~47~ K A P U T T

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Zoey (p.o.v)

„Er ist dein Bruder? Im ernst?", rief ich entsetzt auf und merkte gar nicht den vorwurfsvollen Unterton meinerseits. Verzweifelt legte ich den Kopf auf die Hände und zog die Beine an.

Logans Bruder hatte mich geküsst. Mich entführt. Mir gedroht. Er hat mich überreden wollen, Logan zu hintergehen. Aber wieso?

Ist doch egal. Zwei heiße Feger auf einen Streich, dass du das mit deiner mickrigen Oberweite schaffst, Hut ab.

„Ja, er ist mein Bruder. Ich hatte also recht mit meiner Vermutung, dass León dich entführt hat." Es klang nicht wie eine Frage. Eher, wie ein wahrgewordener Alptraum. Etwas, wo Logan so lange gehofft hatte, es wäre nur eine Vermitung und würde auch dabei bleiben. Falsch gedacht.

„Logan, hör mir zu. Du bist doch so ein Alphading. Kannst du León nicht einfach aus deiner, äh- Gefolgschaft, schmeißen?", fragte ich kleinlaut.

Kauf dir mal einen Duden, Süße. Diese Tierkommunikation scheint doch eine ganz andere Sprache zu sein.

„Ja ich bin Alpha." Er fuhr sich durch die voluminösen Haare und sah mich aufgewühlt an. Irgendwie machte er diese Geste immer, wenn er verzweifelt war, was in letzter Zeit echt zu oft vorkam.

Mir versetzte es einen Stich im Herzen, ihn so zu sehen. Verzweifelt. Gekränkt. Bis oben hin mit Alkohol vollgelaufen, wenn nicht noch Schlimmeres.

„Ich kann León nicht aus dem Rudel schmeißen, weil er nicht im Rudel ist. Es ist kompliziert und verdammt nochmal mehr als krank. Was wollte er von dir?", fragte er dann. Ich zuckte eilig mit den Schultern. Unausgesprochene Lüge.

„Wahrscheinlich wollte dieser Mistkerl nur eine Machtdemonstration an dir durchführen. Dich für sowas zu missbrauchen- Erbärmlich! Aber das kommt nicht wieder vor. Nicht zu meinen Lebenszeiten", schrie er dann und schmiss mit einer aggressiven Handbewegung eine Urne vom Tisch, welche in tausend Einzelteile zersprang. Die Asche verteilte sich auf dem Boden und ich schluckte hart.

„Niemals." Jetzt funkelte er mich so wütend an, dass ich mich auf dem Bett ganz klein machte. Plötzlich schien die Raumtemperatur in den Minusbereich zu rutschen.

Langsam kam er auf mich zu, bis er, keine Armlänge von mir entfehrnt, seine Hände auf das Bett stützte und mich eindringlich anschaute.

„Du verlässt dieses Haus nicht. Nicht, bevor ich ihn endlich kalt gemacht habe", sagte er dann trocken und entfernte sich dann wieder ein paar Schritte von mir.

„Was? Das kannst du doch nicht machen. Du-Du kannst mich doch nicht einfach hier einsperren", schrie ich erschüttert und sprang auch auf meine Beine.

„Das kann ich. Es ist zu deiner Sicherheit", erklärte er dann und umfasste mein Gesicht mit seinen großen Händen. Liebevoll blickte er mir in die Augen, doch ich schlug zornig seine Arme weg.

„Ich habe gerade wortwörtlich den Kopf für dich- okay den Hals- hingehalten und das ist der Dank? Tagelanger Hausarrest? Logan Jeffson, ich bin keine zwölf mehr. Außerdem mach ich seit fünf Jahren Kampfsport und hab einen bescheuerten Ex, bei dem ich genug Praxiserfahrung hab, was das Schlagen angeht. Ich kann sehr wohl auf mich alleine aufpassen", schrie ich ihm dann entgegen.

Ich konnte nicht fassen, dass das wirklich seine Entscheidung war. „Zoey, du bist doch alles, was ich hab. Wenn du irgendwo da draußen bist, werd ich keine Sekunde ruhen können. Dir kann doch sonst was passieren! Hier bist du sicher und ich weiß immer, wo du bist und du läufst nicht mehr in Gefahr, mit anderen Typen rumzumachen", blieb er standhaft.

„Achja, darum geht es dir also? Dass du deinen... Kontrollwahn endlich ausleben kannst und mich kein anderer mehr anpackt. Tu nicht so, als würde ich nach Lust und Laune Leute abknutschen. Du- Logan ich hatte noch nie so starke Gefühle für jemanden, aber ich kann das nicht, wenn du mich hier einsperrst."

Kurz flackerte etwas wie Reue oder Kränkung in seinem Blick auf, doch dann fasste er sich wieder und griff nach der Türklinke.

„Ich bin mir sicher, Cat wird sich gut um dich kümmern. Ich liebe dich, Zoey", flüsterte er dann leise und verschwand, ohne ein weiteres Wort oder einen Blick an mich zu verlieren, aus der Tür, dann hörte ich nur noch, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.

Ich liebe dich. Merkt man ja.

Wie hypnotisiert sah ich auf die Stelle, wo Logan gerade noch gestanden hatte. Kaum merklich füllten sich meine Auen mit Tränen und ich schniefte leise, als ich die erste Träne von meinen Wangen wischte.

Plötzlich war mir einfach nur kalt. Kalt von Logans Worten. Kalt von seinem Blick.

Kalt vor Enttäuschung.

Schützend legte ich die Arme um meinen Körper und blinzelte ein paar mal. Meine Unterlippe zitterte.

Nun stand ich hier, mit einer blutenden Bisswunde im Nacken und einem gebrochenen Herz, was ich vor wenigen Minuten erst einem fast fremden Jungen versprochen hatte.

Meine 'Freunde' hatten früher immer gesagt, ich sei eine Kämpferin, aber das bin ich nicht. Nicht jetzt. Nicht, seit ich Logan kennengelernt habe.

Von dem Moment, als er einach in mein Leben getreten ist, bin ich schwach geworden, verletzlich, doch niemand schien das zu verstehen.

Nicht Stephen, der mich immernoch durch das Training jagte, als sei ich ein wilder Tiger.

Nicht Zac, der es anscheinend lustig fand, mich leiden zu sehen und das alles für die Nachwelt festhielt. „Seht mal, das war die Zeit, als eine ehemalige Freundin von mir mitten im Training zusammengebrochen ist. Armselig, nicht wahr?", wird er in ein paar Jahren wahrscheinlich amüsiert seinen Kindern erzählen und die werden freudig lachen, so wie es Kinder immer tun. Sie verstehen nicht, dass es ernst ist. So wie diese ganzen schrecklichen Unfälle, die im Fernsehen gezeigt werden und alle vor dem Bildschirm lachen. Doch wenn ihnen selber mal etwas passiert, erwarten sie Respekt, Anerkennung, Mitleid. Doch dazu musste man verstanden werden, doch das tat in meinem Fall niemand.

Nicht Zane, der anfing, über heißen Sex von mir und Logan zu lachen, während Logan kurz davor war, mir den Hals blutig zu beißen. Zane konnte es nicht verstehen, ich nahm es ihm kaum übel. Er war der einzige, der in diese Werwolfsache wie ich kalt hineingeworfen wurde. Keiner von uns beiden verstand den Ausmaß der Sache, also tat er das, was man in diesem Fall am besten machte. Was am leichtesten war.

Lachen. Lachen war der beste Weg, sich aus allen Problemen herauszuhalten. Ich habe es immer getan, mein ganzes Leben. Egal wohin ich auch ging, der Sakasmus folgte mir auf Schritt und Tritt. Es war wie eine Maske. Ein Problemlöser. Wie Alkohol. Oberflächlich, kurzfristig, doch es wirkte. Für einen Moment vergaß man alle Sorgen, bis der Rausch nachließ und die bittere Wahrheit auf einen einprasselte. Das war dann der Moment, bei dem man wieder zur Flasche griff.

Mein tränenüberzogender Blick wanderte zu den teils halbvollen Akoholflaschen, die ich eben noch an den Rand des Zimmers gestellt habe. Langsam ging ich auf sie zu und griff mit zitternder Hand nach einer vollen Flasche Whisky.

Schulterzuckend schraubte ich den Deckel auf und nahm den ersten Schluck. Der Aklohol brannte wie Feuer auf meiner Zunge, doch es war mir egal.

Hier drinnen wird mir ja nichts passieren. Niemand wird mir zu nahe treten. Ich bin in Sicherheit. Logans eigene Worte. Niemand kann mich kaputt machen.

Wieder nahm ich einen Schluck und schaute an die Decke.
Niemand kann mich hier kaputt machen, außer ich mich selbst.

Etwas längeres, dafür auch etwas ruhigeres Kapitel. Sorry, dass die letzten zwei Tage nichts kam. :3 Schönen Feiertag morgen <3

Soulmate [Werwolf]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt