Die Berufsberatung

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Jaime

,,Glaubst du, du könntest ihn umstimmen?", fragte ich Allana wenige Tage später.
Allana gab ein Schnauben von sich und warf einen dunklen Blick auf den schwarzen Haarschopf eine Reihe vor uns. ,,Harry ist einer der stursten Menschen, die ich kenne. Die Wahrscheinlichkeit ist also ziemlich gering. Es wäre auch gut möglich, dass er das Interview bereits gegeben hat. Gestern war er in Hogsmeade und ich habe bis jetzt noch nicht mit ihm über den Tag sprechen können."
,,Verdammt", murmelte ich finster und stocherte mürrisch mit dem Zauberstab auf dem hölzernen Pult herum. Mehrere kleine Funken stoben auf.
,,Gaunt, Zauberstab weg!", trillerte Umbrigde, die offenbar gerade das Klassenzimmer betreten hatte. Ein affiges Lächeln klebte währenddessen auf ihrem Gesicht. Aus irgendeinem Grund machte mich dies wütend.
Ich wollte zum Sprechen ansetzen, aber Allana berührte unauffällig meine Hand. Tu's nicht.
Ich schloss den Mund und steckte mit einem höflichen Lächeln meinen Zauberstab zurück in die Tasche.
Umbrigde schien über meine Reaktion leicht die Stirn zu runzeln und warf meiner Schwester einen forschenden Blick zu. Doch diese hatte nur säuberlich die Hände auf dem Tisch gefaltet und begegnete Umbrigdes Adleraugen mit einem Ausdruck höflicher Verwirrung. Ich verkniff mir ein Grinsen.

Einige Sekunden später stieß Draco unauffällig zu uns, stahl sich von Allana einen heimlichen Kuss (Uää) von den Lippen und ließ sich auf seinen gewohnten Platz neben ihr nieder.
Umbrigde lächelte jetzt wieder mädchenhaft. ,,Wie Ihnen sicher bekannt ist, wird heute mit ihnen eine Berufsberatung durchgeführt, die Ihre weitere Karriere untersucht, unterstützt und gezielt fördert. Dies wird anhand Ihrer bisherigen Studienerfolge und Zensuren festgemacht und ist eine bewährte Methode ..."
Auch das noch! Ich hatte keine Ahnung, was für einen Berufsweg ich nach der Schule ausüben sollte! Bei meinen Noten standen mir nahezu alle Türen offen, aber trotzdem ...
Diesen Beruf würde ich für den Rest meines Lebens haben und das war schon eine ziemlich lange Zeit. Wenn ich Glück hatte.
Mit diesem nicht gerade sonnigen Gemüt lauschte ich Umbrigdes Vortrag.
Glücklicherweise ging der restliche Unterricht vergleichsweise schnell vorbei - außer Geschichte der Zauberei, wo ich mir die Zeit damit vertrieb, Allana jedes Mal anzustupsen, wenn sie bei dem Geschwafel von Professor Binns einzudösen drohte.

Am Abend schlang ich gerade etwas Rührei mit Speck hinunter, als mir Draco auf die Schulter klopfte.
Ich sah auf. ,,Was ist denn?", fragte ich ihn.
,,Das Beratungsgespräch", erklärte er.
,,Was ist damit?"
,,Die Zeiten für die jeweiligen Schüler hängen schon am schwarzen Brett."
,,Ja und?"
,,Deins hat vor drei Minuten begonnen."
Ich zuckte zusammen und sprang auf. ,,Verdammt! Wo genau muss ich hin?"
,,Neben dem Unterrichtsraum für Verwandlung, glaube ich. Kann ich dein Rührei haben?"
,,Du, was-?"
Draco deutete auf mein halb gegessenes Abendessen.
,,Äh, ja", meinte ich zerstreut und schnappte mir meine Schultasche. Gleichzeitig strich ich mir über die Haare, um wenigstens einen halbwegs anständigen Eindruck zu erwecken. ,,Wünsch mir Glück!", rief ich meinen besten Freund hastig zu. Seine Antwort ging im allgemeinen Gemurmel der essenden Schüler unter.
Kein gutes Zeichen.
Ich sprintete die Stufen zu dem entsprechenden Korridor nach oben. Dort angekommen riss ich die Tür auf und wurde sogleich von einem kalten Blick aus zwei schwarzen Augen begrüßt, die mich über eine bleiche Hakennase hinweg düster anblickten. ,,Zu spät, Gaunt", meinte Snape, ganz und gar nicht erfreut.
Ich holte zischend Luft und hielt mir die Seite. ,,Verzeihung, Sir, ich habe es vergessen."
Snape nickte knapp und führte mich in den Raum. ,,Setzen." Er deutete kurz auf einen hölzernen Stuhl.
Gegenüber von diesem saß bereits Umbrigde, bewaffnet mit einem kalten Lächeln und einem pinken Klemmbrett.
Ich setzte mich langsam hin, darauf bedacht, dass meine Körpersprache weder gelangweilt noch eingeschüchtert wirkte. Ich bog den Rücken durch und nahm eine gerade Haltung ein. ,,Guten Tag, Professor", meinte ich höflich.
Umbrigde blickte von ihrem Klemmbrett auf, in das sie soeben offenbar noch Notizen gemacht hatte und reichte mir einen pinken Zettel. Darauf war mein Name eingetragen, sowie die verabredete Uhrzeit. ,,Sie sind zu spät."
Ich nickte. ,,Es wird nicht wieder vorkommen."
,,Das hoffe ich doch. Pünktlichkeit ist essenziell für eine Karriere."
,,Ja, Professor", murmelte ich starr.
,,Nun, Mr Gaunt ... haben Sie schon berufliche Pläne für ihre Zukunft?
Ich kratzte mich nachdenklich am Kinn. ,,Ich könnte mir vorstellen zu unterrichten ... also wäre Lehrer eine Möglichkeit. Ein Job im Ministerium wäre natürlich auch gut, aber-"
,,Dafür brauchen Sie ausgezeichnete Noten", zwitscherte Umbrigde.
,,Soweit ich mich erinnern kann, ist Mr Gaunt bisher der Beste des Jahrgangs", warf Snape bedächtig ein.
Umbrigde blinzelte, als glaubte sie, sich verhört zu haben. ,,Wie bitte?", wiederholte sie, zum ersten Mal offenbar aus der Fassung gebracht. ,,In meinem Unterricht verhält er sich stets passiv, gerade mal durchschnittlich sind seine Leistungen zu nennen!"
Das war auch meine Absicht gewesen, dachte ich und erinnerte mich an unseren Plan am Anfang des Schuljahres zurück: Nicht gegen Umbrigde rebellieren, zurückhaltend sein und nicht in ihrer Anwesenheit auffallen.
Nun war es dafür wohl zu spät.
Umbrigde musterte mich und ihr Blick schien plötzlich viel intensiver zu sein. ,,Nun denn", meinte sie schließlich, ,,ich werde mich mit dieser ... Kuriosität noch genauer auseinandersetzen." Sie warf einen erneuten Blick in ihre Unterlagen. ,,Mr Gaunt, Sie kennen ihre Eltern nicht, soweit ich weiß?"
Diese Frage genügte, um in mir sämtliche Alarmglocken schrillen zu lassen. Ich blickte sie aus starren  Augen kühl an, mein Gesicht plötzlich zur Maske erstarrt. ,,Das ist korrekt", entgegnete ich knapp.
Umbrigde wedelte mit ihren dicken Fingern in meine Richtung. ,,Sie können gehen."
Ich erhob mich und Snape begleitete mich zum Ausgang. Bevor ich gehen wollte, stoppte er mich. ,,Ich weiß nicht, was Ihre Strategie bei dieser Angelegenheit ist, aber ich rate Ihnen damit aufzuhören. Es erweckt den Anschein, als hätten Sie etwas zu verbergen", meinte er kühl.
Ich nickte nur knapp. ,,Gute Nacht, Professor."
Ich spürte seinen stechenden Blick im Rücken, bevor er sich ebenfalls entfernte.

Allana

Ich sah auf das schwarze Brett. Mein Termin war etwa eine Stunde später als der von Jaime. So langsam sollte ich mich also auf den Weg machen, denn mein Bruder war schon eine ganze Weile weg.
Ich wanderte durch die Flure und erkannte dann in der Nähe des Beratunsraumes McGonagall, die den gleichen Weg einzuschlagen schien.
,,Ah, Diggory", meinte sie auf ihre gewohnt barsche Weise, ,,Berufsberatung nehme ich an?"
,,Genau", nickte ich.
,,Sehr gut."
Ich bemühte mich, mit der Professorin Schritt zu halten und folgte ihr in den Raum. Dort wartete Umbrigde bereits auf uns, ihr Mund war zu einem zuckersüßen Lächeln verzogen. Ich könnte schwören, dass McGonagall bei ihrem Anblick unauffällig die Nase rümpfte.
Umbrigde bedeutete mir, dass ich mich ihr gegenüber setzen sollte. ,,Nun, Miss Diggory, haben Sie schon einige Vorstellungen über Ihre spätere Arbeit?", fragte sie mit ihrer hohen Stimme.
,,Ähm, nein, ich-", stammelte ich, bevor ich mich eines Besseren besann. ,,Ich meinte-  ... Ein Beruf ... ein Beruf im Sportbereich wäre doch ganz nett. Oder ... im Ministerium. Das wäre alles."
Ich zuckte ratlos die Schultern. Ehrlich gesagt interessierte ich mich noch nicht sonderlich für spätere Berufe. Das Leben nach meiner Schulzeit kam mir so unendlich weit weg vor und auch so ... unwichtig.
Im Vergleich zu der Gefahr von Voldemort, der Horkruxe und unserer Vergangenheit waren solche Überlegungen schon beinahe bedeutungslos. So lange ich in der ständigen Ungewissheit lebte, war meine berufliche Zukunft nur zweitrangig. Es gab tausende wichtigere Dinge, auf die ich mich gerade konzentrieren musste.
,,Aha", meinte Umbrigde nur und kritzelte etwas auf einen Bogen pinken Papiers. Nach einer Weile blickte sie auf. ,,Was können Sie mir über Cedric Diggory sagen?"
Ich glaubte mich verhört zu haben. ,,Wie Bitte?"
Umbrigde lächelte breiter. ,,Cedric Diggory. Ihr Bruder. Oder war er Ihr Adoptivbruder?"
,,Adoptiert." Meine Lippen fühlten sich taub an. Meine Stimme klang plötzlich fremd, als würde jemand anderes für mich sprechen. Und kalt. ,,Warum fragen Sie mich das?"
Umbrigde seufzte gespielt mitfühlend. ,,Natürlich ist dieses Thema eine große Belastung für Sie. Aber ich wollte sehen, wie Sie sich bei einer solchen Frage verhalten." Ihr künstliches Lächeln wurde breiter. ,,In meinem Unterricht waren Sie stets still, unauffällig. Genauso wie ein weiterer Schüler, der Ihnen in vielerlei Hinsicht ähnlich zu sein scheint. Und jetzt ..." Sie stockte und blickte in meine grauen Augen als suche Sie etwas darin. ,, ... Jetzt sind Sie ein vollkommen anderer Mensch. Meine Liebe, mir ist bewusst, dass jeder Mensch Geheimnisse hat, aber Sie haben mehr als so manch anderer."
,,Dolores, Sie haben nicht die Aufgabe Informationen über die Schüler zu sammeln!", mischte sich McGonagall plötzlich sichtlich aufgebracht ein.
Umbrigdes Lächeln blieb bestehen. ,,Die Aufgabe nicht, aber das Privileg dem Ministerium und dem Minister für Zauberei so gut wie möglich zu helfen. Wir sollten in dieser Gesellschaft schließlich keine Lügen erzählen."

Jaa, Ferien! Fahrt ihr irgendwohin in den Urlaub? Habt ihr überhaupt schon Ferien? Wenn nein, haltet durch, es ist bald geschafft! :)

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt