Während der ganzen Fahrt waren Andre und ich ziemlich still. Vermutlich lag es daran, das der Fahrer des Auto's uns immer wieder misstrauisch anschaute. Deshalb guckte ich neugierig aus dem Fenster, wobei mehr als Bäume, eh nicht zu sehen waren. Trotzdem versuchte ich mir den ganzen Weg, wenigstens grob einzuprägen. Dann fuhren wir auf eine Landstraße, die ich logischerweise zuvor noch nie gesehen hatte. Nach einer halben Stunde erreichten wir einen kleinen Ort, mit vielen Läden. Ich schaute begeistert zu Andre, der mich angrinste. Dieser Anblick, von anderen Menschen, die nicht komplett geistesgestört und krank waren, tat so gut. Auch wenn sie uns nicht helfen konnten, fühlte ich mich sicherer. Ich sah zu einer Familie mit zwei Kindern, die ausgelassen miteinander spielten und genüsslich ein Eis aßen. Wären die Scheiben nicht getönt gewesen, hätte ich irgendwie versucht auf mich aufmerksam zu machen. Doch keine Chance! Wir bogen in eine kleine, dunkele Gasse ein, die nicht wirklich einladend aussah. Auf der Erde waren lauter leere Wodkaflaschen und Mülltüten zu sehen und in den Ecken standen komische Männer, die das Auto immer wieder bemusterten. Plötzlich blieben wir stehen. Der, etwas gruselige Fahrer beugte sich zu uns und sagte: "Aussteigen, sofort!" Wir hörten auf den Befehl und verließen das Auto. "Ja und wohin jetzt?" fragte mich Andre, während er sich meine Hand schnappte. Ich lächelte. Er war so unglaublich süß. "Keine Ahnung." Ich sah mich um und entdeckte einen kleinen Eingang. "Vielleicht darein?" Wir beide schauten skeptisch auf die dunkele Tür, die zu einem noch dunkelerem Haus gehörte. Er nickte. "Das ist die einzige Möglichkeit." Er ging zu dem Gebäude und öffnete die Tür. Vor uns war eine lange, schmale Treppe, die wir sofort hoch gingen. "Und hier soll der 'Meister' sein Quatier haben?" fragte ich stirn runzelnt. Auch Andre sah ziemlich verwirrt aus, da wir beide eher vermutet hätten, das er in irgendeiner heruntergekommenen Waldhütte leben würde. Stattdessen stand das Quatier in einer Seitengasse, eines kleinen Örtchens, das von Familien oft besucht wurde. Dann kamen wir an einer Stahltür an. Daneben war eine kleine, goldene Klingel, die Andre betätigte. Keine Sekunde später öffnete uns Tara die Tür. Lächelnd sah sie Andre an. "Lang nicht mehr gesehen!" Sie zwinkerte, schaute dann zu mir rüber und musterte mich, mit einem abschätzenden Blick. Wie ich diese Frau einfach zum Kotzen fand! Wir gingen rein und ließen uns von Tara, bis zu einem großen Zimmer, führen. Es war eine Art Büro und sah, überraschenderweise ziemlich modern aus. Auf dem Stuhl saß der gleiche, dunkelbraun haariger Mann, der eine halb Glatze trug und gar nicht so unsympathisch erschien, der uns bei dem Ritual aufgenommen und somit auch ein Stückchen weit gerettet hatte. Er grinste und stand auf. "Erfreut sie endlich persönlich kennenzulernen." sagte er, während er mir einen Kuss auf meine Hand gab. Ich nickte und antwortete: "Wir freuen uns ebenfalls den Meister endlich zu sehen." Etwas besseres fiel mir nicht ein. Auch Andre schüttelte er die Hand. "Dann setzt euch mal." befahl er uns. Als wir auf den Stühlen saßen schaute er uns immer wieder abwechselnd in die Augen. Dann kramte er aus einer Schublade eine schwarze Mappe. " Pulchram und Particeps." Wir schauten ihn fragend an. Er lachte und erwiderte auf unsere Blicke: "Das sind eure Pseudonyme. Es heißt 'Schöne' und 'Begleiter'." Ich nickte lächelnd. "Dann nehm ich an Emilia ist Pulchram?" fragte Andre, ein wenig schroff. Der Meister nickte und schaute zu mir. Auch wenn er das vermutlich nett meinte, wirkte es auf mich irgendwie abartig. Obwohl, keiner in diesem Dorf war auch nur annähernd nett. Dieser Meister hätte mein Vater, wenn nicht sogar mein Großvater sein können. "Gibt es noch etwas zu besprechen?" fragte ich nach einer längeren Pause. Er schob uns zwei Blätter zu. "Damit seid ihr offizielle Mitglieder unseres Projektes." Langsam holte er einen Füller hervor und überreichte ihn mir. "Und offizielle Dorfbewohner." Ein wenig nervös unterschrieb ich auf einer Zeile, unter der Pulchram stand und gab den Zettel Andre. Auch er unterzeichnete den Vertrag und schob ihm den Meister entgegen. Dieser stand wieder auf. "Na dann!"
"Dafür sind wir hier her gefahren?" entfuhr es mir. Er sah mich ein wenig entgeistert an und antwortete nach einer Weile: "Pulchram, egal wann ich euch rufe, ihr werdet immer kommen. Warum das so ist? Ganz einfach: Ich bin der Meister. Ich bestimme wer, wann, wie und wo zu sein hat. Ich bestimme ob ihr hier seid oder doch irgendwo anders. Und ich bestimme, ob ihr aus dem Projekt rausfliegt oder nicht." Er kam näher, auf uns zu. "Ich habe die Macht jeden zu zerstückeln, der mir nicht gefällt oder der mich einfach nur massiv nervt. Ich habe eine so unfassbar große Macht, wovon du nur träumen kannst. Ich bin der Herrscher, der Meister, ein Werk. Hast du, habt ihr das beide verstanden?" Ich schluckte und spürte wie meine Beine anfingen zu zittern. Dieser Mann war machtvoller und gefährlicher, als Tara oder jeder andere aus dem Dorf. Dieser Mann tötete alles was ihm im Weg stand. Vor diesem Mann sollte man besser Angst haben. Nach der Ansprach gingen wir aus dem Gebäude wieder heraus. Als wir die Tür schlossen und nach draußen gingen kniete ich mich erst einmal auf den feuchten Boden. Ich atmete tief ein. "Alles okay, Emi?" fragte Andre besorgt und stützte mich. Ich nickte und antwortete ihm, mit immer noch zitternder Stimme. "Bring mich einfach weg von diesem Mann und diesem Ort!"
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Das Dorf des Schweigens
Mystery / ThrillerDie 18 jährige Emilia ist auf Klassenfahrt in einem kleinem Dorf. Aus Langeweile macht sie mit ihren Freunden eine Mutprobe. Sie und ein, bis vor ein paar Stunden noch, fremder Junge müssen in ein verlassenes Gebäude gehen. Dort finden sie Zeitungs...