Grimmauldplatz Nummer zwölf

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Jaime

Ich schüttelte meinem Onkel die Hand. Er kam mir seltsam vor mit den beinahe normalen Klamotten. Bis jetzt hatte ich ihn nur ihn Lumpen und vollkommen verdreckt gesehen, als wir ihm in der Heulenden Hütte begegnet waren.
Sirius musterte mich kurz von oben bis unten. ,,Du siehst deiner Mutter nicht sonderlich ähnlich."
Allana und ich tauschten einen unauffälligen Blick. Sirius lachte jedoch nur und schlug mir auf die Schulter. ,,Ist vielleicht auch besser so. Niemand Vernünftiges, den ich kenne, möchte so aussehen wie ein Black."
Trotzdem immer noch besser als Ähnlichkeiten mit Lord Voldemort zu besitzen.
Sirius wurde wieder ernst. ,,Hört zu ... ich weiß, dass kommt jetzt etwas plötzlich ... aber ich möchte, dass ihr mit mir zum Anwesen der Blacks kommt."
Allana und ich sahen uns an. Ich erkannte ihren offensichtlichen Unwillen und Skepsis in ihren Blick, genauso wie sie meine schlecht verborgene Begeisterung erkannte. Nur weg von den Muggeln!
,,A-aber warum denn?", stotterte Allana, ,,ich meine ... wie kommst du auf diese Idee?"
Sirius kratzte sich am Nacken. ,,Nun ... Voldemort ist zurück, wenn man Dumbledore Glauben schenken kann und dann gab es auch noch den Angriff auf Harry ..."

Allana

Ich horchte auf. ,,Was meinst du mit 'Angriff auf Harry'? Was ist geschehen?"
Sirius blinzelte mich perplex an. ,,Du weißt es nicht? ... dachte Harry hätte dir geschrieben ..."
Ich hatte die gesamten Ferien in keinster Weise Kontakt mit Harry, Ron oder Hermine gehabt. Zu Anfang hatten sie mir noch Briefe geschrieben, aber ich hatte sie nicht beantwortet, hatte noch nicht einmal einen von ihnen geöffnet. Die Welt der Zauberei stellte im Moment nur ungewollte Wahrheiten und grauenvolle Ereignisse dar. Am liebsten würde ich die letzten Wochen auf Hogwarts komplett aus meinem Gedächtnis raddieren. Es einfach verdrängen.
Zu viel war dort passiert, an das ich nicht erinnert werden wollte. Und die Briefe, Nein, alles, was mit Zauberei oder Hogwarts zu tun hatte, erinnerte mich daran.
Nur hier bei den Muggeln schien die Welt noch in Ordnung zu sein. Deren Probleme waren so banal und so wunderbar ablenkend. Tausendmal besser, als mit Crouch Jr. , Cedric oder Voldemort konfrontiert zu werden.
,,Ich wollte nach den Ereignissen im letzten Jahr lieber etwas Zeit für mich haben ... du weißt schon ...-" Ich schaffte es nicht, Cedrics Namen auszusprechen.
Mein Onkel sah mich erschüttert an. Er wusste natürlich auch, dass Cedric auch ein Teil meiner Familie gewesen war, aber er schaffte es nicht, passende Worte dazu zu formulieren. ,,Ich-", er unterbrach sich und räusperte sich verlegen. ,,Harry wurde von zwei Dementoren angegriffen, mitten bei den Muggeln. Er hat zwar einen Patronus heraufbeschworen und konnte sie so verjagen, aber trotzdem ... Ihr seid hier nicht mehr sicher."
Ich war bei seinen Worten aschfahl geworden. Dementoren ... Kurz blitzte das Bild von Crouch vor meinem inneren Auge auf. Seine Augen waren weit aufgerissen und so angsterfüllt und panisch ... Und wie er geschrien hatte ...
Ich blinzelte mehrmals. Mein Puls hatte sich beschleunigt. ,,Das ... das habe ich wirklich nicht gewusst ... Wie geht es Harry? Ist er okay?"
Sirius nickte und Erleichterung spiegelte sich in seinem Blick. ,,Er ist glücklicherweise unverletzt. Allerdings hat sein Muggel-Cousin den Patronus gesehen und das ist nunmal gegen das Gesetz. Es wird also zu einer Anhörung kommen."
Ich hörte ihm jedoch bereits nicht mehr zu, denn meine Beschäftigung galt ganz anderen Dingen. Warum Dementoren? Warum hatte Voldemort Dementoren nach Harry ausgesandt? War es nur zufällig gewesen oder sollte es vielmehr ein versteckter Wink in unsere Richtung sein? Wusste er womöglich, was wir getan hatten? Möglich wäre es bestimmt ...
,,Jaime, können wir kurz etwas besprechen?", fragte ich meinen Bruder, der mich sofort forschend ansah. Trotzdem nickte er. ,,Klar."
Wir entfernten uns einige Schritte von Sirius. ,,Glaubst du, die Dementoren waren geplant?", wisperte ich leise an Jaime gewandt. Er seufzte nur. ,,Al, das ist jetzt nicht so wichtig. Viel wichtiger ist"- er schaute mir fest in die Augen - ,,was wir jetzt tun sollen. Folgen wir Sirius oder nicht?"
,,Ich glaube, du hast deine Entscheidung bereits getroffen", meinte ich nüchtern. Ein kleines Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. ,,Du kennst mich zu gut."
Ich erwiederte nichts darauf. Er nahm meine Hand und schaute mich aufmunternd an. ,,Komm schon! Du warst doch diejenige, die letztes Jahr wollte, dass wir unseren Onkel besser kennenlernen. Das ist die Gelegenheit!"
,,Letztes Jahr ist allerhand passiert, und das weißt du auch. Ich will es einfach alles vergessen, aber das kann ich nicht, wenn ich mit jeder Sekunde in der Zaubererwelt daran erinnert werde!" Schon jetzt stürzten all die schrecklichen Ereignisse erneut auf mich ein und verwandelten meinen Geist in ein einziges Chaos.
Jaime sah mir fest in die Augen. ,,Al, du kannst dich davor nicht verstecken. Wir beide können es nicht. Aber wir können das hier zusammen durchstehen, ja? Wir müssen nur zusammenhalten!"
Ich spürte wie ein angenehmes Gefühl der Wärme mich durchflutete und verdrängte das Bedürfnis ihn zu umarmen. Mein Bruder war nie ein Fan großer Worte gewesen, aber seine Ansprache berührte mich eigenartig. Ich schluckte kurz und nickte dann ruckartig. ,,Ist gut."
Er lächelte und fuhr mir durch die Haare. ,,Wir kommen mit dir", erklärte er Sirius. Dieser grinste sichtlich erleichtert. ,,Sehr gut. Kommt, wir sollten uns beeilen."

Unsere Koffer waren Dank Sirius' Zauber in wenigen Sekunden gepackt und wir aufbruchsbereit. Jaime schleppte seinen Koffer geräuschvoll die Treppe nach unten und ließ ihn immer wieder absichtlich auf die hölzernen Stufen krachen. Er legte es wirklich immer darauf an, sein Umfeld zu provozieren. Nur wenige Sekunden später kam auch schon Mrs. Moon mit zornrotem Gesicht auf ihn zugeeilt. Die beiden hatten sich die gesamten Ferien bereits das Leben so schwer wie möglich gemacht. Angefangen hatte es damit, dass Jaime aus Versehen eins seiner Hogwarts-Bücher im Flur liegen gelassen hatte und Mrs. Moon darin geblättert hatte. Sie schien dann zu vollends glauben, Jaime wäre vollkommen verrückt und wollte ihm zum Psychiater bringen. Das war einer der wenigen Momente gewesen, an denen ich Jaime wirklich rasend vor Zorn erlebt hatte. ,,Ich bin nicht verrückt!", hatte er geschrien und die kleinen Kinder hatten angefangen zu weinen. Daraufhin hatte er schlagartig aufgehört und war in sein Zimmer gehastet. Danach hatte uns jeder gemieden und war uns aus dem Weg gegangen. Wenn wir vorbeigingen, suchten sie das Weite, nur um anschließend wild zu tuscheln. Ich kam damit klar. Jaime schien es jedoch deutlich mehr zu beschäftigen, auch wenn er mir den Grund dafür nicht nennen wollte.
,,Gaunt, nun ist es genug!", keifte sie, ,,ich habe zwar zugestimmt, dass Sie Ihr Zimmer mit"- sie deutete auf mich -,,dieser Person teilen dürfen, aber meine Geduld mit ihnen ist nun endgültig zu Ende! Sie benehmen sich abnormal, fangen Streit an, prügeln sich und machen anderen mit Ihrer Schule Angst!"
Jaime sah sie nur mit schweren Lidern an, obwohl er bei dem Wort 'Angst' beinahe unmerklich zusammenzuckte. ,,Ich sehe Sie dann in zwei Jahren oder so wieder, Ja?", meinte er trocken, ohne auf ihre Worte einzugehen. Er drängelte sich an ihr vorbei.
Sirius hüstelte leicht.
,,Bevor du fragst: Ja, er ist ständig so."
Jaime drehte sich noch einmal in die Richtung der Heimleiterin um. ,,Und ja, ich bin abnormal. Besser, als so gewöhnlich zu sein wie Sie!"
Draußen auf der Straße zog ich mir schnell die Kapuze meiner Jacke über den Kopf. Jaimes Gesicht zeigte ein leicht irres Grinsen.
,,Du Dramaqueen", murmelte ich ihm zu. Sein Grinsen vertiefte sich. ,,Danke."
Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment meinte.
Sirius zog uns die Straße entlang. Er verschnellerte seine Schritte, sodass Jaime und ich mit unseren schweren Koffern nur mühsam mithalten konnten. ,,Ähm, gehen wir jetzt den gesamten Weg?", fragte ich zögerlich. Sirius schüttelte den Kopf. ,,Wir könnten apparieren, aber das würde dem Ministerium auffallen, ihr seid ja noch minderjährig, also werden wir mit einem der Muggel-Fahrzeuge reisen. Das wird garantiert keinen Verdacht erregen." Er grinste uns an. ,,Wir fahren mit der U-Bahn."

Er führte uns zur Burnt Oak Station und wir stiegen in die Bahn. Sirius trippelte in seiner Animagus-Form schwanzwedelnd hinter uns her.
Einige Stationen weiter stiegen wir auf Sirius' penetrantes Bellen hin aus und gingen die düstere Straße entlang. Aus einem der Häuser dröhnte laute Musik, doch ansonsten war es still.
,,Also, wo ...?", fragte Jaime verwirrt. Sirius krempelte seinen Ärmel nach oben und zückte seinen Zauberstab. Er murmelte eine kurze Formel.
Auf einmal erschien zwischen den Ziffern elf und dreizehn eine einzelne Tür. Dann eine Wand und schmierige Fenster ... ein ganzes Geschoss ... und noch eins ... Das Haus schien seine Nachbarn förmlich wegzudrängen, aber das war doch gar nicht möglich ... ich meine, die Muggel müssten das doch merken ...
Die Rockmusik wummerte unbedruckt weiter.
Offenbar nicht.
Jaime lachte auf und ließ Sirius und mich hinter sich zurück. Ich berührte meinen Onkel an der Schulter. ,,Sirius?", meinte ich zögernd. Er drehte sich zu mir. ,,Ja?"
,,Bitte sag' noch niemanden, dass Jaime mein Bruder ist, okay? Und bitte auch nichts über unsere Mutter. Es wissen nur wenige Leute Bescheid und es wäre uns lieber, wenn es so bleiben würde."
Sirius sah mich verwirrt an, nickte jedoch. ,,Gut, ganz wie du willst."
Ich deutete auf das Haus, das gerade wortwörtlich aus dem Nichts entstanden war. ,,Ähm, was ist das für ein Ort?"
Sirius grinste fröhlich. ,,Das Haus der Familie Black, aber jetzt auch benutzt als"- er senkte die Stimme zu einem Flüstern - ,,das Hauptquartier des Orden des Phönix."

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt