~59~ F L A M M E N D E R T O D

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Lesenacht zweites Kapitel 20:15

Zoey (p.o.v)

„Nikolay, können wir mal bitte über was anderes reden, als welche Hormone im Körper eines Werwolfes beim Treffen seiner Mate freigesetzt wird?", flehte ich und ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sausen. Aua.

„Nein", antwortete Nikolay stumpf. „Erzähl lieber, woher du Logan kennst und wieso du mich aus Ibiza verschleppt hast", versuchte ich es weiter und kassierte dafür einen angenervten Blick von ihm. „Das fragst du jetzt zum dritten Mal und ich sag zum dritten Mal nein", fauchte er, während er mit dem Kugelschreiber wieder gegen den Tisch trommelte.

„Ach komm schon", bat ich ihn, doch er schüttelte nur den Kopf. „Ich bin deine Luna, du hast zu tun was ich dir befehle", probierte ich einen neuen Weg aus, erfolglos. „Du bist nicht meine Luna, solang du nicht mit Logan verbunden bist", stöhnte er und seine Augen blitzten mich unter seinen langen Wimpern feindselig an.

Seufzend lehnte ich mich zurück. Mittlerweile merkte ich, dass das Schlafen mit Logan einiges vereinfachen würde.

„Wieso kannst du es mir mich einfach sa- AHH VERDAMMT WA- ARG!" Wie vom Blitz getroffen sprang ich auf, ging aber sofort wieder zu Boden, während ich mir schreiend den Kopf hielt. Er schien zu explodieren, alle meine Knochen fühlten sich an, als würden sie in tausend Einzelteile zerbrechen.

Schweißgebadet und immernoch kreischend wand ich mich auf dem Boden, schlug mit dem Kopf gegen das Stuhlbein, doch das war nur die kleinste Schmerzensquelle.

Mit verschwommener Sicht nahm ich wahr, wie Personen auf mich zurannten, versuchten, irgendwie zu mir durchzudringen, doch ich entwand mich ihren Griffen und schrie, als würde die Welt ihr Ende finden.

Irgendwann, es mussten Stunden vergangen sein, schafften ein paar Gestalten es, meinen zuckenden und verspannten Körper von dem Boden zu heben und in eine Richtung zu tragen, die ich nicht einordnen konnte.

Taub. Sich bewegende Münder, leichte Schläge auf meine Wange, um mich aus meiner Blase voll Schmerzen und Ohnmacht zu befreien, nichts brachte mich zurück in die Realität. Langsam aber sicher konnte ich nichts weiter erkennen, als verschwommene Farben, nichts anderes hören als das Rauschen meines Blutes in meinem Kopf und nichts anderes fühlen als ein Hauch von Schmerz, der immernoch verwahrlost durch meinen Körper driftete.

Dann war ich weg. Weg aus der Villa, die ich vorrübergehend mein zuhause nannte, weg von all den fremden Menschen. Ein leichter Windstoß fegte über meine Haare und gab mir das winzige Gefühl von Leichtigkeit. Als ich hinunter blickte, sah ich meine nackten Zehen in matschiger Erde verschwinden, aus der grüne Maishalme ragten, so weit das Auge reichte.

Vorsichtig hob ich meine Hand und tastete mach den rauen Blättern eines kleinen Strauches. Eine solche Leichtigkeit umgab mich, dass sich tief in mir der Gedanke einprägte, dieser Moment wäre zeitlos. Ich könnte ewig hier verbringen, zwischen all den Sträuchern, die ich in meinem tristen Leben nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte.

Ein leises Vogelgezwitscher, veranlasste mich, von dem Halm abzulassen und nach den Singvögeln Ausschau zu halten, die solch liebliche Klänge von sich gaben.

Wie von alleine setzte ich einen Fuß vor den anderen, folgte den Klängen, die immer lauter zu werden schienen, immer schriller, heller, unausstehlicher.

Ich rannte.
Rannte planlos durch das Labyrinth aus Mais, wollte raus, zu den Vögeln, die mittlerweile nicht mehr als ein raues Krächzen von sich gaben.

Ohne zu wissen was ich tat, trampelte ich die Pflanzen nieder, schnitt mich an den scharfkantigen Blättern, doch ich bemerkte weder den Schmerz, noch das Blut, was mein Bein hinabrinnte. Alles in mir hatte sich darauf fokussiert, diese Vögel zu finden.

Ich fand sie. Auf einem riesigen, knochigen Baum, mitten im Maisfeld saßen hunderte von Raben, die mich mit ihren schwarzen Augen krächzend betrachtenen.

Irritiert stolperte ich ein Paar Schritte zurück.
Mein Körper witterte die Gefahr, ich verabscheute mich dafür, mich nur auf die Suche nach diesen Viechern gemacht zu haben, doch es war zu spät.

Laut fingen sie an, ihre eigenen Lieder zu singen, krächzend. Sie alle hatten den Blick auf mich gerichtet, die unfähig sich zu bewegen vor den rabenschwarzen Tieren stand und betete, dass das hier nicht real war.

Doch das war es. Hautnah erlebte ich mit, wie der Singsang der Raben sich zu einem ohrenbetäubenden Krach entwickelte. Ich wollte mir die Ohren zuhalten, die Augen vor den grässlichen Tieren verschließen, doch das einzige was ich machte, war gebannt und ängstlich in ihre Augen zu starren, wo das Feuer wortwörtlich loderte.

Unter die tierischen Schreie mischten sich nun auch menschliche Rufe unter.

Das Feuer schien lichterloh auf die Raben überzugehen. Sie brannten, brannten von dem Feuer, was sie selbst in ihren Augen entfacht haben.

Die Flammen beschlagnahmten die Tiere, die langsam aber sicher verstummten und in dem tödlichen Feuer ihr Ende fanden, doch die Schreie der Kinder und der Frauen verstummten nicht, sie wurden lauter, leidenschaftlicher, bis ich meinte, all die Körper zu sehen, aus denen die sehnlichen Laute entsprangen.

Angekettet an dem brennenden Baum, hilflos, leidend.

Sie brannten miteinander, gebunden an eine einzige Feuersäule. Überwiegend Kinder mit tränenübertröhmten Gesichtern, die flehend die einzige Person anschrien, die nicht in Flammen aufging. Mich. Keine zwei Meter von dem waltenden  Tod der Menschen entfehrnt stand ich da, wie angewurzelt.

Ich musste ihnen helfen, sie von ihren Qualen befreien, also rannte ich.

Rannte auf sie zu, riss an ihren Ketten, brennend heiß wie glühende Lava verbrannten sie meine Haut. Flammen peitschen meinen Körper, gingen auf meine Kleidung über. Mit feuriger Hand wurden meine Haare zu Asche, meine Haut zu stinkender, verbannter Masse, die nur noch spärlich mein Innenleben verdeckte.

Das war es wohl. Das war mein Ende.
Noch einmal blitzten die kreischenden Raben vor meinem inneren Auge auf, bevor die Flammen meine Sicht zu Grunde richteten.

Aber hallo, ein so langes Kapitel war für den Abend aber nicht geplant.

Tja, was das wohl zu bedeuten hat... 🤔🤷🏼‍♀️

Soulmate [Werwolf]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt