"So, ich bitte jetzt alle Frischlinge sich hier in einer Gruppe aufzustellen." Wir folgten den anderen und stellten uns auf. Es waren tatsächlich wahnsinnig viele neue Bewohner im Dorf. Wir sahen aufgeregt zu Tara, die uns entgegen kam. "Den groben Spielverlauf hat euch Hilde bereits erklärt. Die Regeln zu dem Spiel sind auch ziemlich simpel: 1. Ihr rennt, nach dem Startschuss zu der weißen Wand und holt euch eure Waffen. 2. Ihr versteckt euch oder geht in die Offensive und schießt die Jäger ab. 3. Ihr seit dann eine Runde weiter, wenn dieses Geräusch ertönt." Sie holt ein Rufhorn hervor und bläst kräftig hinein. "Dann ist die erste Phase beendet und ihr habt es in die zweite geschafft. Kapiert?" Ich räusperte mich. "Was ist mit denjenigen die es nicht schaffen? Gehören sie dann nicht mehr zum Dorf?" Sie lächelte. "Ich sag es mal so: Es wäre besser, wenn man es schaffen würde." Andre und ich schluckten laut. "Sonst noch etwas?" Alle schüttelten den Kopf. "Gut, dann bitte ich euch jetzt eure Uniformen anzuziehen und euch dann in eine Reihe zu stellen." Tara zeigte auf einen großen Kleidungsstapel. Vier junge Männer drückten uns die Sachen in die Hände. Hinter einer großen Abtrennwand, die in Jungen und Mädchen Kabinen aufgeteilt war, zog ich mich, mit all den anderen, um. Ich musterte mich. Die Uniform bestand aus einem schwarzen Top, einer schwarzen engen Hose und schwarzen Turnschuhen. Es sah sogar, im Gegensatz zum Dorfbewohnerlook, ziemlich modern aus. Mit einem olivefarbenden Haarband, das uns ebenfalls gegeben wurde, bund ich meine Haare zusammen und stellte mich zu Andre. Er sah wahnsinnig gut aus. Sein Oberkörper bedeckte ein graues, dünnes Shirt. Die lange Hose war olivefarbend und damit passend zu den gleich farbigen Turnschuhen. Andre lächelte mich an. "Du siehst toll aus." Ich strich mir eine lose Haarsträhne aus meinem Gesicht. "Du auch." Dann ertönte wieder das laute Geräusch. Auf einmal wurde mir kotzübel und ich spürte wie es in meiner Magengrube rumorte. Ein Mann, der Ähnlichkeit mit einem strengen Soldaten hatte, zählte einmal durch und gab sein okay. "Ich wünsche euch alles Gute und viel Glück." Ein, uns bekannter, Mann erschien. Es war der Meister, der uns angrinste. "Auf das die besten gewinnen." Dann verschwand er wieder hinter uns. Ich schaute noch einmal nervös zu Andre, der mir ein 'Viel Glück' zu flüsterte. Ich erwiderte es und blickte dann nach vorne. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine Waffe benutzt, geschweige denn jemanden wirklich weh getan. Ich beobachtete die Jäger die in den großen Wald, neben der Lichtung, rannten und sich dort versteckten. "Auf die Plätze!" Man, das war ja wie bei einem Wettkampf. "Fertig!" Gott war mir schlecht. "Los!" Alle rannten wie wild zu der Wand. Auch ich spürte, wie meine Beine mich so schnell wie möglich davon trugen. Andre war ein paar Schritte vor mir. Doch das war mir egal. Ich konzentrierte mich lediglich darauf, nicht hinzufallen und zu diesen scheiß Waffen zu kommen. Dann endlich. Ich war da und löste die Waffe. Sie war riesig. Für meinen kleinen Körper viel zu riesig. Ohne über irgendetwas nachzudenken stürzte ich mich in den Wald und schaute mich immer wieder nervös um. Vorsichtig und nicht allzu laut rannte ich weiter. Der Wald wurde immer dunkler. Ich konnte Andre und auch die anderen nicht mehr sehen. Nach ein paar Metern spürte ich die kalte Luft, die mir die Kehle runterbrannte. Ich blieb stehen und atmete einmal tief durch. Plötzlich hörte ich einen lauten Schrei. Ich zuckte zusammen und ließ mich erschrocken auf den Waldboden fallen. Ängstlich robte ich mich zu einen kleinen Busch. Ich kroch mich, so tief es ging hinein. Noch ein Schrei. Gänsehaut durchbreitete sich auf meiner ganzen Haut. Die Dornen bohrten sich in meinen Körper hinein, doch es war mir egal. Ich hatte zu große Angst, um diesen kleinen Schmerz bemerken zu können. Leise Schritte kamen auf mich zu. Ich hielt die Luft an. Die Schritte wurden immer lauter, bis ich schließlich die Beine eines Mannes sah. Ich zog meine Füße laut los heran und schloss meine Augen. Der Mann schaute sich noch ein wenig um, bis er endlich weiterrannte. Wie ich diese Angst hasste. Nach einer Weile traute ich mich von dem dornigen Busch hervor zu kommen. Ich schaute mich noch einmal gut um und kroch aus dem Versteck, welches nicht wirklich gut war, heraus. Dann suchte ich weiter. Ich brauchte eine Höhle oder eine kleine Einkerbung. Irgendetwas wo ich hineim kriechen konnte. Doch ich fand nichts. Überall nur Dornenbüsche und Matsche. Wieder ertönte ein lauter Schrei und ein Lachen. Es hatte sich widerlich angehörte. Ich rannte noch schneller als zuvor. In diesem Moment hätte ich Andre wirklich gut gebrauchen können. Plötzlich raschelte es hinter mir. Ich drehte mich blitzartig um. Nichts zu sehen. Dann schlich ich weiter. Wieder das rascheln. Ich musterte den Wald und atmete zitternd aus. Vielleicht ein Vogel? Oder eine Maus? Da. Es ertönte schon wieder. Ich hielt die Luft kurz an und sah mich weiter im Wald um, während ich kleine Schritte ging. Plötzlich schoss ein Pfeil durch die Luft. Ich duckte mich schnell und versuchte weiter zu rennen. Ich hörte große Schritte ginter mir und versuchte so schnell wie möglich vorwärts zu kommen. Der Wind pfiff durch meinen Körper, während ich mich kurz traute zurück zu schauen. Ein ziemlich großer, kräftiger Mann rannte auf mich zu. Auf meinen Körper war eine Waffe gerichtet. 'Richtig meine Waffe!' Ich schaute nach unten. Man, ich hatte doch keine Ahnung wie man damit schoss. Ich versuchte vergeblich, während ich rannte, einen Schuss zu lösen. Doch es funktionierte einfach nicht. Eine kaputte Waffe. Das fehlte mir jetzt auch noch. Wieder ein Schuss. Er verfehlte nur knapp mein Bein. Ich keuchte auf und spürte wie Tränen sich in meine Augen füllten. Ich brauchte irgendeinen Plan. Der Jäger war sehr, sehr schnell. Lange hätte ich das Tempo nicht ausgehalten. Wieder ein Schuss. Dieses Mal über meinen Kopf. Ich schaute mich noch einmal im Wald um. Mir fiel ein Abhang auf, der mehr als steil war. Doch das war der einzige Ausweg. Ich bemühte mich noch schneller zu rennen und stürzte mich auf die Grube zu. Der Jäger folgte mir und schoss zwischendurch wieder. Ich spürte, dass er immer näher kam. Dann kamen wir endlich an der Grube an. Ohne auch nur irgendwie nachzudenken stürzte ich mich runter und rollte den Abhang entlang. Während des fallens spürte ich harte Steine, die mein Top zerrissen und sich in meinen Körper bohrten. Die nassen Blätter klebten an meinem Gesicht. Dann endlich: Ich war unten angelangt. Ich stöhnte laut auf, robte mich aber sofort weiter zu einer kleinem Auskerbung. Es war mir tatsächlich gelungen den Jäger abzuschütteln. Trotzdem war mir schlecht. Mein ganzer Arm bestand aus Platzwunden und Blut lief mir die Stirn runter. Mein Bein brannte. Kurz wurde mir schwarz vor Augen und schwindelig. Ich atmete tief ein und schloss meine Augen. Ich durfte auf gar keinen Fall bewusstlos werden. Ich musste stark sein. Also schob ich mich tiefer in die Kerbung und krallte mich in den dreckigen Waldboden. Ob es Andre wohl gut ging? Dieses scheiß Spiel war einfach nur makaber. Das ganze Dorf hier war makaber. Ich befeuchtete mir meine Lippen und schmeckte das kalte Blut. Immer wieder hörte ich laute, schmerzhafte Schreie. Immer wieder lief mir ein Schauer den Rücken hoch. Immer wieder laute Schritte. Doch glücklicherweise blieben sie nicht stehen. Sie liefen weiter und ignorierten mich. Naja nicht ganz. Sie konnten mich in der Kerbung nicht sehen. Es war ein ziemlich gutes Versteck. Also verweilte ich dort und hatte die ganz Zeit meine Augen geschlossen. Bis plötzlich das Geräusch ertönte. Ich lehnte meinen Kopf dankbar gegen die kalte Waldwand an. Ich kroch vorsichtig wieder heraus und versuchte den steilen Abhang hoch zu laufen. Nach dem dritten Versuch funktionierte es und ich rannte schnell in Richtung des Geräusches. Als ich an der Lichtung an kam, waren alle Augen auf mich gerichtet. Vermutlich war ich die letzte die kam. Wie immer. Langsam ging ich auf die Menschenmasse zu und suchte verzweifelt nach Andre. Doch ich fand ihn einfach nicht. Die Panik stieg in mir hoch. Wer weiß was sie mit ihm machen würden? Plötzlich tippte mich jemand an die Schulter. Schreckhaft drehte ich mich um und spürte die Erleichterung in meinem Körper. "Ohh man, ich dachte schon..." Dann schloss ich Andre in meine Arme und gab ihm einen zärtlichen, liebevollen Kuss. Er lächelte mich an. An seiner Stirn war ein großer Blutfleck. Dreck zierte seinen starken Körper. "Emi, wir haben die erste Phase überstanden." Ich nickte und küsste ihn noch einmal.
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Das Dorf des Schweigens
Mystery / ThrillerDie 18 jährige Emilia ist auf Klassenfahrt in einem kleinem Dorf. Aus Langeweile macht sie mit ihren Freunden eine Mutprobe. Sie und ein, bis vor ein paar Stunden noch, fremder Junge müssen in ein verlassenes Gebäude gehen. Dort finden sie Zeitungs...