Kapitel 19

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Valerie erwachte am nächsten Morgen schweißgebadet von einem Alptraum.
Die Bilder standen immer noch kristallklar vor ihrem inneren Auge.
Genauso, wie sie auch immer noch von den Emotionen, die diese in ihr hervorgerufen hatten, gezeichnet war.


Sie hatte geträumt, dass sie nach weiteren zwei Tagen bei Constantin zu beiden Brüdern in die Hütte nach Montana zurückgekehrt war.

Das einzige was sie dort allerdings vorgefunden hatte, war
ein zusammengefaltetes Stück Papier gewesen, auf dem ihr Name gestanden hatte.

Es hatte auf dem Küchentisch gelegen, genau dort, wo sie auch wirklich vor einigen Tagen den Zettel für Bobby hinterlassen hatte.

Liebe Valerie,

leider haben wir keine Möglichkeit gefunden Dean zu" heilen" oder das Wachstum des „Geistes" auch nur zu verlangsamen, obwohl wir Tag und Nacht gearbeitet haben und alle kontaktiert haben, die wir kennen. Wir haben bis heute auf dich gewartet, aber Dean's Zustand hat sich in den letzten Stunden derart verschlechtert - er wollte Bobby erschießen und mich hätte er fast im Schlaf erstochen - dass wir keine andere Möglichkeit mehr sehen, als ihn in den Keller von Bobby's altem Haus nach Sioux Falls zu bringen. Einer groben Schätzung nach, kann es sich nur noch um Stunden handeln, bis es soweit ist. Es sei denn es geschieht noch ein Wunder.
Und ich hoffe, dieses Wunder bist du, Valerie. Wenn du doch noch zurück kehrst, bitte komm schnellstens zu uns.
Dean braucht dich.

Sam




Entsetzt sah sie auf den Briefkopf.
Der Brief war von Mittwoch.
Jetzt war es Donnerstag.
Hoffentlich war es noch nicht zu spät!, dachte sie panisch.
Sie schwang sich sofort, ohne nachzudenken auf ihr Motorrad und schlug den direkten Weg zu Singer's Schrottplatz ein.
Nach vielen Stunden Fahrt kam sie endlich dort an.
Es war fast schon Abend. Die Sonne erhellte kaum noch den Himmel.
Im letzen Licht der untergehenden Sonne umrundete sie mit ihrer Maschine langsam das alte, abgebrannte Haus, in der Hoffnung einen Zugang in den Keller zu finden.
Sie war fast einmal ganz herum gefahren, als sie endlich eine Luke entdeckte, die in den besagten Keller zu führen schien.
Sie parkte ihr Motorrad direkt neben dem Eingang. Dort, wo auch einsam und verlassen Dean's Baby, der Impala, stand.
Mehrfach musste sie kräftig an den beiden Holzflügeln rütteln, bevor sie sich öffnen ließen. Anscheinend waren die Scharniere nicht mehr gut geschmiert worden.
Nur durch ein schwaches Licht aus dem Inneren geführt, stieg sie langsam, Schritt für Schritt, die Steintreppe hinunter.
Am Ende der Treppe angekommen, konnte sie zunächst nicht viel erkennen.
Erst als sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnten, konnte sie etwas erkennen.
Wenige Meter vor der ersten Stufe der Treppe sah sie eine Gestalt auf dem Boden liegen.
Sie näherte sich dem leblosen Körper und erkannte, ohne ihn umzudrehen, dass
es sich hierbei um Bobby handelte.
Die große Menge an Blut auf seiner Kleidung, dem Boden und der nahen Wand
zeugte von einem heftigen Kampf.

Aber gegen wen?, fragte sie sich. Vorsichtshalber zog sie ihr Messer und hielt es kampfbereit in den Händen.
Durch das nur sehr schwache Licht, dessen Ursprung sie immer noch nicht ausmachen konnte, konnte sie nur wenige Meter weit sehen.
Nachdem sie tiefer in den Keller hinein ging, war die eiserne Tür zu dem sicheren Raum, von dem Bobby gesprochen hatte, nicht mehr zu übersehen.
Sie ging, auf alles gefasst, darauf zu. Die Tür zu dem kleinen, runden Raum war nur angelehnt.
Sie zögerte kurz, bevor sie sie langsam aufstieß.
Alle Möbel, die einst das Zimmer wohnlicher machen sollten, waren überall als Einzelteile verstreut.
Sie sah sich, noch vollkommen überrascht, in diesem Durcheinander um, als sie rechts von sich, unter einem Haufen Trümmer eine Bewegung ausmachte.
Unter den Resten eines umgestürzten Regals erkannte sie eine Gestalt, die sich regte.
Sie ging darauf zu, das Messer immer noch kampfbereit in der rechten Hand.
Als sie einige Reste des Regals umständlich weggeräumt hatte - das Messer legte sie dabei nicht aus der Hand - erkannte sie Sam.
Sie steckte hastig die Waffe wieder in die Scheide unter ihrer Jacke und machte sich daran, auch das restliche Holz von Sam weg zu räumen.
Er sah entsetzlich aus.
Er war blutüberströmt und kaum noch am Leben. Ein riesiges Loch klaffte in seinem Bauch.
Eine große Menge Blut hatte bereits das Hemd sowie den Boden bedeckt.
Aber sie hörte, dass er versuchte, ihr etwas zu sagen.
Valerie kniete sich direkt neben ihn, um ihn besser zu verstehen.
Es tat ihr in der Seele weh, ihn so zu sehen und ihre innere Stimme riet ihr so schnell wie möglich und so weit wie möglich wegzulaufen, aber dennoch bleib sie dort.
An Ort und Stelle.
Neben Sam.
Seine immer leiser werdende Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Kaum noch bei Bewusstsein, wiederholte er immer nur eines: „Wir haben es nicht geschafft.
Es war schon zu spät!"
Bis seine Stimme endliche verstummte und Valerie neben einem Toten kniete.
Erst in diesem Moment realisierte sie, dass er selbst im Tod immer noch auf die gegenüberliegende Wand des Raumes starrte.
Einem Instinkt folgend, stand sie auf und war gerade auf halben Weg zu ihrem Ziel, genau in der Mitte des runden Raumes, als sie hörte, wie die Tür zuschlug.
Sofort drehte sie sich dem nun verschlossenen Eingang zu, aber niemand war dort zu sehen.
Nur ein hämisches Lachen direkt hinter ihr, ließ sie erstarren.
Es war zwar kaum noch als menschlich zu erkennen, aber trotzdem
kam ihr die Stimme bekannt vor.
Nun wusste sie, was Sam gemeint hatte.
Denn es war Dean's Stimme, die sie jetzt hörte.
„Ich habe auf dich gewartet, Süße. Ich denke wir könnten noch etwas Spaß haben bevor...
Na ja, du weißt schon ..."
Tausende Gedanken schossen ihr in diesem Moment durch den Kopf.
Trotzdem traf sie in sekundenschnelle eine Entscheidung.
Seine Stimme zeigte ihr, dass er ungefähr in einem Meter Abstand direkt hinter ihr stehen musste.
Sie wusste, dass sie schnell sein und das Überraschungsmoment ausnutzen musste.
Einen langen Kampf würde sie wahrscheinlich nicht gewinnen können und ... vielleicht auch gar nicht wollen.
Also holte sie tief Luft, drehte sich über ihre linke Seite zu ihrem Gegner um, so dass sie ihre rechte Seite verdecken konnte, zog gleichzeitig
in einer fließenden Bewegung ihr Messer aus der Scheide und
stieß es ihm mitten ins Herz.
Diese Aktion kam so überraschend für ihn, dass er keine Möglichkeit der Gegenwehr mehr hatte.
Er starrte nur ungläubig aus seinen flammenden Augen auf die Klinge in seiner Brust.
Als er anfing zu wanken, trat sie einen Schritt vor, um ihn aufzufangen und ihn behutsam auf den Boden zu legen.
Ein kurzes aufleuchten aus seinem Inneren zeigte ihr, dass der Elementargeist in ihm starb.
Kaum das das Leuchten verebbte, klärten sich seine Augen und er sah sie direkt an.
Blut drang aus seiner Wunde und hatte sich bereits über einen großen Teil des Bodens ergossen.
Was hatte sie nur getan?
Hatte sie ihm nicht versprochen alles nötige zu tun, falls es erforderlich sein würde?
Hätte es denn wirklich keine andere Wahl mehr gegeben?
Tränen trübten ihren Blick, als sie seine Hand auf der ihren spürte.
„Es ist gut. Nicht weinen, ja?"
Sie bemerkte, dass ihm das Sprechen schwer fiel.
Sie hatte etwas erwidern wollen, aber kein einziger Ton kam über ihre Lippen.
Die Trauer raubte ihr einfach die Stimme.
Stattdessen nahm Dean seine letzten Kräfte zusammen, um mit ihr zu reden.
Ein sterbender sprach ihr Mut zu!
Verkehrte Welt!
„Es ist wirklich Schade, dass wir uns nun nicht mehr näher Kennenlernen können.
Ich denke wir hätten gut zusammen gepasst.
Du und ich.
Wir hätten ein echtes ... Dreamteam werden können.
Und das mit dem Bier kann ich jetzt wohl auch vergessen."
Dean's leises, humorloses Lachen ging in ein kurzes Husten über.
Ein dünner Blutfaden wand sich aus seinem Mundwinkel.
Beide wussten, dass es nun nicht mehr lange dauern würde.
Sein Blick aber sprach mehr als tausend Worte.
„Versprich mir...dass du keine Jägerin wirst!"
Er drückte dabei ihre Hand fester und lächelte.
Ein stummes Nicken war alles, was sie noch zustande brachte.
Seine Stimme wurde zu einem schwachen Flüstern.
„Es ist nicht ... deine Schuld. Ich wusste, wir würden irgendwann ... alle so enden.
Das Schicksal ... eines jeden Jägers.
Aber ...ich ... wollte ... nie ... Schuld sein ... an Sam's ..."
Er schaffte es nicht mehr den Satz zu Ende zu bringen.
Trotzdem wusste sie, was er sagen wollte.
Plötzlich war alles Leben aus Dean gewichen und seine Hand erschlaffte in der ihren.



SeelenFeuer - The Beginning || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt