Die Opfer

62 5 0
                                    

"Emi, Emi!" Irgendetwas rüttelte an meinem Körper. Meine Augen schossen sofort auf. Ich atmete tief ein und wieder aus und spürte, wie mein ganzer Körper schlapp und müde war. "Emi, alles gut?" Ich drehte meinen Kopf und sah in seine Augen. In die Augen, die mich böse angefunkelt hatten. Ich sah mich um und tatsächlich lag ich im Bett. Andre's Hände lagen auf meinen Hüften. Ich kratze mich an meinem Kopf und schaute ihn nochmal an. "Du hast wild um dich geschlagen und geschrien!" Er sah sogar ziemlich besorgt aus. Ich streckte mich. "Ja, mein Traum, war ziemlich komisch!"
Er sah mich fragend an. Ich lächelte. "Egal! Lass uns etwas essen." Zusammen gingen wir in die Küche und frühstückten, bis jemand klopfte. Andre stand auf und öffnete die Tür. "Guten Morgen!" begrüßte Eric ihn. "Morgen! Was ist denn los?" Eric sah, mal wieder, schmierig und widerlich aus. Ich fragte mich wirklich, ob er das  Wort 'Duschen' überhaupt kannte. "Das sollte ich euch geben!" Neugierig stand ich auf, begrüßte Eric freundlich und musterte einen schwarzen Ordner, den er in der Hand hielt. "Was ist das?" fragte ich ihn. Er grinste. Eckelhaft. "Das sind alle Opfer!" Ich schluckte und sah nochmal auf den Ordner. Da standen sie also alle drin. Alle Ermordeten, des Dorfes. Eric gab Andre das, laut ihm, kostbare Buch und verschwand wieder. "Das ist ja echt widerlich!" Andre warf den Ordner auf den Tisch und ging zu dem Holzstuhl. Ich setzte mich auf seinen Schoß und öffnete langsam den Ordner. Auf der ersten Seite stand, in großer, schwarzer Schrift 'Unsere Opfer'. Ich sah Andre ängstlich an. "Wir halten gerade ein echtes Beweisstück in unseren Händen." Er nickte und blätterte eine Seite weiter. Ein Steckbrief erschien. Ich laß laut vor: "Name: Johannes Istal. Alter:-" Ich stoppte und musste laut schlucken. Auch Andre war ziemlich angespannt und schockiert. Ich seufzte. "10 Jahre. Hobby's: Fußball und Angeln. Mord: An den Fischen verfüttert." Wieder stoppte ich und schlug den Ordner zu. "Was sind das für Menschen?" rief ich. Mir wurde unglaublich schlecht und mein Kopf platzte fast. Andre stand auf und kam auf mich zu. "Hey, beruhig dich. Damit so etwas nie, nie wieder passiert, werden wir sie fertig machen! Wir werden deine Freunde finden und das Dorf hier dran kriegen. Glaub mir, ich hasse sie, genauso wie du." Er nahm mich in den Arm und beruhigte mich. Wir blätterten wieder durch den Ordner und sahen viele grausame Morde. Auf der letzten Seite war ein Bild, das mir meine Spucke im Hals stecken ließ. Es war das Bild von meinen Freunden. Sophie, Elif und auch Rina schauten müde und mit halb geschlossenen Augen in die Kamera. Sie sahen abgekämpft aus. Daneben saßen Justin und Julian. Beiden schliefen scheinbar. Ihre Arme waren alle an einem Gitter befestigt. Die Kleidung war schmutzig und voller Dreck. Vermutlich hatte das Dorf sie irgendwo unter der Erde entführt. Es war schrecklich sie so zu sehen. Vor allen Dingen, die Unsicherheit. Marcel war, auch auf diesem Bild, nicht zu sehen. "Was ist wenn er schon tot ist?" sagte ich leise. Andre sah mich fragend an. "Marcel. Er ist nicht auf dem Foto. Schon wieder! Vielleicht ist es zu spät." Und wieder fing ich an zu schluchzen. "Ich könnte mir das niemals verzeihen!"
"Emi, du kannst nichts dafür! Und außerdem werden wir sie finden. Sie können noch gar nicht mit ihrem 'Projekt' angefangen haben. Sie hätten uns ja etwas erzählt." Er legte seine Hand auf meine Schulter. "Wir schaffen das Emi! Glaub mir." Dann küsste er mich zärtlich. Plötzlich klopfte es schon wieder an der Tür. "Andre, Emilia aufmachen!" rief eine Stimme laut und deutlich. Wir gingen schnell zur Tür und öffneten sie. "Was ist los?" fragte ich verwirrt. "Mitkommen, sofort!" Ein großer Mann zog mich an meinem Arm. Andre riss ihn von mir weg und nahm mich in Schutz. "Was wollen sie?" fragte er wütend. Der Mann schnaubte und antwortete:" Der Meister will euch sehen. Ihr müsst sofort mit mir kommen." Wir schauten uns an und nickten. Dann folgten wir dem Fremden, bis wir an einem schwarzen, modernen Auto, ankamen. "Und ich dachte, die hätten hier keine Technik!" flüsterte Andre mir ins Ohr. Ich zuckte mit den Schultern. "Einsteigen, er erwartet euch!" Der Mann zeigte auf das Auto. "Wohin geht es denn?" fragte ich, während wir einstiegen. "Zum Quatier!" sagte der Fremde und schmiss die Tür zu. Dann fuhren wir auch schon den holprigen Waldweg entlang.

Das Dorf des Schweigens Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt