13. Brötchen beziehungsweise Semmeln

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Am Sonntag hatte ich mich in meinem Zimmer verschanzt. Momentan war der Sonntag der schlimmste Tag der Woche, weil sowohl mein Vater als auch meine Mutter zu Hause waren und es keinen Ausweg für die Beiden gab. Mutter konnte nicht einfach mal zum Einkaufen fahren und Helmut in der Regel auch nicht (Würde er sowie so nie machen) und das bedeutete unweigerlich Krieg. Es war mittlerweile soweit, dass ich  mich sonntags schon gar nicht mehr an den Frühstückstisch setzte, wo für gewöhnlich frische Brötchen bzw. Semmeln, oder wie man die Dinger auch immer nenen möchte, auf mich warteten und ich verzichtete sogar auf meinen Earl Grey in der Früh. Obwohl ich beides eigentlich nicht missen wollte. Dafür schlich ich mich später nach unten und machte mir eine Tasse Tee, denn ganz ohne ging es nicht. 

Ich saß gerade eingekuschelt in meine Bettdecke auf meinem Sofa, blickte auf mein Handy und bemerkte, dass ich mal wieder eine SMS von Flo bekommen hatte. In letzter Zeit schrieb er -endlich- wieder öfter und man merkte, dass er sich wieder erholt hatte und über seinen Verlust mehr oder weniger hinweg zu seien schien. Ich antwortete ihm gerade, als mein Display für einen kurzen Augenblick schwarz wurde und kurz drauf die typische Anzeige für einen eingehenden Anruf abbildete. Verwundert starrte ich für den Bruchteil einer Sekunde auf das Handy, ehe ich auf "Annehmen" drückte. Für gewöhnlich wurde ich nicht angerufen, sonder bekam SMS oder Nachrichten über What'sApp beziehungsweise iMessanger. "Jahhha?", fragte ich. "Hi. Anna? Bist du grad zu Hause?" Es war Andy, welcher total außer Atem schien. "Ähhm. Ja? Wieso?" Andy atmete kurz tief durch. "Ich war gar mim Skateboard unterwegs. Haste vielleicht so n paar Minuten für mich Zeit?" Das erklärte, warum er so außer Atem war. "Würde klar gehen. Ich müsst mich halt dann noch kurz anziehen und so." Andy prustete  lauthals los. "Alter... du bist ja noch schlimmer als ich! Es ist 4 Uhr nachmittags! Das ist dir schon klar, oder?" ... "Schnauze.", gab ich liebevoll zurück. Er kannte meine netten Umgangsweisen ja bereits und wer mich so auslacht, der hatte es nicht besser verdient. "Also, ich bin in 10 Minuten dann bei dir.", kam es von der anderen Seite der Leitung. Ich schnaufe. "Auch, wenn du das eventuell noch nicht mitbekommen hast, aber ich gehöre trotz all meiner Eigenarten dem weiblichen Geschlecht an und das heißt, dass ich länger als 10 Minuten zum Fertigmachen brauche!" ... "Schon gut. Schon gut. Ich brauch eh noch mindestens ne halbe Stunde bis ich bei dir bin." Ich hörte förmlich, wie er grinste und wusste sofort, dass er mich damit nur hatte provozieren wollen. "Das machst du doch nur um mich zu ärgern...", meinte ich leicht empört. "Jap.", kam es von Andy fast schon fröhlich pfeifend. Er fügte noch hinzu: "Also bis in ner halben Stunde. Ich muss weiter, damit ich noch rechtzeitig bei dir ankomm." Ich konnte gerade noch ein "Ja, bis dann." erwidern, als er breits auflegte. Klar, Skateboard fahren und dabei telefonieren ist kein Zustand, den man allzulange ohne Crash überstehen konnte.

Nachdem Andy aufgelegt hatte, schrieb ich noch schnell die SMS an Flo fertig und machte mich dann drauf und dran mich heute endlich mal etwas zu kultivieren - wie es meine Oma früher immer ausgedrückt hatte, als ich noch öfter während der Ferien bei ihr gewesen war. Ich schnappte mir die Jeans, die ich auch gestern bereits getragen hatte, und suchte ein halbwegs passendes Oberteil heraus. Die Suche gestaltete sich als recht einfach, schließlich war die Mehrzahl meiner T-Shirts schwarz und somit gut kombinierbar. 

Danach flitze ich schnell ins Badezimmer. Kurz Haare kämmen und irgendwie halbwegs ordentlich trapieren. Gelang mir zwar nicht, aber ein Versuch war's schließlich wert. Ich hielt mich nicht länger damit auf. So viel Zeit blieb mir nicht mehr und  putzte also stattdessen halbwegs gründlich meine Zähne. Als ich mit allem fertig war und auf die Uhr blickte, merkte ich, dass ich sogar noch etwas Zeit über hatte. Zwar nur knapp 3 Minuten, aber immerhin. Für gewöhnlich war ich immer zu langsam.

Es klingelte. Ich hörte, wie jemand die Tür öffnete und wenig später zu mir hinauf rief. Es war meine Mum. "Annnnnna?! Für dich." Sie klang genervt. Wahrscheinlich nicht mal aus einem bestimmten Anlass heraus, sondern einfach nur, weil Sonntag war und Helmut sich deshalb ebenfalls bereits den ganzen Tag über zu Hause befunden hatte.

Schnell lief ich nach unten an die Haustür, doch meine Mutter hielt mich kurz zurück. "Hast du nicht gemeint, dass du das nächste Mal vorher Bescheid sagst, wenn jemand zu Besuch kommt?", fragte sie. "Ja, Mum, aber er holt mich eh nur ab. Wir bleiben ja nicht hier." Sie schwieg kurz, meinte dann jedoch: "Ist in Ordung, aber das kannst du mir vorher zumindest mitteilen." Ich nickte. "Mach ich, Mum."

Flix entschwand ich nach draußen -ehe meine Mutter aufgrund ihrer schlechten Laune sich nicht doch noch etwas ausdachte, was sie einzuwenden haben könnte-, wo Andy bereits mit seinem Skateboard wartete. Er hatte sich auf sein Board gesetzt um vermutlich kurz verschnaufen zu können. "Lebst du noch?", fragte ich grinsend. Komplett fertig nickte er. "Ich bin grad von Benny hier her gefahren... und Benny wohnt am anderen Ende unserer Ortschaft. Also noch mal knapp 4 Kilometer mehr zum Fahren und dann auch noch bergauf." ... "Du Armer.", kam es von mir -natürlich nur zur Hälfte wirklich ernst gemeint. "Ja man! Bemitleide mich." Er grinste und ich tat ihm gleich. "Wenn du dich dann wieder erholt hast, wollen wir dann hinter Richtung Spielplatz? Da gibts wenigstens ne richtige Bank und du musst nicht länger hier wie 'n Penner rumgammeln." Er streckte mir die Zunge rauß, nickte aber. "Geht schon wieder.", meinte Andy und stand auf. Er zupfte sich sein T-Shirt etwas vom Leib, um ein wenig kühlende Luft unter das Kleidungsstück zu bringen und ich konnte für einen kurzen Moment ein kleines Stück Haut sehen. Andy war jetzt nicht gerade der durchtrainierteste Mensch auf Erden, doch den leichten Anstatz eines Sixpacks konnte man durchaus erahnen. 

"Willst du mim Board fahren?", fragte er auf halber Strecke. "Dann müsst ichs nicht tragen und zum selber fahren fehlt mir ein wenig die Puste."  ... "Ich kanns probieren.", meinte ich lächelnd und nahm sein schon ziemlich abgefahrenes Board entgegen. "Musst 'n wenig aufpassen. Das hat n leichten Rechtsdrall. Also bleib von dem Bordstein weg." Ich nickte und stellte mich selbstsicher auf das Board. War ja nicht das erste Mal, dass ich auf sowas stand. "Ich pass schon auf", meinte ich noch, stieß mich ab und merkte auf einmal, dass der Rechtsdrall wesentlich stärker ausgefallen war als gewartet. Ich rollte kurz auf dem Board, kam dann aber selber ins Taumeln und konnte mein Gewicht gerade noch abfangen, ohne, dass ich sofort hinfiel. Ich sah aus den Augenwinkeln noch, wie Andy seinen Arm ausstreckte um mich gegebenenfalls aufzufangen. "Wow...", kam es etwas bedröppelt von mir. "Alles in Ordnung?", fragte Andy bestürtzt. "Das sah grad echt so aus, als würds dich voll hinlegen." Noch immer leicht geschockt, antwortete ich: "Vielleicht sollten wir das mit dem Skateboard fahren lieber lassen..." Er nickte und so liefen wir die letzten paar Meter gemeinsam nebenher zum Spielplatz, von dem ich vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam mit Flo Ina angerufen hatte.

Beim Spielplatz angekommen setzten wir uns auf eine Bank in der Nähe des großen Kastanienbaums. Andy hatte sein Board an die Seite gestellt und sich auf die obere Kante der Bank gehockt, so dass sich seine Füße auf der eigentlichen Sitzfläche befanden. Ich setzte mich neben ihn. "Weshalb bist du jetzt eigentlich vorbeigekommen?", fragte ich und mir schien es, als würde ich einen klitze kleinen Anflug von Verlegenheit bei Andy wahrnehmen können. Er schwieg für einen Moment, als wolle er überlegen, wie er es am besten formulieren sollte. "Ich wollte eigentlich nur wissen, ob du so nett wärst und eventuell nächsten Freitag meine weibliche Begleitung zu Bennys Feier bist." Ich starrte ihn an. Wegen so etwas war er extra mit dem Board zu mir gefahren?! Hätte er das nicht auch einfach mit einem Anruf erledigen können? "Ich wollte das nicht so salop am Telefon machen... Keine Ahnung, aber irgendwie fand ich das unpassend.", fügte er nun hinzu und war nun definitiv verlegen, während ich mich fragte, ob er nicht im Geheimen Gedankenleser war. Anstatt zu antworteten, starrte ich ihn immer noch an und auf einmal meinte Andy einfach so frei heraus: "Ach was solls.. Das hätte ich eh schon viel früher machen sollen."

Er zog mich ein wenig zu sich heran und streichelte ganz sanft mit einer Hand über meine Wange. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Andy so ... liebevoll sein konnte. Gerade als ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, merkte ich, wie Andy mir gefährlich nahe kam. Und dann tat er es. Ohne Vorwarnung. Einfach so. Er küsste mich und seine Lippen legten sich zärtlich auf meine. 

Ehe ich noch wirklich realisiert hatte, was passiert war, war unser Kuss bereits zu Ende. Noch verwirrter als zuvor, saß ich also auf dieser Bank, wo früher, als hier vielleicht noch mehr Kinder gewohnt hatten, frisch gebackene Eltern gesessen hatten und im Moment nur Andy und ich saßen und weit und breit keine Kinder mehr in dieser Straße wohnten. Perplex blickte ich zu ihm. Ich wollte irgendetwas sagen, wollte ihn fragen, warum er das getan hatte, aber das Einzige, was aus meinem Mund kam, war ein klägliches "Ähm."

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Cliffhanger-Alarm ;) Aber keine Sorge: Bald geht's auch wieder weiter und außerdem freue ich mich viel zu sehr auf eure Sepkulationen :D 

LG Heide :x 

Verliebt in Floid?! (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt