Die Verschwundenen

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Die schwarze Gestalt kam langsam
auf uns. Ohne über irgendetwas nach zu denken rannten wir beide, so schnell es ging nach draußen. Wir öffneten hastig die Türen und versteckten uns, instinktiv hinter einem großen Busch. Mein Herz klopfte und ich hatte unsagbar große Angst. Diese schwarze Gestalt hatte bei uns beiden irgendetwas ausgelöst. Wir haben nicht geschrien, sondern sind ohne auch nur ein Wort zu sagen weggerannt. Nach fünf Minuten traute sich Andre den ersten Satz auszusprechen:" Was war das?" Ich schaute ihn immernoch ängstlich an. "Ich weiß es nicht." Meine Stimme zitterte. Plötzlich fielen mir meine Freundinnen wieder ein. "Wo sind die anderen?" Ich hörte wie Andre schluckte. "Ich hab keine Ahnung." Ich wurde glaube ich noch viel blasser. "Vielleicht sind sie weggelaufen?" Ich schüttelte den Kopf. "Sie würden mich niemals alleine lassen." Langsam standen wir beide auf. Wir schauten uns im Wald um. Doch dort war keine Spur von ihnen. "Könnte ich mal dein Handy haben? Wir durften keins mitnehmen!" Ja ihr habt richtig gehört! Ich war in der zwölften Klasse und durfte mein Smartphone nicht auf Klassenfahrt mitnehmen. Aber ich hatte jetzt eh größere Probleme."Wir auch nicht!" Ein Kloß bildete sich in meinem Hals."Sie würden mich hier niemals einfach stehen lassen. Das weiß ich!" Tränen liefen mir die Wange runter. Ich konnte einfach nicht mehr. "Vielleicht sind sie einfach nur kurz etwas holen?" Ich wischte die Tränen weg. "Kurz etwas holen? Nochmal: Meine Freundinnen lassen mich niemals mit einem fremden Jungen alleine. Außerdem hätten sie mich dann gerufen!" Ich schrie ihn an. Er hob die Arme. "Ist ja schon gut!" Ich schaute auf das Gebäude. "Wir müssen hier weg!" Es war das ungute Gefühl in meinem Bauch, das mir sagte dass, das Verschwinden von meinen Freunden etwas mit der Gestalt zu tun hatte. Ohne Widerworte ging Andre mit mir von dem Gebäude weg. Es wurde langsam dunkel und im Wald sah man bald nichts mehr. Glücklicherweise ging Andre's Tadchenlampe noch. Stunden irrten wir im Wald herum, bis ich irgenwann sagte:" Dahinten! Da ist Licht!" Wir rannten voller Hoffnung zu dem Licht, das sich als Haus entpuppte. Dummerweise war es ein völlig anderes Dorf, als das wo wir mit unserer Klasse waren. Wir klopften trotzdem an das dunkelbraune Haus an. Uns öffnete eine große, schlanke Frau. Sie hatte ein wunderschönes, modelartiges Gesicht. "Wer seit ihr denn?" Auch ihre Stimme hatte einen schönen Klang. Andre und ich schauten uns an und brachten komischerweise kein Wort heraus. "Na kommt erst einmal rein!" Überrascht gingen wir in das warme Haus hinein. Es war ziemlich altmodisch eingerichtet. Mit Kamin, einem großen Bücherregal und einem Gasherd. "Wie heißt ihr denn?" fragte sie uns. "Ich bin Andre und das ist Emilia" Er wusste tatsächlich meinen Namen. "Ich bin Tara. Wohnt ihr hier?" Sie lächelte. "Ehrlich gesagt haben wir uns verirrt. Wir haben keine Ahnung wo wir gerade sind!" Andre kratzte sich am Kopf. "Ach wie süß. Seid ihr beide im Romantikurlaub? Und dann verirrt ihr euch? Wie blöd!" Ich schaute sie verwirrt an. Romantikurlaub? "Wir sind kein Paar!" sagte ich. Andre lachte. Was um alles in der Welt war daran jetzt lustig? Ich will einfach nur zu meinen Freunden. "Ach wie schade. Ihr zwei süßen würdet super zusammen passen." Langsam ging mir diese Frau ziemlich auf die Nerven. "Haben sie ein Telefon?" fragte ich sie. "Oder ein Handy? Wir haben nämlich keins dabei!" Tara stand lächelnd auf. "Ein bisschen freundlicher Madame." Freundlicher? Meine Freunde sind verschwunden, wir sind in einem völlig falschen Dorf und haben eine extrem gruselige Gestalt gesehen! Und dann sollte ich freundlich sein? "Wir müssen unsere Freunde finden. Die sind nämlich spurlos verschwunden." erklärte Andre Tara ruhig. "Hier. Versucht es mal mit dem Handy. Ich weiß aber nicht ob das noch funktioniert. Wir benutzen hier nämlich eigentlich keine Smartphones."Ich nahm das Handy dankbar an und tippte die Nummer meiner Lehrerin, die ich mir zum Glück eingeprägt hatte, ein. Sie nahm glücklicherweise ab. "Hallo?" Ich atmete auf. Mir tat es noch nie so gut die Stimme meiner Lehrerin zu hören. "Hallo Frau Reusch hier ist Emilia. Wir haben uns verlaufen." Ich hörte wie meine Lehrerin seufzte. " Wie oft habe ich dir eigentlich gesagt dass ihr immer in der Nähe von der Jugendherberge bleiben sollt? Ihr seid doch keine Viertklässler mehr!" Ich rollte meine Augen. Als ob sie noch nie so etwas getan hatte? "Wer ist denn bei dir?" Jetzt merkte ich erst dass sie Andre ja gar nicht kannte. "Ein Junge." Beste Antwort überhaupt! "Ach verstehe mit deinem Freund also! Das habt ihr euch ja schön vorgestellt!" Das konnte echt nicht wahr sein! Statt mir zu helfen machte meine Lehrerin mir Vorwürfe! " Wo bist du denn gerade Emilia?" Endlich mal eine sinnvolle Frage. Ich schaute Tara an die alles mit hörte. "Felsingtal." flüsterte sie leise. "Felsingtal." antwortete ich meiner Lehrerin. Plötzlich hörte ich nur noch ein tuten. Sie hatte aufgelegt. Ich runzelte die Stirn und versuchte noch mal sie anzurufen. Doch dieses Mal und auch die nächsten zwei Versuche ging sie nicht an ihr Handy. Wieder stieg die Angst in mir hoch. Waren wir hier jetzt gefangen? Und wo waren meine Freunde? Was um alles in der Welt hat das zu bedeuten?

Das Dorf des Schweigens Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt