11. Kapitel

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Oder kam es mir doch nicht gelegen?

Ich vermisste ihn auf eine komische Art und Weise. Ich hatte das Gefühl, als würde ich zwar in ein und demselben Haus wie die Anderen wohnen, aber ich schien in einer anderen Welt zu leben. Es waren zwei Welten die nebeneinander existierten. Sie waren beide da. Behinderten sich nicht gegenseitig und führten ein ruhiges Leben. An einander vorbei und manchmal auch sich überschneidend. Sie kollidierten manchmal miteinander, sodass du mal in die andere Welt hinüberwankst, aber wieder zurück in deine eigene beschützte Welt kannst. Du wirst taub für die andere Welt, fühlst dich wie in einer Seifenblase.

Es war nicht schlimm in solchen Welten zu leben. Jeder tat das, mehr oder weniger. Schlimm wurde es wenn du alleine in deiner Seifenblase lebst und du nicht die Kraft hast die Seifenblase zu zerplatzen und neu zu blasen. Eine neue Seifenblase zu schaffen war kein Problem für mich. Ich konnte sie nur nicht zerplatzen und so wurden die Wände immer dicker und dicker, bis sie mich zu zerdrücken schienen und ich musste warten. Warten darauf, dass jemand die dicke, wochenalte Blase zerplatzte.

Das Leben zog wie in einem Film viel zu schnell an mir vorbei. Sah alles außerhalb nur noch als vage Schemen. Und so konzentrierte ich mich auf die gut sichtbaren Dinge. Meine Freunde Amina, Madison und Anthony. Chloe, Ash und Mason hatten es ernst gemeint und sprachen nicht mehr mit uns. Konzentrierte mich auf die Uni, auf die Prüfungen und auf die wenigen persönlichen Tätigkeiten, die ich mir hatte aneignen können.

Ich wollte es mir zuerst nicht eingestehen, aber sein wir ehrlich, wer würde schon gerne alleine in seiner Seifenblase leben? Ich wünschte mir nichts sehnlicher als hier endlich hinauszukommen.   Ich wurde taub für andere Dinge. Naja wirklich taub nicht, ich hörte sie, aber ich reagierte nicht. Ich wusste nicht wie. War zu weit weg um nach dem Faden der Realität ihrer Welt zu greifen. Also blendete ich sie aus. Wusste ich doch, auch wenn ich hätte reagieren wollen, hätte ich es nicht gekonnt. Ich war träger, langsamer und ließ es schlussendlich bleiben und merkte wie ich langsam einrostete.

Wir saßen alle am Küchentisch. Nun ja meine Hülle saß am Küchentisch. Ich, ich war irgendwo im nirgendwo. Ich hatte den Orientierungssinn schon verloren, zu viele Tunnel, Biegungen und Abzweigungen gab es hier.

"Anne, was ist mit ihr?" Ich spürte ihre Blicke besorgt auf mir ruhen.

"Ich mache mir echt Sorgen, das ist ja nicht normal!"

"Sie ist immer so total abwesend."

"Gem, hör auf zu weinen, sie bemerkt es nicht!" Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Aber ich war in mir selbst gefangen. Hatte zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Habe mich in mir selbst verloren.

"Wir sollten sie zu einem Arzt bringen."

"Ach und du glaubst auf den reagiert sie plötzlich?" Harry schob den Sessel ruckartig zurück, sodass er polternd umkippte und verschwand aus der Küche.

"Ihn nimmt das alles sehr mit. Mehr als er nach außen hin eh schon zeigt."

"Glaubt ihr er liebt sie?" Ich schnaubte auf. Die Köpfe drehten sich ruckartig zu mir um. 

Nein, denkt nicht es wäre eine Reaktion auf ihr Gesagtes gewesen. Es muss etwas in mir gewesen sein. Ich weiß selbst nicht was, aber die Reaktion schien angemessen. Aber wen interessierte das schon?

Ich stand auf und ging in mein Zimmer. Es war mir schon vollkommen vertraut geworden, in den 3 Monaten in denen ich schon da war. Aber dafür hatte ich jetzt keinen Blick. Ich ging zu meiner Balkontür und zog sie auf. Ich ging hinaus und sah über den kompletten Garten. Ich lehnte mich ans Geländer. Das Holz war kalt. 

Mein Blick streifte über den Garten. Die Blätter lagen großteils auf dem Boden, oder hingen vereinzelt, traurig vom Baum. Auch diese waren bereit ihren Flug auf die Erde anzutreten. Das Gras war braun und hatte seine sommerliche Frische verloren. Ein Blumenkübel war umgefallen, durch den Wind der immer stärker wurde und den nahenden Winter ankündigte. Die Erde lag um den Kübel verstreut, zusammen mit ein paar entwurzelten Blumen, die noch nicht gestorben waren. 

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