich meinen Kopf auf seine Schulter legen konnte. Sein Arm lag sachte um meiner Taille und ich spürte mit jedem Atemzug hoben und wieder senkten. Meine Finger berührten die Seinen.

Ja, ich weiß, das Kapitel kommt spät :)
Ich bin noch nicht so geübt im Schreiben mit eher "romantischen" Kapiteln und irgendwie ist alles, was man schreiben kann, vollkommen clichéhaft. Aber zum Glück hat mich meine Schwester ein wenig beraten und auch einen Teil des Kapitels verfasst - den ich natürlich noch einmal komplett umgeschrieben und überarbeitet habe. Danke dafür :)

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt