Draußen war es kalt. Der Wind pfiff mir um die Ohren und stoch in meine Haut. Ich schaute mehrmals zurück, doch niemand war hinter mir. Plötzlich, ein lauter Knall. Ich rannte so schnell ich konnte und merkte nicht, wie meine nackten Füße sich in den kühlen Boden vergruben. Die Bäume zischten an mir vorbei und ich hörte immer wieder diese Schreie. Sie machten mir Angst, große Angst. Langsam spürte ich wie mein Körper sank und ich nicht weiter kam. So sehr ich mich bemühte, ich schaffte es einfach nicht. Irgendwann schaute ich nach unten und erschrak. Ich zappelte und wollte mich von diesem nassen Moor, in das ich immer weiter hineingezogen wurde, befreien. Doch nichts half. Aus purer Verzweiflung wurde ich ruhiger und ließ es zu. Auch wenn ich genau wusste, das das bedeuten würde, das alles vorbei wäre. Alles wofür ich gekämpft hatte.
Meine Augen schossen auf. Ich spürte die vielen Schweißperlen auf meiner Stirn und schaute mich ängstlich um. Es war dunkel, aber ich konnte glücklicherweise die Umrisse des Schlafzimmers erkennen. Ich atmete erleichtert aus und wollte mich wieder hinlegen. Doch plötzlich hörte ich ein lautes, mir schon fast vertrautes Lachen. Es war hässlich und boshaft. Ein zweites Lachen ertönte. Als ich es hörte empfand ich nichts als Glücksgefühle in meinem Bauch. Es war Andre. Ich stutzte. Andre und Tara? Zusammen, lachend in der Küche? Vermutlich wollte er sie nur um den Finger wickeln. Ich schloss wieder meine Augen, doch durch das ganze Gemurmel und Gelächter konnte ich keinen Moment lang schlafen. Ich beschloss aufzustehen und öffnete langsam die Tür des Zimmer's. Die Stimmen wurden ein wenig lauter und ich lauschte gespannt. "Und was sagt sie?" Tara kicherte. "Sie ist total schockiert von der ganzen Lage und hat echt große Angst!" Ich runzelte meine Stirn. Redete Andre von mir? Warum erzählte er ihr das? Sie lachte laut auf. "Perfekt!" Ich hörte wie jemand einen Stuhl weg schob. "Ohh baby, wir haben es fast geschafft!" Baby? Hatte sie gerade Baby gesagt? Aber doch nicht zu Andre. Meine Gedanken kreiselten wild durch meinen Kopf. "Ja das haben wir! Sie glaubt und vertraut mir. Ich glaube sogar echt, das sie sich in mich verliebt hat!" Andre lachte. Dieses mal löste es bei mir keine Schmetterlinge im Bauch aus. Eher pure Angst. Er konnte das doch nicht Ernst meinen. "Ach, so dumm ist dieses Mädchen!" Und schon wieder ertönte dieses widerliche Kichern. "Ganz süß ist sie ja!" sagte Andre, nicht sonderlich leise. "Hey, du gehörst mir Baby!" Und schon wieder. Dieses Baby, das bei mir einen Kotzreiz auslöste. Ich hörte ein lautes, starkes Schmatzen. Wieder steckte dieser dicke Kloß in meinem Hals und Tränen liefen ununterbrochen über meine Wangen. Langsam ging ich die Treppe hinunter. Sie schauten mich schockiert an. Und dieser Anblick. Er machte mich fertig! Tara saß so unfassbar widerlich auf Andre's Schoß und umschlung seinen Kopf. Ich schaute Andre direkt in die Augen. Tara war mir mehr als egal. Sie war mir rein gar nicht wichtig. Aber Andre. Er war so besonders, so ein guter Mensch. Das dachte ich jedenfalls immer. Die Tränen liefen immer noch. Er schubste Tara von sich, so das sie auf den Boden fiel, und kam auf mich zu. "Das ist nicht so wie du denkst!" Dieser unglaublich kluge Junge, sagte so einen dummen und klischeemäßigen Satz. Ich schüttelte mit dem Kopf. "Ach ja? Ich habe doch alles mitgehört!" Andre starrte zu Tara, die sich langsam aufrappelte. Er sah ziemlich verzweifelt aus. "Emi-"
"Nenn mich nie wieder Emi!" unterbrach ich ihn. "Ich, ich, ich kann das erklären." stammelte er herum. Die Wut stieg in mir hoch. Warum tat er mir so etwas an? "Wie kannst du nur so ein schlechter Mensch sein?" Er stoppte. Seine traurige Miene, wurde langsam ein wenig heller. Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen. "Tja, du hättest mir halt nicht vertrauen dürfen!" Ich schluckte. "Ach Emi!"
"Nenn mich nicht so!" schrie ich ihn an. Er lachte und kam schnell auf mich zu. Ich bekam Angst. Angst vor dem Jungen, den ich so liebte. Er schnappte nach meiner Hand. "Entspann dich. Wenn du willst leg ich für dich ein gutes Wort ein." Er kam mir immer näher und berührte mich fast mit seinen Lippen. Ich hielt den Atem an. "Ich mag dich. Sehr sogar." Tara fiepste und fiel wieder auf den Boden. "Du solltest nur lernen zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können." Er drückte mich ruckartig gegen die Wand und hob mich hoch. Er war so stark, so unfassbar stark. Nur seine Augen. Sie waren nicht mehr diese, die ich kennengelernt hatte. Er war wie ein anderer, grauenvoller Mensch. Ich schluchzte. "Du brauchst keine Angst vor mir zu haben!" Er kam noch näher. "Du Verräter!" krächzte ich leise, als es schon zu spät war.
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Das Dorf des Schweigens
Mystery / ThrillerDie 18 jährige Emilia ist auf Klassenfahrt in einem kleinem Dorf. Aus Langeweile macht sie mit ihren Freunden eine Mutprobe. Sie und ein, bis vor ein paar Stunden noch, fremder Junge müssen in ein verlassenes Gebäude gehen. Dort finden sie Zeitungs...