Ein Lichtblick

2.6K 206 59
                                    


Jaime

,,Es ist nicht so, dass ich wirklich vollkommen die Kontrolle verloren habe, als ich Harry angegriffen habe. Es war mehr, ... dass ich ihm wehtun wollte und meine Magie wie von selbst meinen Wunsch ausgeführt hat. Verstehst du, was ich meine?"
,,Ein wenig", meinte Allana und nickte bedächtig. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet und ich verzichtete darauf, ihr zu sagen, dass sie im Ministerium vermutlich genau das gleiche getan hatte wie ich vor wenigen Stunden. Nur hatte sie es durch ihre telephatischen Fähigkeiten bewerkstelligt. Apropos ...
,,Snape hat es erfahren oder? Dass du Legilimentik beherrschst, meine ich."
Allana verzog kurz das Gesicht als hätte sie in eine saure Frucht gebissen. ,,Ja", murmelte sie.
,,Sonst noch etwas?"
,,Ich ... ich weiß weder, was genau sein Ziel sein soll oder was er vermutet ... aber er weiß mehr über Selena Bescheid als wir. Viel mehr."
Das war nicht gut. Langsam glaubte ich, dass Snape, Slughorn und Dumbledore gemeinsam mehr als genug Informationen haben würden um unsere Identität aufzudecken. Aber sie agierten einzeln und wir konnten wahrlich von Glück reden, dass Slughorn Dumbledore nicht die Erinnerung avertraut hatte ... Oder, dass Snape Dumbledore nicht gesagt hatte, dass Selena Allanas Mutter war ... Sie verfügten alle über einzelne Puzzlestücke, die sie jedoch nicht miteinander verbanden, um die Wahrheit herauszufinden. Und so stellte ihr Wissen nur die Grundpfeiler dar, die Randstücke des Puzzles. Aber um das Gesamtbild zu erkennen, fehlten ihnen zwei wesentliche Informationen, die bislang nur Allana und ich besaßen. Erstens: Selena Black war meine Mutter. Und zweitens folgte die wichtigste Information, mit der alle Puzzlestücke an ihren Platz rücken und das finale Bild zeigen würden: Allana und ich sind Zwillinge.
Mit diesem Wissen würde unsere Tarnung auffliegen.

Ein paar Tage später durften wir zum ersten Mal Draco im Krankenflügel besuchen.
Sein Bett befand sich nur ein paar Meter entfernt von Weasleys, der sich schon weitgehend von dem Giftanschlag erholt hatte. Er blieb zwar bis auf Weiteres im Krankenflügel, doch ich vermutete, dass er binnen weniger Tage wieder regulär dem Unterricht beiwohnen konnte. Er hatte regelmäßig Besuch von Harry, der kleinen Weasley, den eineiigen Zwillingen Fred und George (Merlin, war ich froh, dass Allana und ich keine eineiigen Zwillinge waren, unsere Tarnung wäre am ersten Tag auf Hogwarts aufgeflogen), sowie von Hermine, was mich mehr als nur störte.
Natürlich hatte ihr Harry nur seine Sicht der Dinge geschildert und am Tag nach dem Duell hatte sie mich mit verschränkten Armen und den Worten ,,Wir müssen reden" vor der Bibliothek begrüßt. Ich hatte geseufzt und ein "Ich war's nicht" und "Harry lügt" hatten mir auf der Zunge gelegen. Stattdessen hatte ich genickt und mich von ihr zu einem abseits gelegenen Tisch in der Bibliothek führen lassen.
Genau als ich mich hingesetzt hatte, hatte Hermine bereits zu sprechen begonnen: ,,Harry meinte, du hättest ihn angegriffen."
Ein offensichtlicher Vorwurf hatte in ihrer Stimme gelegen und ich hatte mich dazu zwingen müssen, sie nicht anzufahren, denn Harry trug ganz allein die Schuld daran. Er hatte Draco provoziert und lebensgefährlich verletzt und mich erst so in diese Situation gebracht und doch war Harry immer der Held, immer tat er das Richtige, war ein Vorbild-
Ich rief mir wieder das Gespräch mit Hermine in Erinnerung.
,,Ich habe ihn angegriffen", hatte ich zugegeben, ,,aber verstehst du nicht meine Sicht der Dinge?! Harry hätte beinahe meinen besten Freund getötet, Merlin, ich dachte, Draco sei tot!"
Daraufhin waren Hermines Augen groß geworden und sie hatte sich auf die Lippe gebissen. Dann hatte sie kurz reuig den Blick gesenkt. ,,Das- das habe ich nicht gewusst", hatte sie leise gemurmelt. ,,Trotzdem hättest du ihn nicht angreifen sollen", hatte sie nach einigen Sekunden des Überlegens hinzugefügt und mir einen durchdringenden Blick zugeworfen.
Ich war ihr einer Antwort schuldig geblieben. Sie wusste nicht, wie es war, wenn einem ein geliebter Mensch genommen wurde. Sie kannte diesen Schmerz und diesen Zorn nicht.
Dafür beneidete ich sie.

Dracos Gesicht war immer noch etwas bleich, aber bei weitem nicht mehr so eingefallen und farblos wie noch vor wenigen Tagen. Um seine Brust waren mehrere weiße Verbände gewickelt und auf einem kleinen Nachttisch standen mehrere Phiolen mit Heiltränken und Salben. Er lag halb aufgerichtet auf einem Stapel Kissen und war scheinbar in ein Buch vertieft, doch er blickte auf, als er unsere Schritte hörte und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er legte das Buch eilig zur Seite und richtete sich mit einem leisen Grunzen in eine sitzende Position. ,,Wurde aber auch Zeit."
,,Schön, dass du im Krankenflügel nicht deinen Humor verloren hast", meinte Allana trocken, grinste dann jedoch breit und beugte sich hinunter, um Draco sachte zu küssen.
,,Soll ich dir auch ein Küsschen geben, Draci?", fragte ich feixend.
,,Du bist so ein Kind, Gaunt."
Wir setzten uns zu Draco aus Bett und begannen ihm von unseren Tagen zu erzählen.
Dieses Herumgealbere, das ständige leichte Flirten zwischen uns dreien und die trockenen Kommentare, die während des gesamten Gespräches fielen, ließen mich beinahe die letzten Monate der Streitereien und der Sorgen vergessen und es tat mehr als nur gut, wieder zusammen mit Allana und Draco zu lachen. Auch wenn dies nur ein Fragment von kurzer Dauer sein würde.

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt