"Emi, alles okay?" Ich starrte immer noch perplex und erschrocken auf die weiße Wand unseres Wohnzimmers. Kotz übel und schwindelig. Meine Arme und Beine fühlten sich so schwer an. Andres Hand lag auf meiner Schulter. Zärtlich streichelte er sie immer wieder. Doch es half nicht. Ich hatte immer noch dieses perfiede Bild von meinen Freunden vor mir. Wie sie geschrien und gezappelt hatten. Verzweifelt versucht hatten sich zu befreien. Und mich als echekhaft enpfunden hatten. Ich wusste, dass ich nichts dafür konnte. Ich war nicht daran Schuld, dass sie von einer kranken Sekte entführt wurden. Ich konnte nichts dafür, dass sie Schweineohren essen mussten. Ich trug keinerlei Schuld. Und doch fühlte ich mich so. Als hätte ich meine Freunde im Stich gelassen und sie verraten. Dabei war doch alles ganz anders. "Emi, rede bitte mit mir.", flehte Andre mich leise an. Doch in meinen Ohren wiederholten sich immer wieder die Worte von Tara. 'Du hast Talent. Du hast keinerlei Mitgefühl gezeigt. Bravo!' Das hatte sie zuvor, als Abschiedsgruß gesagt. Talent. Das war es nicht wirklich. Ich war nur schockiert. Und hatte Angst. Sehr, sehr große Angst. Andre rüttelte an meinen Körper. Ich schaute in sein Gesicht. Seine Augen sahen verzweifelt aus. Er machte sich Sorgen. "Bitte.", flüsterte er leise. Ich wusste genau was seine Angst war. Er hatte Angst, dass er mich verloren hatte. Verloren an die Sekte. Ich hatte, zu Hause, als noch alles gut war, gelesen das Leute, die einen prägenden Moment erlebt hatten, voller Furcht und Angst, das diese Leute in eine Art parelle Welt fallen könnten. Keiner kam mehr an sie heran und konnte sie beruhigen. Sie waren gefangen. Gefangen in ihrer eigenen Stille. Ich wollte nicht sprechen. Nicht heute. Ich wollte einfach alles vergessen. Aber wie? Wie sollten sich die Ereignisse aus meinem Kopf löschen? Andre rüttelte mich nich einmal. "Emi, du bist nicht Schuld. Das haben sie doch nur gesagt, weil sie nicht wussten, dass wir ihnen helfen wollen." Seine blonden Haare waren verwuschelt und standen leicht ab. Er sah so süß aus. Doch mich interessierte das nicht. Ich wusste das ich stark sein musste. Aber ich konnte es nicht. Ich konnte es verdammt nochmal nicht. Und das machte mich so wütend. Innerlich tobte ich. Warum konnte ich nicht einfach stark sein? Warum ging das nicht? Andre ließ seinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Er schluchzte. Langsam senkte ich meinen Blick und sah wie er weinte. Wegen mir. "Andre.", sagte ich leise. Mein erstes Wort. Nach zwei Stunden, war das mein erstes Wort. Er blickte auf. Seine Augen waren rot. "Ich liebe dich." Ich flüsterte es so leise, wie es auch nur ging. Trotzdem hörte er es. Er zog mich an ihn ran und atmete zitternd aus. "Ich dachte schon-", bibberte er. Ich nickte. "Ja, ich weiß." Wir hielten die Umarmung fest. Sie tat uns gut. Die Stille tat uns gut. Sein Geruch und sein Atem beruhigte mich. Ich spürte wie mein Herz sich langsam wieder zusammen flickte. Dann lösten wir uns. "Ich hatte Angst Emilia." Er sagte es Ernst. Fast zu Ernst. Beschämt schaute ich auf den Boden. "Ich weiß." Ich atmete tief ein und versuchte mich zu beruhigen. Zu entspannen. "Diese Zeit.", fing ich meinen Satz vorsichtig an, " ich weiß nicht, ob ich das jemals wieder vergessen kann." Er nickte zustimmend. "Die Entführung. Das Ritual. Die Leiche in unserem Garten." Kurz schaute ich raus. Es hatte sich nichts verändert. "Und dann diese Fütterung. Das ist zu viel." Plötzlich brach ich in Tränen aus. Aber ich ließ es zu. Ich ließ die ganze Trauer und die Wut raus. Wieder nahmen wir uns in den Arm. Lange. "Sollen wir jetzt die Polizei verständigen.", fragte er mich. Ich bejahte es. Zusammen gingen wir ins Schlafzimmer, schließen die Gardinen und die Türen. Dann kramte Andre das Handy aus der Kommode und legte es auf seinen Schoss. Wir seufzten gleichzeitig. "Okay, mach es." Ich flüsterte. Dann wählte er die Notrufnummer und hielt es an sein Ohr. Ich kam näher, um mit zu hören. "Polizeizentrale Nordeshang.", ertönte es plötzlich. Ich schluckte. "Ja, wir sind es.", meldete sich Andre, zugegeben ein wenig dümmlich. "Der Fall des Dorfes?", fragte der Polizist. "Ja richtig. Wir wissen," er bemühte sich leise zu sprechen, "wo das Versteck ist." Stille. Dann ertönte plötzlich ein zweiter Polizist. Aufmerksam hörten wir ihnen zu, wie sie uns erklärten was wir machen sollten. Ich bekam mit einem Mal Gänsehaut am ganzen Körper, als einer der beiden meinte, dass wir nochmal zur Ruine müssten. Wir müssten ihnen erklären, dass wir auf ihrer Seite standen. Natürlich war es logisch, dass wir noch einmal meine Freunde 'besuchen' mussten. Trotzden spürte ich die Furcht. Die Furcht, die mir sagte, dass es schwer werden würde, ihnen unsere Glaubwürdigkeit vermitteln zu können. Am Ende des Gesprächs befiehlen uns die Polizisten, uns den Weg zur Ruine genaustens einzuprägen. Dann legten wir auf. Nachdenklich saßen wir auf dem Bett. Ich gähnte und legte mich hin. Andre folgte mir. "Alles wird gut.", sagte er, zum ungefähr 60. Mal. "Alles wird gut.", wiederholte ich seine Worte und schlief langsam ein.
DU LIEST GERADE
Das Dorf des Schweigens
Mystery / ThrillerDie 18 jährige Emilia ist auf Klassenfahrt in einem kleinem Dorf. Aus Langeweile macht sie mit ihren Freunden eine Mutprobe. Sie und ein, bis vor ein paar Stunden noch, fremder Junge müssen in ein verlassenes Gebäude gehen. Dort finden sie Zeitungs...