29. Zaubertränke

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Nachdem Victoria von ihrer Adoption erfahren hatte, lief sie wie in Trance durch die Gänge von einer Unterrichtsstunde zur nächsten. Der Unterricht hatte wieder begonnen und während für alle anderen das Leben normal weiter ging, war Victorias Welt komplett aus den Angeln gefallen. Sie konnte auf nichts mehr reagieren und starrte in den Unterrichtsstunden bloß teilnahmslos auf die Tischplatte und sagte während der ganzen Stunde über kein Wort. Ihr Leben war eine Lüge.Ihre Eltern nicht ihre Eltern, ihre Großeltern nicht ihre Großeltern. Egal was Dumbledore sagte, wer sie war wusste sie nicht mehr. Victoria Eloise Young war eine Lüge. Sie selbst war nur noch Victoria. Das war's.

Horatio Young hatte ihr, kurze Zeit nachdem sie den Krankenflügel verlassen hatte, eine Eule geschickt. Er sagte ihr, wenn sie wollte, könnten sie sich am nächsten Hogsmeade Wochenende treffen und sie dürfte alles fragen was sie wollte. Zum Abschied hatte er ihr geschrieben,dass ihr Name, Victoria, der Name sei den ihre leibliche Mutter ihrdamals gegeben hatte bevor sie sie abgegeben hatte.

Die Nachricht sie sei adoptiert worden, sie dieTochter des Leiters für magische Strafverfolgung, blieb einwohl gehütetes Geheimnis in Hogwarts. Folglich wussten alle Bescheid, sowohl die Lehrer als auch die Schüler.

Während alle mit Verständnis für Victoria reagierten, war Snape so gemein wie nie zuvor. Doch Victoria war das egal. Ihr war alles egal. In der heutigen Stunde Zaubertränke versuchte Victoria mit zitternden Händen den Anweisungen die auf der Tafel standen Folge zu leisten, doch immer wieder verschüttete sie etwas oder stieß Behälter um.Anstelle der im Rezept angegebenen zwei Schrumpelfeigen kippte Victoria ausversehen die halbe Packung hinein. Den Blutegelsaft ließ sie schon auf dem Weg zum Pult fallen, was eine ziemliche Sauerei ergab.

Abschätzend ging Snape umher und kritisierte die Tränke der einzelnen Schüler. Victoria konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. In den letzten Wochen, seit sie erfahren hatte das ihre Eltern nicht ihre Eltern waren, hatte sie kaum mehr geschlafen, geschweige den genug gegessen. Sobald sie die Augen schloss sah Victoria die Frau aus ihren Träumen vor sich stehen, weswegen sie panische Angst davor hatte ein zuschlafen. Stattdessen hatte sie die Nächte dazu genutzt ihre Hausaufgaben zu machen und sich auf die am Ende des Jahres stattfindenden ZAG Prüfungen vorzubereiten. Victoria konnte nicht mehr. Durch den Schlafmangel und ihrer Appetitlosigkeit hatte ihreHaut einen kränklichen fahlen Ton angenommen und ihre Wangenknochen traten schärfer hervor als sonst, was zur Folge hatte das Victorias Nase (die sie schon immer für ein wenig zu groß gehalten hatte) noch markanter hervor stach.

Fred und George waren sehr bemüht sie aufzuheitern und von ihrem Kummer abzulenken was ihnen jedoch nicht allzu gut gelang, denn Victoria zog sich immer weiter zurück und sprach kaum noch ein Wort. Wie tot lief sie durch die Schule. Unfähig zu lachen, unfähig überhaupt etwas zu fühlen. Ihre Freunde versuchten ihr so gut es ging zu helfen. Doch wer konnte das schon? Der einzige Lichtblick war das Treffen mit Oliver in zwei Wochen. Völlig in Gedanken versunken hatte Victoria nicht bemerkt, wie ihr Trank die Konsistenz von Teer angenommen hatte und nach verbranntem Gummi stank. Statt der hell türkisenen Farbe leuchtete der Trank gefährlich grün und sprühte funiken.

>>Young! Reißen Siesich zusammen!<< Snape war an ihren Tisch getreten und begutachtete argwöhnisch ihren misslungenen Trank. Bei Erwähnung ihres früheren Namens traten Tränen in Victorias Augen.

Aus Rücksicht hatten die Lehrer angefangen sie nur noch Victoria zunennen und nicht mehr bei ihrem Nachnamen. Alle bis auf Snape, der seine wahre Freude daran hatte sie immer wieder daran zu erinnern, dass ihr Leben eine Lüge war.

>>Wieder ein fabelhaftes Beispiel für Ihr versagen Miss Young.<< Victoria wagte es nicht auf zusehen.

>>Jetzt hören Sie mal! Victoria ist die beste aus der gesamten Klasse in Zaubertränke! Was ist den daran soschlimm, wenn sie ausnahmsweise mal einen Trank versaut?!<<

>>Mund halten Weasley! Zehn Punkte Abzug für Gryffindor.<<

Victoria kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Lippe.

>>Es tut mir leid, Sir. Es geht mir gerade nicht gut. Dürfte ich bitte nochmal von vorne anfangen?<<

>>Ach es geht ihnen nicht gut? Bedauerlich. Das ändert natürlich alles.<< höhnte Snape, sodass jeder im Klassenraum es mitbekam.

>>Sollen wir vielleicht Ihre Mami verständigen?<< er schnalzte mit der Zunge.

>>Verzeihen Sie – ich vergaß. Das könnte ja problematisch werden. Es geht ihnen also nicht gut? Wie ungemein rührend...<< In der Klasse war es still geworden. Keiner arbeitete mehr an seinem Trank sondern beobachtete sie und Snape ungläubig.

Victoria presste die Kiefer aufeinander und krallte sich an der Tischplatte fest, sodass ihre Knöchel Weiß hervor traten. >>Hören Sie auf<< sagte Victoria kraftlos.

>>Bitte? Wenn Sie etwas zusagen haben, dann sprechen Sie lauter, damit alle Sie hören können.<< forderte er sie mit einer einladenden Handbewegung auf.

>>Ich sagte: HÖREN SIE AUF!<< Victoria schrie ihm die Worte ins Gesicht. Tränen überströmten ihr Gesicht.

>>HÖREN SIE AUF! Sie haben ja absolut keine Ahnung!<< Erschrocken sahen ihre Mitschüler zwischen ihr und Snape hin und her. Snapes Gesicht zeigte absolut keine Regung.

>>Was hab ich Ihnen eigentlich getan, dass Sie mich so hassen...?<< sagte Victoria nun beinahe flüsternd.

Ohne seine Reaktion abzuwarten stürmte sie aus dem Klassenzimmer, wobei ihr Umhang an ihrem Kessel hängen blieb und sie ihn mit hinunter riss. Der missratene Trank ergoss sich auf dem Boden und ihrem Umhang, wo er kleine Brandflecken hinterließ. Fluchtartig verließ sie das Klassenzimmer und rannte in Richtung des großen Eingangsportals.


The Halfblood-PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt