Kapitel 4

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Mrs. Gramberg , die leider zu unserer Klassenbetreuerin mutiert war, stellte uns nun eine blonde, hochgewachsene junge Frau, so an die 25 oder 26 schätzte ich, vor. Wie es schien, war sie eine Praktikantin, die für fünf Wochen (nach den Sommerferien) an unserem Unterricht teilhaben würde und ihn auch bei Gelegenheit übernehmen sollte. Heute allerdings absolvierte sie eine Art Schnuppertag. "Das ist Frau Mayer, sie ist eine sehr fähige, anstrebende Pädagogin und hat vor, nach Beendigung ihres Studiums hier an der Schule als Lehrerin zu arbeiten. Ich bitte euch inständig, freundlich und zuvorkommend zu ihr zu sein und unangemessene Kommentare für diese Zeit zu unterlassen." Mrs. Gramberg guckte Nicklas und Jason scharf an. "Damit seid vor allem ihr zwei gemeint."

Die beiden Kindsköpfe grinsten sich an, und Nic zwinkerte der blonden Schönheit zu. Diese erwiderte den Blick und untermalte ihren Augenkontakt mit einem spöttischen Lächeln. Dann glitt ihr Blick über die Tischreihen in meine Richtung und blieb an mir haften. Ihre Gesichtszüge verdunkelten sich unmerklich, aber mir war es nicht entgangen. Ich musterte sie scharf, während sie, allen Anschein nach, versuchte, mich in eine Schublade einzusortieren. So leicht würde ich es ihr nicht machen. Ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hatte, sie als gefährlich zu bezeichnen, aber ich wusste einfach, dass mit ihr etwas nicht stimmte und ich mich besser von ihr fernhielt. 

"Wer ist denn diese Barbiepuppe?" Swist formte mit seinen Lippen einen Kussmund und fuhr sich mit der Pfote über die Ohren, als wolle er seine schönen Haare in Form halten. Ich fing an zu lachen.  "Felina, wollen sie uns nicht mitteilen, was so lustig ist?" Mrs. Gramberg stand direkt vor Swist und stach ihm mehrmals fast ein Auge mit ihrem Zeigestock aus. Sie konnte ja nicht wissen, dass er dort saß, so wie sie auch nicht nachvollziehen konnte, warum ich gelacht hatte. "Liebend gerne. Sie sehen aus wie Miss Piggy von der Muppet Show, mit ihrer Schweinchennase und den roten Wangen.", zischte der unsichtbare Swist gut hörbar in ihre Richtung.

"WAS haben Sie gerade gesagt??!!" Jetzt hatte ich ein Problem. "Nichts ich....äh habe mich nur an einen Witz von einer Freundin erinnert." "Passen sie gefälligst im Unterricht auf, anstatt sich selbst Witze zu erzählen!" Wenn sie sauer war, wurde sie Swist 'netter' Bemerkung durchaus gerecht. "Hat sie dich gehört?", flüsterte ich zu Swist hinunter. "Scheint so, Zuckerschnute." "Was heißt hier 'scheint so'? Du hast doch gesagt, dass Menschen, die keine Gezeichneten sind, dich nicht sehen und hören können!", zischte ich.

Swist seufzte. "Du weißt aber auch echt gar nichts, oder? Es kommt natürlich auch darauf an, ob ich gewillt bin, sie mich hören zu lassen, oder auch wie feinfühlig die Menschen sind. Ein Beispiel ist die Zeit, an der die Menschen noch an Hexen und Geister geglaubt haben. Sie waren viel feinfühliger, sie konnten uns Begleiter sehen, und glaubten, wir seinen Geister. Sie hatten etwas, das wir das ' dritte Auge ' nennen. Was in gewisser Weise ja auch stimmt, es gibt nicht nur Tiere als Begleiter, sondern auch Menschen, die es nicht in das Reich der Toten geschafft haben, sondern nur wie ich in die Hölle oder auf die ' Wartebank '.  Und diese Menschen können uns für einen Augenblick, nicht länger als ein Wimpernschlag lang, sehen oder hören. Denn ich gebe zu, ich WOLLTE nicht, dass sie mich hören kann. Das hätte ich dir nun wirklich nicht angetan, auch wenn ich das ziemlich witzig gefunden habe." 

"Lach du nur! Also sieht meine Lehrerin mehr, als sie zugibt.", flüsterte ich. "Felina!" Ich schreckte auf. "Ja..." Miss Mayer sah mir direkt in die Augen. "Beantworte meine Frage!" Ich sah hilfesuchend zu Nele. Die zuckte nur mit den Schultern. "Tut mir leid, ich weiß die Antwort nicht."

"DING DONG DANG" "Okay die Stunde ist zu Ende, bitte bearbeitet zu Hause Seite sechs und sieben. Nach den Ferien werde ich die Hefte einsammeln! Die machen die Hälfte eurer Note aus, nicht vergessen! Dann wünsche ich euch noch erholsame sechs Wochen und wir sehen uns zu Schulbeginn.", brüllte Mrs. Gramberg durch die Klasse. "Puh, ich dachte, diese Stunde würde nie enden." Kate wischte sich theatralisch den Schweiß von der Stirn. Ich war allerdings mit den Gedanken ganz woanders. Ich sah, wie sich Miss Mayer und Nic mit ihren Blicken zu töten versuchten, bis Miss Mayer schließlich ein Zeichen für 'wir unterhalten uns draußen' setzte.

ROT - Die Farbe meiner Tränen,  LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt