Kapitel 26

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Raus hier!

Ich renne so schnell ich kann raus aus dem Hollister-Laden.
Ich will weg.
Einfach nur weg.
Weg von dieser Erfahrung, diesen Gedanken und den Bildern in meinem Kopf.
Egal wie sehr ich versuche, nicht darüber nachzudenken, die Bilder wollen aber nicht verschwinden.
Ich will diese Bilder nicht sehen.
Geht weg!
Die Leute um mich herum bleiben stehen.

Hab ich das laut gesagt?!
Ist aber auch nicht mehr wichtig.
Ich will nicht mehr. Und ich kann nicht mehr.
Ich möchte mich hier einfach hinlegen und schlafen, und wenn ich wieder aufwache sind all diese Bilder weg...

Ich weiß, es wird nicht gehen, trotzdem setze ich mich an die Wand, ziehe meine Knie an, lege meinen Kopf auf meine Beine und schließe meine Augen.
Einfach nur einschlafen...
Doch daran hindert mich eine Hand, die an meiner Schulter rüttelt.

"Leana? Leana, antworte!"

Cassy!
Das ist Cassy, meine Cassy!
Ich spüre, wie sie sich neben mich fallen lässt.
Sie legt ihren Arm um mich und zieht mich ganz nah an sich und schweigt einfach nur.
Ich lehne mich an sie, lasse meine Augen aber geschlossen und genieße die Stille, sie lässt mich etwas runter kommen.

Schlafen, schlafen, bitte, ich möchte schlafen...

Schon wieder hindert mich etwas daran, dieses Mal eine Stimme:
"Guten Tag, sind Sie die Betroffene?"

"Nicht ich, sie.", korrigiert Cassy den Mann, das kann ich an der Stimme erkennen, meine Augen möchte ich nicht öffnen.

Automatisch kuschele ich mich etwas mehr zu Cassy, was sie dazu veranlässt, ihren Arm fester um mich zu schlingen.
Ich habe Angst.
Angst vor einem fremden Mann, warum bitte?!

'Shawn war auch fremd...'

Dank meiner inneren Stimme hab ich jetzt noch mehr Angst.
Werde ich nie mehr ohne Hintergedanken einem Mann oder Jungen begegnen können?
Da kommt noch eine Hand dazu, die mir langsam über die Haare streichelt.
Panisch fahre ich hoch.
Es ist anscheinend der Mann, der mit Cassy geredet hat, denn nun redet die gleiche Stimme auf mich ein:

"Hey, ich bin Jona. Ich bin ein Psychologe und war gerade aus Zufall hier in der Nähe. Möchtest du mir mir über etwas reden?"

Er ist so verständnisvoll und ich weiß nicht, woher dieser Instinkt kommt, aber ich habe plötzlich das Verlangen, ihn einfach zu umarmen.
Vielleicht um mir selber zu beweisen, dass ich keine Angst habe.
Vielleicht auch, weil ich jemand Starken bei mir haben möchte.
Vielleicht weil er mich irgendwie an meinen Vater erinnert.
So löse ich mich schnell aus Cassys Arm und umarme ihn.
Er scheint erst überrascht zu sein, erwidert die Umarmung dann aber.

Ich hätte alles erwartet:
Das ich jetzt zusammenbreche, weil das zu viel für mich ist.
Das ich verängstigt zurückweiche.
Sogar das ich die Beinahe-Vergewaltigung nochmal nacherlebe.
Aber nicht damit.
Nicht damit, dass ich mich sicher und geborgen fühle. In den Armen eines eigentlich fremden Mannes.

Wieder dringen Geräusche zu mir: "Auch wenn es asozial klingt: Du wirst dich schnell wieder an sowas gewöhnen, so schlimm ist es nicht.", sagt Jona mit einer ruhigen Stimme, die mich wirklich ruhiger werden lässt.

Ok, das war echt asozial, aber ich merke trotzdem wie ich mich beruhige.

"Hast du einen Freund?", fragt er weiter.

Schüchtern nicke ich.

"Er wird dir in der Zeit helfen, genau so wie deine Freundin und dann wird es mit der Zeit immer besser werden. Ich verspreche es dir.", rät er mir noch.

Ich löse mich aus seiner Umarmung und wende mich an Cassy.

"Ich möchte zurück, bitte.", piepse ich.

Sie nickt nur und bedankt sich beim Mann, während ich nur ein leises "Danke" rausbringe, was er wahrscheinlich nicht gehört hat.

Gerade als wir raus kommen, wird Shawn von einem Polizisten abgeführt.
Ich wende mich von ihm ab, spüre aber wie mir Tränen in die Augen steigen. Ich kann es einfach nicht verhindern.
Auch Elister folgt ihm, er wirft mir einen traurigen Blick zu.
Er ist echt nett und ich weiß, er wusste nichts von Shawn und dieser Sache.

Ich versinke langsam in Gedanken. Allerdings kann ich nicht einen einzigen fassen, sie kreisen nur wie wild in meinem Kopf herum.
Wir sind mittlerweile schon lange draußen aus dem Kaufhaus und auf dem Weg zur Bushaltestelle, als mir auffällt, dass Cassy an dem Arm, den sie nicht um mich gelegt hat, mindestens sieben Tüten trägt.

Es muss sie echt anstrengen, aber sie lässt sich nichts anmerken.
Ich bin so froh, dass ich sie getroffen habe, sie bedeutet mir inzwischen einfach so viel.
Ich greife nach vier der Tüten, ich möchte nicht einfach so unnütz hier lang laufen.
Nach kurzem stillen Protest gibt mir Cassy sie schließlich.
In der Ferne sehe ich die Bushaltestelle.

Ich freue mich auf das Camp, besonders auf Jaron.
Er gibt mir dieses Gefühl, dass mir niemand anderes je geben wird.
Ich kann es nicht beschreiben, ein Gefühl aus Geborgenheit, Liebe und etwas unbeschreiblichem.

Es ist so, wie wenn ihr beschreiben müsstet, wie Wasser schmeckt: Es schmeckt einfach wie Wasser, genau so ist es mit dem Gefühl, das zwischen uns herrscht.
Der Bus, der uns zum Camp bringt, fährt gerade ein, wir steigen ein, setzen uns auf zwei Plätze und Cassy lässt wie die ganze Zeit schon, ihren Arm immer über meiner Schulter.

Das ändert sich die gesamte Fahrt nicht, in der wir beide nur schweigen und ich durch die Geräusche der Menschen immer müder werde und schließlich in einen traumlosen Schlaf falle.

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Hellou 🤗

Das wars mit der Lesenacht!
Ich hoffe, sie hat euch gefallen!❤❤
Bis denne, ich denk morgen kommt das nächste Kapitel...
Mit einer Überraschung...😏😂❤

Only one summer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt