~6~ B E G E G N U N G

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Zoey (p.o.v)

Der Junge aus dem Wald vorgestern verfolgte mich. Überall. Im Schlaf genoss ich den engelsgleichen Nachklang seiner bezaubernden Stimme, in meinen Gedanken spielte ich die kurze Szene immer und immer wieder durch, wie eine kaputte Kassette, die keiner reparierte. Er schien hinter jeder Straßenecke aufzulauern, seine hellen Augen blitzten überall auf und noch nicht mal beim Musikhören konnte ich meine Gedanken bei mir behalten.

Es war gruselig. Und noch gruseliger war es, dass ich keine Kontrolle darüber hatte. Wie gern würde ich meine Gedanken abschalten können. Wenn auch nur für ein paar Minuten. Denn sind wir mal ehrlich, der Typ verhielt sich wir ein totaler Idiot. Wahrscheinlich war er das auch. Und ich himmelte ihn wie ein verliebter Teenie an. Was ist nur aus mir geworden?

Beim Training versuchte ich alles rauszulassen, doch ich scheiterte kläglich. Stephen schickte mich sicherlich nicht nach Madrid, nicht bei meinen Leistungen.

Was konnte ich denn dafür, wenn ein gewisser Vollidiot immer vor meinem inneren Auge aufblitzte und meine Beine sich danach anfühlten wie Wackelpudding? Richtig, gar nichts.

Es war also wieder Montag. Hieß für mich, Ausdauertraining mit Luka.

Hieß für dich, Ausdauertraining ohne Luka. Du hast den Typen abserviert, schon vergessen?

Ich vergaß es wirklich ständig. Und das war das, was mich auch so überraschte und mich nahe an die Verzweiflung brachte. Luka war schließlich knapp vier Jahre mit mir zusammen gewesen und ich konnte mir ein Leben ohne ihn gar nicht vorstellen. Und jetzt? Jetzt stand ich hier in meinem Hausflur, band mir die Schuhe zu und fühlte mich leicht. Einfach leicht. Wie eine Feder. Oder eine Wolke.

Eine Wolke wiegt im Durchschnitt 400 Tonnen. So fett bist du jetzt auch nicht.

Ich rollte genervt mit den Augen. Konnte ich nicht einfach ohne eine in Sarkasmus getränkte innere Stimme leben? Bitte?

Nein. Definitiv nicht. Du liebst mich doch.

Klar, das musste es sein.
Ich band mir gedankenverloren den zweiten Schuh zu. Vielleicht sollte ich mir mal Neue kaufen. Diese hier waren schon alt, abgenutzt und die Sohle halb durchgelaufen. Außerden hatte ich schon zwei Blasen unter dem Fuß.

Beim Laufen taten meine Füße tatsächlich unglaublich weh. Ich fühlte mich wie die traurige kleine Nixe, der im Märchen auch jeder Schritt schmerzte. Nur, dass meine Füße noch nicht bluteten, aber es fühlte sich auf jeden Fall so an.

Morgens war auf den Straßen noch nicht viel los, also umschloss mich Stille, als ich den ersten Schritt in den Wald wagte. Luka hatte mich immer davor gewarnt, alleine in den Wald zu gehen, aber nur weil dieses verkümmertes Etwas mir etwas vorschrieb, hieß das nicht, dass ich gleich nach seiner Pfeife tanzte. Im Gegenteil. Ich werde jetzt durch diesen Wald laufen!

Bescheuerterweise fühlte ich mich wie eine kleine Rebllin, als der Wald mich komplett eingeschlossen hatte. Wie gewohnt, lief ich wie sonst auch den Hauptweg entlang, bis ich in einen kleinen Pferdepfad einbog. Als ich die Sandbahn hinter mir gelassen hatte, joggte ich den dünnen Waldweg neben dem kleinen, plätschernden Fluss entlang. Diesen Teil des Weges mochte ich besonders. Im Sommer war der Fluss eine Lachstreppe und ab und zu konnte man die Fische beobachteten, wie sie gegen den Strom die einzelnden Höhen des Flusses passierten.

Leider war es erst Herbst und die Lachszeit war schon seit ein paar Wochen vorrüber. Dafür deckte mich jetzt ein wunderschönes, orangerotes Blätterdach ein und färbte die wenigen Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch die Baumkronen bahnten, mit einem goldenen Schimmer ein. Es war wunscherschön.

Also lief ich. Alleine. Eine Stunde. Zwei Stunden. Selten hatte ich mich so frei gefühlt. Jetzt fehlte nur noch R. Kelly mit 'I belive I can fly'. Aber natürlich hatte ich den Song nicht auf meiner Playlist. Die 'Halsey'-Songs erfüllten ein paar Minuten später aber auch ihren Zweck. Ich blendete meine Umgebung aus und lauschte nur noch den Klängen der Musik.

Plötzlich wurde ich nach hinten gerissen und beide Ohrenstöpsel (A/N: was sagt ihr eigentlich zu diesen In-ear-teilen? Ich kenn den Namen nie xD) fielen mir aus den Ohren.

Erschrocken stellte ich fest, dass sich zwei männliche Arme um meinen Bauch geschlungen haben und jemand seinen Kopf in meiner Halsgrube versenkte.

Vergewaltiger! Misshandler! Kinder Schänder! Warte, du bist schon 19. Vielleicht ist es Justin Bieber? Verdammt Zoey renn, sonst bekommst du noch Aids!

„Ein so hübsches Ding allein im Wald. Mal wieder. Suchst du nach mir, Baby?", murmelte eine mir vertraute Stimme gegen meine Haare.

„Lass mich los, du Psycho!", überwand ich mich zu sagen und versuchte, seine Hände von mir zu lösen, doch er packte nur noch fester zu. Meine Haut prickelte.
„Niemals, Baby. Niemals."
„Das ist doch krank. Bitte, lass mich los!" Ich versuchte es mit Nettigkeit. Und es wirkte. Widerstrebend ließ er mich los. Dann drehte ich mich um.

Der Typ war ja noch heißer, als ich ihn in Erinnerung hatte!

Plötzlich hatte ich das Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen. Ich dachte zu meinen Grundbedürfnissen zählte nur Essen und Schlaf?

Er musterte mich intensiv, während ich nervös auf der Lippe kaute und seine Haare betrachtete. Sie waren dunkelblond und hingen ihm überall in der Stirn.
„Darf ich sie anfassen?", rutschte es mir heraus.

Gott, bitte lass mich das nicht gesagt haben.

Verwirrt blickte er mich an. „Du kannst mich ruhig dutzen." Dann setzte er ein Grinsen auf. „Und anfassen darfst du mich gern überall, Babygirl."

„Ich meinte mit sie deine Haare und werde ganz sicher nicht einen Fremden an anderen Körperstellen anfassen!", fauchte ich.
Dann streckte ich dreist meine Hand aus und wuschelte ihm durch die Haare. Sie waren weich. Weicher als meine. Was er wohl für eine Haarkur verwendete?

Er knurrte leicht und legte seine Hände an meine Taille. Meinen Körper durchfuhren kleine Blitze und ich erzitterte.
„Ist dir kalt? Oh Gott, du solltest auch nicht bei 2 Grad im Schatten ohne Jacke rumlaufen." Prompt streifte er seine Jacke ab und legte sie mir über.

Dieser Geruch!

Ich schloss kurz die Augen, bis ich merkte, dass es hier zu klischeehaft wurde. Dann zog ich die Jacke enger um mich und bedankte mich leise. Der Fremde hatte wieder ein Grinsen aufgesetzt, bei dem ich nicht deuten konnte, ob es ein charmantes  oder ein ich-fall-gleich-über-dich-her-renn-solange-du-noch-kannst-Grinsen war.

„Läufst du ein Stück mit mir?", fragte er mich dann uns setzte sich schon in Bewegung, bevor ich überhaupt geantwortet hatte. Idiot.

Irgendwie mag ich Logan.. 🤷🏼‍♀️

Vote&Kommi würden mich freuen. Konstruktive Kritik ist auch immer gern gesehen ^^

Ps: Danke für über 100 bzw. 140 Views *^*

Soulmate [Werwolf]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt