Als ich die Augen öffnete, befand ich mich wieder im Versteck von Lucas Gruppe. Ich lag in meinem Bett und auf meinem Bauch lag etwas Langes, Schweres. Irritiert blickte ich an mir herunter und entdeckte einen Arm, der um meine Taille geschlungen war. Ich folgte ihm mit den Augen bis hin zu einem rot - braunen Schopf, dessen Gesicht sich in mein Kissen kuschelte.Léan hatte mir wieder einmal mein Kissen stibitzt. Sein Brustkorb hob und senkte sich langsam und zwischenzeitlich entfuhr seinen Lippen eine Art Pfeifen, das ich als Schnarchen deutete. Er lag schon wieder in meinem Bett! Nicht einmal Gereg hatte so oft bei mir übernachtet. Ich drehte mich zu ihm herüber, um ihn an der Schulter zu packen, als mir dunkle, fast schwarze Strähnen ins Gesicht fielen.
Meine Hand zuckte zurück. Gierig griff ich mir mit beiden Händen in die Haare und durchwühlte sie, tastete mein Gesicht ab, mit der kleinen Stupsnase und den vollen Lippen. Ich war wieder Ich und es war ein unglaublich gutes Gefühl, wieder man selbst zu sein. Ich konnte es nicht erklären, aber die Körper, die ich übernommen hatte, fühlten sich einfach falsch für mich an. Mir war ständig unwohl. Nur in meinem eigenen Körper spürte ich Zugehörigkeit und innere Ruhe. Es war beinahe wie Urlaub.
Als ich mich wieder beruhigt hatte, streckte ich erneut meine Hand nach Léan aus.
"Hey, aufstehen! Du bist im falschen Bett."
Ruckartig fuhr er nach oben und blickte sich hektisch um. Seine rot - braune Mähne stand ihm wirr vom Kopf ab und seine Augen blitzten gefährlich. Dann hellte sich seine Miene auf. "Du bist wach. Wieder voll und ganz da."
Ich nickte. "Und du in meinem Bett.", erwiderte ich. Er lächelte und legte sich wieder zurück, mit dem Kopf auf mein Kissen. "Ich habe mir eben Sorgen um meine Schwester gemacht. Außerdem hatten wir abgemacht, das ich hier schlafen darf, wenn ich will. " Ich zog die Augenbrauen bis an den Haaransatz. "Nur so lange du verletzt warst, und soweit ich weiß bist du vollends genesen! Und seid wann sind wir verwandt?" "Sind wir nicht. " Er lächelte spitzbübisch. "Aber ich und Lémon haben dich zu unserer Schwester auserkoren." "Lémon und ich, nicht ich und Lémon.", verbesserte ich ihn, ehe ich es verhindern konnte, ganz wie ich es von meiner Mutter kannte.
Léan hob spöttisch eine Braue. Ich ignorierte es. "Ihr könnt mich doch nicht einfach so als Schwester adoptieren.", lachte ich dann. Die beiden waren doch verrückt. "Haben wir doch schon. Und als dein Bruder kann ich doch in deinem Bett liegen und nach dem Rechten sehen."
Ich merkte schon, Diskutieren brachte hier wenig, also gab ich mich geschlagen und akzeptierte die Situation so, wie sie war. Ich hatte vorerst andere Probleme, nämlich zum Einen die Frage, wo die verdammten Buchseiten waren und zum Anderen, was mit mir nicht stimmte.
"Gut, Bruderherz, wir haben eine Aufgabe. Ich muss dringend in die Londoner Stadtbibliothek, dort haben sie ein umfangreiches Arsenal von Aufzeichnungen der Baupläne von Schlössern und historischen Denkmälern."
Woher ich das wusste? Ganz einfach, Kunstreferat im Bereich Architektur. Sterbenslangweilig, jetzt allerdings äußerst nützlich. Wenn ich mich nicht fast zwei Wochen lang mit den verschiednen Bauten von Burgen und Schlössern hätte herumschlagen müssen, so wüsste ich jetzt nicht, worauf ich zu achten hatte, wenn ich die Bibliothek nach einem Sommersitz durchsuchte. Denn ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich mich auf irgendeinem Landsitz oder einer Sommerresidenz des König Jakob I. befunden hatte."Jetzt? Mitten in der Nacht?", fragte Léan, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. "Wie weit ist es denn von hier aus bis nach London?" "Weiter als es mir lieb ist.", murmelte er. "Dann, würde ich sagen, geb' ich dir Zeit bis um fünf, denn die Bibliothek öffnet um neun und bis dahin möchte ich gerne da sein.", sagte ich ihm. Er stöhnte und maulte irgendwas von Streber vor sich hin, ehe er sich wieder umdrehte und mein Kissen abhorchte. Pünktlich um fünf würde ich ihn wecken.
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ROT - Die Farbe meiner Tränen, Leseprobe
FantasyBand 1 ROT Trilogie, Leseprobe Das Buch erschien im Juli 2021 als Zweitauflage beim Wreaders Verlag Jäger, Exorzisten, Späher, ein mysteriöses Tattoo und ein frecher Höllenhund stellen Felina Morris' Leben in kürzester Zeit auf den Kopf. Die 16jähr...