Erschöpft gingen wir aus dem Wald heraus. "Und wie war das Gefühl?" Tara sah uns erwartungsvoll an und lächelte. Sie sah sehr zufrieden aus. "Ungewöhnlich.", antwortete ich ihr. Fragend schaut sie zu uns. "Ungewöhnlich schön.", ergänzte ich. Sie nickte und überholte uns ein paar Schritte. Andre beugte sich, während des gehens, vor mich und flüsterte: "Sollen wir schon anfangen?" Ich wusste genau was er meinte. Ich nickte und antwortete ihm: "Wenn wir wieder in der Hütte sind." Wir redeten von unserem Plan. Wann wir die Polizei rufen sollten. Die ersten Schritte haben wir schon erfüllt. Aufgenommen werden. Aktzeptiert werden. Und den Ort der Entführung herauskriegen. Perfekt. Doch der Weg war nicht gerade einer von der Sorte, den man sofort auswendig lernen konnte. Wir kamen an einer steinigen Straße entlang. Plötzlich fuhr uns ein weißer, nicht allzu großer Lieferwagen entgegen. Ein großer Mann und eine Frau stiegen aus und begrüßten uns. "Hi! Wir haben Nachschub." Es war Luisa, die Tara zaghaft anlächelte. Tara grinste zufrieden und kam auf das Auto und den Bewohnern zu. Andre und ich standen ein paar Meter vor dem Wagen und warteten. "Dieses Mal ganz schön viel oder?" fragte Tara erstaunt. Der Mann nickte stolz. "Ja, die Schweine waren ziemlich brav." Mit einem Ruck hievten die drei eine große, altbekannte Box aus dem Auto. Erschrocken starrte ich Andre an. Box? Schweine? Wir wussten genau was das hieß. Diese Box war ein und die selbe, die Andre und ich vor drei Tagen zu Luisa trugen. Und in ihr drin: Schweineköpfe. Ich schluckte und schaute angeekelt auf die drei. "Stimmt etwas nicht?", stöhnte der Mann. Eine Schweißperle lief ihm seine Stirn herunter. Sie stellten die Box noch einmal auf den Boden. "Wir kommen, wegen dem dichten Wald, nicht zu der Ruine. Deshalb müssen wir die Box bis zu den Gefangenen tragen. Es wäre äußerst zuvorkommend, wenn ihr uns dabei helfen könntet." Der Mann lächelte ironisch und zeigte mit seinem Finger auf uns. Sofort packten wir mit an und trugen die schweren Schweinsköpfe durch den Wald. "Sind sie schon fertig?" Tara sah fragend und gleichzeitig angestrengt zu dem älteren Mann, der wild nickte. "Lu, hat alles gebraten." Ich sah zu ihr und schaute in ein zufriedenes, fröhliches Gesicht. Gebratene Schweinsköpfe? Andre konzentrierte sich währenddessen nur auf das Tragen. Ich hingegen, dachte die ganze Zeit über eine einzige Sache nach: Meine Freunde wurden von Schweinsköpfen ernährt. Das ist pure Folter. Zu mal Sophie auch noch Vegetarierin war. Natürlich wusste ich, dass sie entführt wurden und weit aus größere Probleme, als den Hunger hatten. Aber trotzdem. Ich spürte das sie litten. Dann waren wir endlich an der Ruine angekommen. Schlapp öffnete Tara die Tür und wir gingen den ewig langen Gang entlang. Er kam mir noch länger, als beim ersten Mal vor. "Sie müssten jetzt eigentlich wieder wach sein. Wollt ihr sie füttern?" Andre schaute mich an. Ich nickte. So hatte ich eventuell die Chance mit ihnen alleine sein sein zu können und meinen Freunden sagen zu können, dass wir sie rausholen werden. Dann kamen wir endlich an. Mein mulmiges Gefühl im Magen verbesserte sich nicht wirklich. Im Gegenteil. Es wurde immer schlimmer. Die Tür ächzte laut auf. Langsam gingen wir in den Raum. Wir stellten die Box auf den Boden ab und schauten zu den Entführten. Tatsächlich. Die Augen von Sophie und Justin öffneten sich ein wenig. Ich hätte am liebsten laut losgeheult, wären die Bewohner nicht hier gewesen. "Was sag ich?" sagte Tara spöttisch und öffnete die Box vorsichtig. Ich blickte in der Zeit, in die Augen meiner Freundin. Sie war müde und ausgelaugt. Trotzdem konnte ich ihren verwirrten und fragenden Blick erkennen. Es machte mich fertig. Ein lautes Stöhn Geräusch ertönte und brachte mich dazu einmal kurz zusammen zu schrecken. Es kam von Justin, der wild hin und her zappelte. Immer wieder quietschte er auf. Ich biss mir auf meine Lippe und hielt die Tränen, so gut es ging zurück. Auch Andre starrte perplex auf ihn. So verzweifelt und hilflos hatte ich noch keinen Menschen zuvor gesehen. "Lassen sie uns gehen." Seine Stimme war trocken und krächzte. Er schloss seine Augen kurz und ruckelte wieder hin und her. Dieser Anblick tat so unfassbar weh. Tara lachte laut auf. "Er versucht es immer wieder." Ich sah zu ihr und erschrak. Seelen ruhig legte sie fünf Schweineköpfe neben einander. Sie waren bräunlich, knusprig und noch ziemlich klein. Vermutlich stammten die Köpfe von Ferkeln. Man konnte alles an ihnen erkennen. Widerlich. Sie riss lieblos die Ohren ab und schmiss sie hinter sich. "Emi.", hörte ich leise. Ich schaute sofort zu den Entführten. Justin sah mich fragend an. Ich schluckte und spürte wie meine Beine anfingen zu zittern. "Emi!" Sophie riss ihre Augen weit auf. "Befrei uns. Bitte." Wieder rüttelte Justin hin und her und versuchte sich, vergeblich, loszureißen. Eine warme Hand lag auf meiner Schulter. "Du musst stark bleiben." Vorsichtig drückte Tara mir drei Ohren in die Hand. Ich starrte zu meinen Freunden. Langsam wachten auch Rina, Elif und Julian auf. Sie blinzelten verunsichert zu uns. Doch eines blieb immer gleich. Der Augenblick, als sie mich erkannten. Diese hoffnungvollen Blicke. Dieses Leuchten in den Augen. Ich atmete tief ein und schmiss das Ohr vor Justin's Füße. Ich wartete kurz auf seine Reaktion, machte dann aber weiter. Immer wieder schauten meine Freunde auf den Frass, dann in mein Gesicht. Tara reichte mir die beiden letzten Ohren, mit denen ich das selbe machte. Unliebsam und schnell schossen sie zu ihnen. Stille. Niemand sagte etwas. Justin sah ziemlich schockiert aus. Marcels Augen blieben weiterhin geschlossen. "Du Verräterin.", kam es plötzlich aus Julian heraus. Die Worte taten weh. Unfassbar weh. "Du dreckige Verräterin.", schrie er laut. Ich zuckte zusammen. Wieder sammelten sich in meinem Augen Tränen, die ich krampfhaft zurückhielt. Ich durfte nicht schwach werden. Nicht so lange Tara, Luisa und der Typ im Raum waren. "Was für ein widerlicher Mensch bist du?" schrie Justin. Er rüttelte weiter, bis auch Julian mitmachte. Ich sagte nichts. Rein gar nichts. Ich stand einfach nur da. Hilflos. Immer wieder hatte ich das Gefühl, als würde Sophie in mich hineinblicken wollen. Sie glaubte es nicht. Das konnte ich erkennen. Auch Rina und Elif erwiderten kein einziges Wort. Tara lachte leise vor sich hin. "Ihr habt der Falschen vertraut.", sagte sie laut. Rina lief eine Träne die Wange runter. "Sag, dass das nicht stimmt!", flüsterte sie mit kratziger Stimme. Doch ich konnte nicht. Ich konnte nicht Tara fragen, ob ich mit ihnen alleine sein dürfte. Ich konnte es einfach nicht. Aus mir kam nichts raus. Ich war wie erstarrt. "Sag, dass du nicht zu dieser miesen Sekte gehörst!" schrie Sophie laut. "Sag es!" Immer wieder zuckte ich ängstlich zusammen. Ich hatte das Gefühl, das mein Herz kurz aufhörte zu schlagen. Vor Angst. "Kapiert ihr es nicht?" gab Julian leise von sich. "Sie ist daran Schuld das wir hier sind. Nur sie alleine." Plötzlich bewegte sich Marcels Bein. Er öffnete seine Augen und schaute mich an. Direkt in mich hinein. Sein Blick war starr und eisig. Sie hassten mich. Sie hassten mich so sehr. "Komm, du hattest dein Vergnügen." Tara zog mich an meinem Arm und schloss die Tür hinter sich. Geschockt schaute ich auf den Boden. Den ganzen Rückweg gab ich nichts von mir. Kein einziges Wort. Was, wenn sie mir nicht mehr glaubten? Was ist, wenn sie mir nicht mehr vertrauen könnten und ich sie verjagt hatte? Was ist, wenn wir hier nie mehr raus kommen werden?
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Das Dorf des Schweigens
Mystery / ThrillerDie 18 jährige Emilia ist auf Klassenfahrt in einem kleinem Dorf. Aus Langeweile macht sie mit ihren Freunden eine Mutprobe. Sie und ein, bis vor ein paar Stunden noch, fremder Junge müssen in ein verlassenes Gebäude gehen. Dort finden sie Zeitungs...