Der Schmerz

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In meiner Nase stieg ein bitterer, widerlicher Geruch auf. Mein Kopf pochte, mein Herz raste und insgesamt fühlte sich mein Körper schwach und leer an. Meine Hände tasteten den kalten Boden ab und innerhalb weniger Sekunden realisierte ich wieder, wo ich mich befand und was passiert war. Ich schlug meine Augen auf und schaute mich hilfesuchend um. Neben mir lagen Andre, der seine Augen immer noch geschlossen hielt, und meine Freunde. "Emi, wir haben es nicht gewusst. Das schwör ich dir.", wisperte Rina leise, mit ihrer zarten, gebrechlichen Stimme. "Woher solltet ihr es auch gewusst haben? Marcel war unser Freund. Hätte ich auch nur jemals geahnt, dass er so krankhafte Gefühle für mich hatte, dann..." Weiter kam ich nicht, da Julian mich wütend unterbrach. "Was dann? Dann hättest du auch nichts ändern können! Er war, nein er ist krank. Hast du nicht dieses boshafte Funkeln in seinen Augen gesehen, während er mit dir gesprochen hat." Tränen blitzen in seinen Augen auf. Meine Kehle schnürrte sich wieder zu. "Er war unser Freund. Unser verschissener bester Freund." Auch Justin wirkte ziemlich aufgelöst. Er schlug kräftig gegen die Steinwand, so das seine Hand innerhalb eines Augenblickes Blut versehrt war. "Das bringt doch auch nichts. Ja, er hat uns verraten, aber wir können es nicht mehr ändern. Man, die wollen uns alle umbringen." Elifs Worte brachten uns alle zum Ersteifen. Für einen Moment traute eich keiner etwas zu sagen, geschweige denn überhaupt noch zu atmen. "Emi, wo sind wir?" Mein Kopf wendete sich schnell zu Andre, der seine grünen Augen auf mich gerichtet hatte. Eine Tränen lief mir meine verdreckte Wange runter. "Marcel, er, er hat mit dem Dorf. Also, er hat uns verraten. Es ist alles nur meine Schuld." Ich brach in ein lautes Schluchzen und Wimmern aus. Andre begann verwirrt mit dem Kopf zu schütteln. "Was ist deine Schuld?" Seine Stimme nahm wieder an Kraft zu und auch seine Augen wurden wieder klar. Ich versuchte so gut wie möglich mit dem Schluchzen aufzuhören und erklärte ihm alles. "Sie haben alles geplant? Alles war nur gestellt? Aber das kann nicht sein. Ich meine, in der ersten Nacht. Ich habe sie doch gehört, wie sie das mit der Kerze gemacht haben. Oder das Ritual, der Meister, er war begeistert von dir. Das hab ich doch gesehen." Andre klung verzweifelt und hilflos. Alles war Fake. Die Angst von einem meiner besten Freunde. Die scheiß Mutprobe mit dem Bunker. Ich stockte in meinem Gedanken. "Aber bei der Mutprobe. Da mussten wir doch die Flasche drehen. Wie konnte er wissen, dass sie auf mich zeigen würde?" In dem Moment öffnete sich, mit einem lauten Knall die Gittertür. Tara, Marcel, Eric und zwei andere Männer, die an der Tür stehen blieben, kamen uns entgegen. Meine Augen starrten zu Marcel, der den Blick erwiderte und anfing zu lächeln. "Die Zeit ist gekommen!" Tara's Stimme klang feierlich, geradezu episch. Marcel nickte zaghaft, kam auf mich langsam zu und hockte sich hin, so das wir auf Augenhöhe waren. Eric legte eine schwarze Tasche ab und kramte etwas hervor. Sorgfälltig breitete er es auf den Boden aus und schnaufte zufrieden, in Richtung Tara. Marcel grinste mich noch einmal an, bevor er sich von mir abwendete und zu Eric ging. "Emilia, du kennst die Bestimmungen des Dorfes. Du weißt, was uns glücklich macht." Ich schluckte meinen dickflüßigen Speichel runter und richtete meinen Blick auf Andre, der starr zu Marcel blickte. "Marcy erklär ihnen was passieren wird.", lachte Tara laut. Ich seufzte kurz, weil ich genau wusste was nun käme. "Ich denke sie wissen schon was jetzt passieren wird.
Ich werde diese wundervollen Folterinstrumente an euch austesten." Die Worte blieben in meinem Kopf stecken und stürmten dort wild herum. "Ihr werdet Emilia nichts tun, verstanden?" Andre's Stimme bebte vor Wut. Wäre er nicht gefesselt gewesen, hätte ich schwören können, dass er auf Marcel losgegangen wäre und ihn niedergeschlagen hätte. "Das werden wir auch nicht.", kicherte Eric leise, aber dennoch hörbar, vor sich hin. "Emi wird es viel mehr weh tun, wenn wir jemanden verletzen den sie liebt. Dafür kenne ich sie schon lange genug." Stolz lächelte Marcel uns nacheinander an. Mir wurde übel, schwindelig und Sterne zeichneten sich vor meinen Augen ab. Die zwei Männer, die sich hinten hielten, kamen jetzt aus dem Türrahmen und steuerten auf Andre zu. Sie entfesselten ihn, mit groben Bewegungen. Ein lauter Schrei entfuhr mir und ich versuchte mich, mit wilden Bewegungen, zu befreien. Unsere Blicke kreuzten sich. Andre's Augen sagten mir, es wäre zu spät für Aufstände. Es würde nichts bringen. Er würde sich für mich opfern. Tara zog einen holzigen, braunen Stuhl hinter sich her und stellte ihn in die Mitte des Raumes ab. Immer wieder versuchte ich mich zu entfesseln, doch als sich an meinen Handgelenke tiefe Schnittwunden eingruben, gab ich langsam nach. Die Männer zerrten an Andre und zwangen ihn auf den Stuhl. Er versuchte ruhig zu wirken und sich nicht anmerken zu lassen, dass er Angst hatte. Doch ich spürte, wie unwohl er sich fühlte. Immer wieder sah er zu mir. Der Schmerz, den ich enpfand war unbeschreiblich. Meine Tränenspur hörte nicht auf zu laufen. Andre wurde in den letzten Tagen, zu einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Marcel hatte Recht. Dieser Schmerz, den sie Andre jetzt zufügten, war für mich tausendmal größer, als wenn sie mich foltern würden. Eric holte eine schwarze, lange Peitsche hervor und schlug sie gegen die Steinwand. Wir zuckten kurz zusammen. "Ich wünsche euch viel Spaß.", sagte Marcel mit einem schmunzeln und nahm Eric die Peitsche aus der Hand. Andre schloss seine Augen zu Schlitzen. Während Marcel weit ausholte und die Peitsche sich, wie in Zeitlupe auf Andre richtete, schrie ich so laut und kräftig, das selbst ich mich erschreckte. Der Schlag traf Andre mitten in den Bauch. Sein Gesicht verzog er schmerzvoll, doch kein Schrei ertönte. Er atmete schwer und zitternd ein. Es folgte der nächste laute Schlag auf seine Beine. Auch dort konnte er Andre nichts anhaben. Langsam wurde Marcel ungeduldig und versuchte es immer wieder. Ins Gesicht, wieder in den Bauch und am Hinterkopf. Doch Andre blieb starr. Er hielt den Schmerz aus, den einer meiner Freunde ihn zufügte. Immer wieder betete ich, dass es aufhören würde. Doch ich wurde nicht erhört. Marcel riss wütend Andres T-shirt vom seinem Leib und schlug mehrmals auf seinen nackten Oberkörper ein. Seine Lippe, die Stirn und der ganze Körper blutete stark. Man konnte betrachten, wie sich die Narben langsam in seine Haut einbohrten. "Hört auf.", schluchzte ich immer wieder leise vor mich hin. Doch Marcel hatte Spaß daran. Auch Tara lachte immer wieder laut auf und feuerte ihn an. Irgendwann, ich hatte mein Zeitgefühl schon längst verloren, hörte Marcel schließlich auf. Erschöpft ließ er die Peitsche sinken und verließ den Raum. Andre starrte zu Boden. Blut tropfte auf die kühlen Steine. Die Männer trugen ihn zu uns und fesselten ihn wie zuvor. Dann verließen sie, mit Eric und Tara im Schlepptau, das Verließ und ließen uns wieder alleine. Ich beobachtete Andre. Meine Sicht war durch die vielen Tränen ziemlich verschwommen. "Andre, es tut mir so leid." Sein Kopf bewegte sich langsam und müde zu mir. Die vielen Blutergüsse und Blaue Flecke starrten mich an. "Ich liebe dich Emi." Ich heulte auf. "Ich dich auch Andre. Für immer."

Das Dorf des Schweigens Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt