Selena Black

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Und, irgendwelche Ideen, wovon die Erinnerung handeln könnte?

Jaime

Ich schlug die Beine übereinander um eine bequemere Haltung zu finden und blickte erneut auf die Karte der Rumtreiber. Allana war bereits eine halbe Stunde weg, aber das war kein Grund zur Beunruhigung. Dumbledore saß noch immer am Tisch der Lehrer und ich vermutete, dass er dort noch für eine gewisse Zeit bleiben würde.
Trotzdem sollte Allana sich lieber beeilen. Diese war jedoch noch immer in Dumbledores Büro. Aber warum bewegte sie sich nicht mehr? Vor nicht einmal einer Minute war sie noch durch den Raum gegangen und jetzt ... Ein Funken Sorge wallte in mir auf. Aber ihr würde schon nichts geschehen sein. Bestimmt untersuchte sie nur einen Gegenstand oder prüfte etwas ... Kein Grund zur Panik. Kein Grund zur Panik.
Trotzdem merkte ich, dass sich mein Herzschlag beschleunigt hatte und nun gegen meine Brust hämmerte. Ich befeuchtete nervös meine Lippen und meine Augen wanderten über die Karte. Wenn ich gleich wieder zu ihr schaue, wird sie sich bestimmt bewe-
Ich blinzelte und blickte erneut auf einen bestimmten Punkt auf der Karte der Rumtreiber, mehrere Flure entfernt. Für einen Moment lang dachte ich, ich hätte mich geirrt, doch ...  Was tat Draco da?! Mein bester Freund war keinesfalls beim Abendessen, sondern trieb sich in irgendeinem Korridor herum. Was konnte er dort wollen?! Hatten wir in diesem Teil des Stockwerks Unterrichtsfächer? Vielleicht hatte er einfach irgendetwas vergessen und wollte es holen ... oder er traf sich mit jemandem ... aber da war keine Person zu sehen ...
Ich kaute nervös auf meiner Lippe, meine Augen huschten zwischen Allana und Draco hin und her. Der Tintenkleks mit dem Namen meiner Schwester bewegte sich noch immer nicht, sondern war wie festgefroren. Und Draco ... Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Wo war er hin? Eben noch war er im Korridor gewesen, genau vor einer Wand und nun war er einfach verschwunden ...
Ich raufte mir die Haare und richtete mich auf. Meine Finger verkrampften sich um die Karte und meine Beine waren plötzlich wie Pudding.
Irgendetwas läuft hier gewaltig falsch.
Ich ging ein paar zittrige Schritte und schüttelte meine Gelenke aus.
Ganz ruhig, vielleicht hat die Karte auch einfach eine Fehlfunktion ... sie ist schließlich schon ziemlich alt ... oder ich habe Dracos Nanen nur irgendwie übersehen und Allana wird bestimmt in ein paar Minuten wieder hier sein ...
Ich blickte erneut auf den Tintenpunkt mit Allanas Namen darauf. Er hatte sich noch immer nicht bewegt. Keinen Millimeter. Nur festgefroren an Ort und Stelle.
Meine Augen wanderten über die Karte. Und Draco ... Meine Augen weiteten sich, denn Draco hatte sich scheinbar wieder materialisiert und ging nun mit zügigen Schritten in Richtung Kerker.
Ich gestattete mir einen kleinen Seufzer. Draco ging es offensichtlich gut, jetzt musste ich nur aufpassen, dass Allana rechtzeitig vor Dumbledore das Büro verlassen würde und-
Ich erstarrte, als ich auf den detaillierten Plan der Großen Halle blickte. Der Sitz des Schulleiters war leer. Meine Finger begannen zu zittern, während ich fahrig die Karte absuchte.
Wo ist Dumbledore?!

Allana

Schemen wurden zu Konturen, welche immer klarer wurden und sich so von ihrer düsteren Umgebung differenzierten. Gleichzeitig wurden etwa ein Dutzend in schwarz gekleidete Gestalten sichtbar, deren bleiche Gesichter einen krassen Kontrast zu der Dunkelheit um sie herum darstellten.
Ich blinzelte und blickte mich um. Ein langer, glänzend polierter Tisch befand sich in der Mitte des Raumes. Die Vorhänge waren zugezogen, die Tür verriegelt. Das einzige, was ein wenig Licht spendete, war ein knackendes Kaminfeuer, welches den Raum in schummeriges Licht tauchte und geisterhafte Schatten auf die teils ausdruckslosen, teils verängstigten, teils ehrerbietigen Gesichter der Anwesenden warf. Voldemort saß am Kopfende des Tisches. Seine roten Augen bohrten sich in das Gesicht jedes einzelnen Todessers, wobei ein Finger seiner skelettartigen, bleichen Hand der Schlange Nagini fast schon behutsam über den Kopf strich. ,,Wie ich hörte, hast du dich gestern mit einer Muggelfamilie amüsiert, Bellatrix ", hörte ich Voldemort zischend sagen, wobei er eine junge Frau anblickte, die auf der linken Seite des Tisches saß. Mein Herz rutschte mir in die Hose, als ich die junge Bellatrix Lestrange erkannte: Ihr Haar war dunkler als ich es von ihr kannte und zu einer fransigen Frisur aufgetürmt. Ihre Lippen zierte ein irres Grinsen und sie nickte begeistert. Rechts neben ihr saß ihr Mann Rodolphus Lestrange und auf ihrer linken Seite erkannte ich Narzissa Malfoy, die ebenfalls deutlich jünger schien. Im Gegensatz zu ihrer Schwester schien sie an dem Gespräch keinerlei Gefallen zu finden, denn sie blickte starr und mit unnatürlich bleichem Gesicht auf die dunkle Tischplatte.
Auf der rechten Seite des Tisches fiel mir zuerst ein junger Mann mit dunklen, glatten Haaren auf. An sich war sein Aussehen keinesfalls bemerkenswert: Schmales Gesicht mit aristokratischen Zügen und einer etwas eckigen Nase. Er trug teure, elegante Kleidung, jedoch mit so einer Verachtung, dass ich mich fragte, warum er sich überhaupt für diesen Stil entschieden hatte. Doch es waren seine emotionslosen, kalten Augen, die mich schlucken ließen: Zu sehr erinnerten sie mich wieder an die Geschehnisse vor zwei Jahren; Barty Crouch Jr rümpfte kurz die Nase und murmelte seinem Nebenmann ein paar Worte ins Ohr, wobei sein Blick weiterhin starr und undurchsichtig blieb. Die Person neben ihm hob kurz eine Braue und strich sich dann durch das schwarze Haar. Der junge Mann war etwas schlanker als Jaime und seine Haare waren etwas kürzer und welliger, doch erinnerte mich diese kleine Geste zutiefst an meinen Bruder. Ich wusste augenblicklich, wer er war, denn ich hatte ein Bild von ihm im Haus der Blacks gesehen ... Es war Regulus Black, Sirius' Bruder. Neben ihm saß ein weiterer junger Mann mit pechschwarzen, öligen Haaren und einer Hakennase. Seine Kleidung war komplett schwarz gehalten, was, wie ich wusste, sich im Laufe der Jahre nicht geändert hatte. Seine dunklen Augen musterten Regulus Black und Barty Crouch Jr mit einer Spur von Abneigung, doch ansonsten war der Gesichtsausdruck von Severus Snape nahezu ausdruckslos. Und neben ihm ... Zwischen Snape und Voldemort ... Selena Black. Unsere Mutter. Ihr Gesicht war etwas bleicher als das meinige und ihre Augen nicht grau, sondern braun. Und doch erkannte ich mich selbst in ihr wieder. Wir hatten die gleiche schmale Nase, welche auch Jaime geerbt zu haben schien, und beide wellige, dunkle Haare. Sie saß leicht zurückgelehnt auf ihrem Stuhl, ihr rechter Arm lag mit einer gewissen Beiläufigkeit auf der Armlehne, ihr Ellenbogen war auf die linke Lehne gestützt. Sie trug eine schwarze Hose, einen dunklen, eleganten Umhang und einen silbernen Armring am Handgelenk. Ihr Blick war aufmerksam, ihre Stirn leicht gerunzelt, ganz so wie bei Jaime, wenn dieser über ein Problem grübelte.
Aus welchem Jahr mochte diese Erinnerung wohl sein? War unsere Mutter bereits schwanger oder waren Jaime und ich womöglich sogar schon geboren?

,,Herr, die Prophezeiung ist nun in unserem Besitz ... darf ich fragen ... wann beabsichtigt Ihr, den Jungen zu töten?"
Voldemort lächelte über diese Frage nur kalt. ,,Ah, Severus ... so neugierig ... es wird nicht mehr lange dauern ... sei dir dessen gewiss." Er strich erneut mit einer Hand über den schuppigen Kopf von Nagini, welche behaglich die Augen schloss. ,,Nun, Barty ... ist es dir gelungen, den Leiter des Aurorenbüros auszuschalten?"
Crouch Jr nickte und ein fanatisches Leuchten erhellte seine Augen. ,,Es ist mir eine Ehre, Euch mitzuteilen, dass ich-"
Weiter kam er nicht, denn ein Lichtblitz zischte nur Millimeter an seinem Kopf vorbei und barst stattdessen ein Loch in die Wand. Mehr als zwanzig Auroren standen plötzlich mit gezückten Zauberstäben im Raum und warfen Flüche auf die versammelten Todesser.
Doch diese schienen mehrheitlich nicht eingeschüchtert zu sein, ganz im Gegenteil: In den Augen von Crouch Jr stand blanke Mordlust und Bellatrix fing an zu strahlen wie ein kleines Kind und lachte schrill, während sie Fluch um Fluch auf die Auroren schleuderte.
Auch auf Voldemorts Gesicht bildete sich ein schmales, kaltes Lächeln, was sich jedoch nur einen Augenblick später in loderne Wut verwandelte, als ein Zauber ihn nur knapp verfehlte und stattdessen beinahe unsere Mutter getroffen hätte. Diese duckte sich jedoch schnell und zog nun ebenfalls ihren Zauberstab.
Voldemort schob Selena grob hinter sich, was ihm nahezu freies Schussfeld verschaffte, bevor er einen Todesfluch abfeuerte, der einen der Auroren mitten in der Brust traf.
Ein Schrei ertönte und einer der Todesser sackte zusammen, doch schien es bei den Auroren mehr Verwundete oder Tote zu geben. Sie brüllten ihrem Anführer zu, dass sie sich neu formieren sollten, aber diesen traf nur Augenblicke später ein Todesfluch ... Einige versuchten, ihre Flüche auf Voldemort zu konzentrieren, doch die nun überlegenen Todesser zerschlugen ihre Formation binnen Sekunden ... Ich versuchte einen weiteren Blick auf Selena zu erhaschen, doch diese wurde noch immer Voldemort verdeckt, welcher Fluch und Fluch abfeuerte und-

Die Welt verschwamm vor meinen Augen. Die Gestalten lösten sich auf und wurden zu Schatten, die umherwirbelten.
Ich fühlte die Kerben und Vertiefungen des Denkariums unter meinen Fingern und blinzelte heftig.
Kurz darauf drohte mein Kopf zu bersten, als ein gedankliches Signal mit voller Wucht meine Gedanken durchdrang: Allana, Frettierte Frikadelle!

In der Erinnerung kam ja Voldemort vor, den ich vom Aussehen so beschrieben habe, wie er meiner Meinung nach zu der Zeit gewesen war (also mit roten Augen, Schlangennüstern und weißer Haut). Einige meinten bereits im Prolog von Seine Kinder, dass Voldemort vor dem Versuch Harry zu töten, vergleichsweise "normal" ausgesehen hätte, jedoch teile ich diese Ansicht nicht, da genug Zitate in den Büchern dagegensprechen. Also, wenn ihr auch jener Meinung seid ...
Go on and change my mind.
Hoffe, euch hat das Kapitel gefallen :)

Seine Erben (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt