Kapitel 39

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Also ist es das was ich befürchtet habe. Seine Mutter ist tot. Allein bei dem Gedanken treten mir Tränen in die Augen.

"Ich wollte gerade die Türe aufschließen, da ist mir aufgefallen, dass die Türe gar nicht geschlossen ist. Sie stand einen winzigen Spalt offen, was mir komisch vorkam, denn meine Mutter hat immer penibel genau darauf geachtet, die Türe zu schließen, nachdem bei uns einmal eingebrochen wurde. Ich habe auf jeden Fall die Türe geöffnet. Dann sah ich unseren Flur. Ich musste auf das Klingenschild schauen, um mich noch einmal zu versichern, dass das hier wirklich unser Haus war. Das war es. Leider.

Ich erkannte es nicht mehr wieder. Die Fotos von mir und meiner kleinen Schwester lagen auf dem Boden, das Glas der Bilderrahmen lag in Stücken zerbrochen darüber. Überall lagen Schnapsflaschen, mein Vater musste wieder betrunken gewesen sein. Er war oft betrunken und ist alkoholabhängig seit unsere Mutter ihn verlassen hatte. Er hatte sie einfach mit seiner Sekretärin betrogen, wie klischeehaft."

Er lachte einmal bitter auf.

„Dann hat meine Mutter ihn also verlassen und er hat immer mehr getrunken und manchmal auch vor unserem Haus randaliert, aber so schlimm war es nie.

Vorsichtig setzte ich einen Fuß in die Wohnung. Das Glas knirschte unter meinen Schuhen. Ich weiß noch genau, wie ich damals nach Mum gerufen habe. Erst leise, dann immer lauter, immer wieder: „Mum, Mum, Mum, wo bist du?""

Tyler sitzt zusammengekauert in seinem Stuhl, zitternd, und spricht wie ein jüngeres Kind. Kein Anzeichen mehr davon, dass er sonst der Mädchenschwarm schlechthin ist. Abgesehen davon, dass er immer noch unglaublich heiß ist. Halt deine Fresse, für dich habe ich gerade echt keine Zeit! Er sieht verletzlich aus, sehr verletzlich. In seinen Augen schimmern Tränen, was dazu führt, dass auch mir eine einzelne Träne das Gesicht runterrollt. Ich schmecke ihren salzigen Geschmack, als sie meine Lippen berührt. Ich kann einfach nicht andere Menschen weinen sehen.

„Ich bin immer weiter in Richtung Wohnzimmer gegangen. Mein Rufen ist lauter geworden. Mum! Mum! Und dann... Dann lag sie da. Sie lag einfach nur da, als würde sie schlafen. Auf dem Boden, umgeben von Scherben. Und... Und ihr Gesicht..."

Er streckt die Hand aus, als wollte er etwas berühren, aber da wo er hin fasst, ist nur Luft. Ihm rollen Tränen die Wangen runter und er hat einen Ausdruck im Gesicht, den ich noch nie bei ihm gesehen habe. Es ist wie eine Mischung aus Angst, Wut, Enttäuschung und... Liebe? Ich weiß nicht, wie man Liebe in einen Gesichtsausdruck packen kann, aber genau das ist es, was sein Gesichtsausdruck beschreibt. Und es tut so weh, ihn so weinen zu sehen. Liebe sollte etwas Schönes sein, es sollte nicht durch Trauer überdeckt sein. Mein Herz zieht sich zusammen und ich höre ein Schluchzen. Erst nach ein paar Sekunden realisiere ich, dass es aus meinem Mund kam.

„Ihr Gesicht ist voller Blut. Überall Blut! Ich gehe zu ihr, unter meinen Füßen die Fotos von mir, meiner Schwester, wie wir glücklich in die Kamera lächeln. Ich bin wie fixiert auf Mum, und doch nehme ich alles andere wahr, nur nicht sie. Ich will sie nicht wahrnehmen, nicht wahrhaben was los ist. Dann stehe ich bei ihr und... Und sie bewegt sich nicht. Ich nehme ihre Hand und sie ist so... So kalt, so lieblos. „Aber ich liebe dich doch, Mum! Ich liebe dich doch!", flüstere ich. Ich weiß, sie wird jeden Moment ihre Augen öffnen, sagen das sie mich liebt und es wir nichts geschehen sein. Doch es passiert nicht, es passiert einfach nicht.

Ich... Ich lasse ihre Hand los und schaue mich um. Sehe dir Fotos, auf denen meine Mutter und ich glücklich in die Kamera lächeln, auf denen sie mir einen Kuss gibt. Ich wollte immer, dass sie es abhängt, es war mir peinlich. Aber... Warum sollte einem die Mutter peinlich sein?!", schreit Tyler fast schon und Tränen rinnen über sein gesamtes Gesicht, er schluchzt auf, muss einen Moment warten, bis er weiterreden kann.

Only one summer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt