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„Dean, war das eben wirklich nötig?"
Sam versuchte seinen sturen Bruder wieder ein bisschen zur Vernunft zu bringen.
Dean stellte als Antwort nur die Musik, die schon seit sie vom Motel weggefahren waren ziemlich laut lief, noch lauter.
Aus dem Radio dröhnte nun „Blue Collar Man" von Styx in einer ohrenbetäubenden Lautstärke.
Dean blickte nur starr nach vorn auf die Straße und lies sich durch nichts beirren.
Sam kannte seinen Bruder lang genug, um zu wissen, dass man mit vernünftigen Argumenten bei ihm so lange nichts würde erreichen können, bis er sich wieder etwas abgereget hatte.
Er wusste zwar, dass Dean manchmal sehr impulsiv war und oft erst handelte und dann nachdachte.
Aber, dass er so hart zu dem Mädchen gewesen war, nach allem was sie eben durchgemacht hatte, verwunderte ihn doch.
Sam wollte seinem Bruder nur noch etwas Zeit geben um wieder runter zu kommen.
Die beiden fuhren noch eine ganze Weile, schweigend neben einander sitzend, auf der Interstate 90, die sie irgendwann in vielen Stunden in Richtung Montana und schließlich auf den Highway 93 führen würde.
Die Musik hatte zwischenzeitlich von Styx zu AC/DC gewechselt.
Gerade schallte „Shot Down In Flames" aus dem Lautsprecher, als es Sam endlich reichte.
Er schaltete das Radio ab.
Von Dean kam keine Reaktion.
Er starrte immer noch angestrengt auf die Straße.
Jedenfalls sah es so aus, denn Sam konnte wegen der Sonnenbrille, die Dean vor kurzem aus dem Handschuhfach gefingert hatte, die Augen seines Bruders nicht sehen.
Schon vor längerer Zeit war es hell draußen geworden.
Die Sonne verbreitete trotz des noch frühen Morgens bereits eine angenehme Wärme.
Es verhieß ein richtiger Sommertag zu werden.
Wahrscheinlich sehr zum Leidwesen des ihnen immer noch folgenden Motorradfahrers in der schwarzen Jacke und dem schwarzem Helm.
„Also, was sollte dass vorhin?", fragte er seinen Bruder nochmals.
"Meinst du nicht die Kleine hätte eine bessere Behandlung verdient. Besonders nach dem, was sie eben erlebt hat?"
„So wie es aussieht hat sie die Sache doch ganz gut weg gesteckt, oder? Immerhin folgt sie uns noch und hat es sich noch nicht anders überlegt."
Dean blickte kurz in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, ob es auch wirklich stimmte.
Für seinen Bruder war dies allerdings kaum zu erkennen.
Bevor Sam etwas antworten konnte bemerkte der Ältere,
„Ich denke wir machen an der nächsten Tankstelle halt. Mein Baby braucht Benzin und ich Kuchen!"
Er macht sich also doch Gedanken um das Mädchen, dachte Sam.
Dean war nur eben nicht der Typ, der so etwas offen zugab.
Da die Sache ja jetzt anscheinend erledigt war, beschloss er seinen Bruder nicht weiter mit diesem Thema zu quälen.
Er würde sich auf seine Art bei der Kleinen entschuldigen.
Er konnte nur hoffen, dass sie nicht genauso stur war wie sein Bruder. Sonst könnte es bei Bobby etwas ungemütlich werden.
Die nächste Tankstelle ließ glücklicherweise nicht allzu lange auf sich warten.
Bereits zehn Minuten später fuhr der Impala und kurz danach auch das schwarze Motorrad auf die Tankstelle.
An die beiden einzigen Tanksäulen vor Ort.
Während Dean zum Tanken ausstieg, ging Sam zu dem Mädchen rüber.
Sie hatte eben den Motor abgestellt und stieg gerade ab.
Sie zog den Helm ab, damit sie ihn zum Tanken an einen der Spiegel hängen konnte.
Auf der schwarzen Wax Cotton Jacke konnte man jetzt im hellen Sonneschein dunkle Flecken erkennen.
Es war Blut.
Er konnte auch einige kleine Spritzer auf ihrer rechten Wange ausmachen.
Wahrscheinlich hatte sie es während des Kampfes in der Bar abbekommen.
Auch auf dem Teil ihres T-Shirts, der nicht von der halb geöffneten Jacke verdeckt wurde, konnte er nun dunkel-rote Flecken ausmachen.
Überhaupt machte die Kleine im Moment keinen besonders guten Eindruck.
Sie schien ziemlich fertig zu sein, was ja auch nicht wirklich verwunderlich war.
„Hey, wie geht's dir?", fragte Sam mit aufrichtiger Anteilnahme in der Stimme.
Sie schien ihn nicht gehört zu haben, denn sie öffnete den Tankdeckel und begann wortlos ihr Motorrad mit Benzin zu versorgen, bis der Tank voll war.
Sam wollte sich gerade wieder umdrehen und gehen - also doch so stur wie Dean -, als sie doch noch antwortete.
„Du meinst also abgesehen davon, dass vor nicht mal 12 Stunden mein Leben noch in Ordnung war. Ich in dieser kurzen Zeit fast von Dämonen aufgeschlitzt wurde, meinen Freund verloren habe und erfahren musste, dass wir Menschen nicht allein hier sind, sondern es da draußen jede Menge Monster gibt, die die Meisten im besten Fall nur für Sagengestalten halten, mit denen man Kinder erschrecken kann oder über die man Horror-Filme dreht?"
Sam sah, wie der Schmerz in ihren Augen der Wut wich.
Er konnte diese Reaktion nur zu gut verstehen. Auch er hatte lange Zeit diese Wut in sich getragen.
Sie hatte ihn verändert und fast zerstört. Ihr innerer Kampf berührte auch ihn.
Er setzte gerade an, ein paar tröstende Worte an sie zu richten, als er plötzliche eine Veränderung an ihr bemerkte.
Sie wurde plötzlich wieder ruhig, so als wären diese schrecklichen Sachen nie passiert.
„Es tut mir leid. Ich bin gerade ein bisschen durcheinander. Ich habe auch schon versucht zu Hause anzurufen, aber niemand meldet sich. Das kenne ich gar nicht von meiner Tante!" Sie machte eine Pause.
"Ihr könnt natürlich nichts dafür, dass das alles geschehen ist. Ich glaube, ich sollte froh sein, dass ihr zufällig gerade da ward. Ohne euch hätte ich nicht ... überlebt!"
Sie sah Sam entschuldigend an.
„Also nichts für ungut und ... Danke!", sie streckte ihm eine Hand zur Versöhnung hin.
„Übrigens, ich bin Valerie."
Er ergriff ihre schlanke Hand, aber einem plötzlichen inneren Impuls folgend beließ er es nicht dabei, sondern zog sie an sich heran und umarmte sie kurz.
In diesem Moment kam Dean mit einer Tüte, in der wahrscheinlich auch sein Kuchen war, aus der Tankstelle und sah die beiden, wie sie sich gerade in den Armen lagen.
Für einen flüchtigen Moment lag ein verärgerter Ausdruck in seinen Augen.
„Hey, Romeo! Ich störe die traute Zweisamkeit nur ungern, aber wir müssen los", rief er den beiden entgegen.
Sam und die junge Frau war die Situation sichtlich etwas peinlich.
„Dean, dass war nicht wonach es aussah. Valerie und ich..." wollte sich Sam seinem älteren Bruder gegenüber rechtfertigten, kam aber nicht dazu, den Satz auch zu beenden.
„Is' mir doch egal, Sam", antwortete der kurz angebunden.
„Wir müssen los!"
Auf den fragenden Gesichtsausdruck der jungen Frau hin, auch sie hatte ja getankt und musste eigentlich noch bezahlen, antwortete Dean nur:
"Ich hab alles erledigt."
Er kramte eine Flasche Wasser aus der Tüte und warf sie ihr kommentarlos zu.
Sie fing sie mit einer geschickten Bewegung auf, nahm einen tiefen Zug daraus und verstaute sie dann in ihrem Rucksack.
Dean quittierte dies nur mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Beim Impala angekommen, griff er nochmals in die Tüte und förderte einen Proteinriegel für seinen Bruder hervor, den er ihm über das Dach des Wagens hinweg zuwarf.
Die nun leere Tüte landete im Inneren des Fahrzeugs.
„Ähm ... danke", sagte Sam.
„Aber ich dachte du ... wolltest dir Kuchen holen?"
„Hatten keinen mehr," grummelte Dean und stieg ohne ein weiteres Wort in den Impala.
Sam sah noch mal zu Valerie rüber.
Sie saß schon wieder startklar auf ihrem Motorrad, bereit, den beiden Brüdern zu folgen, wohin sie auch immer fahren sollten.
Keiner der beiden hatte ihr gesagt wo genau es eigentlich hinging.
Dean hatte das nicht gewollt. Angeblich aus „Sicherheitsgründen".
Hätte er gekonnt, hätte er ihr am liebsten für die letzten hundert Meilen auch noch die Augen verbunden.
Wenig später setzte sich der Impala zügig in Bewegung, das schwarze Motorrad wieder unablässig im Schlepptau.
Sam bewunderte diese junge Frau, die, wie sie schon richtig gesagt hatte, in den letzten zwölf Stunden Dinge gesehen hatte, von denen die meisten Menschen nicht mal wussten, dass sie existierten.
Sie hatte mutig gekämpft, Dean, einen für sie völlig Fremden, das Leben gerettet und getan, was getan werden musste.
Egal wie schwer es ihr auch gefallen sein mochte.
Er wusste nicht, ob er in der selben Situation auch so überlegt gehandelt hätte.
Seit seiner Kindheit wusste er, was da draußen wirklich für Gefahren lauerten, dass es wirklich diese Monster gab und leider auch mehr als selbst die meisten Jäger ahnten.
Für ihn war das alles nichts Neues.
Einen ganz normalen Mensch, mit einem Job von neun bis um fünf, musste diese Erkenntnis einfach umhauen.
Aber nicht Valerie!
Sie hatte das alles einfach akzeptiert und gehandelt.
Lange grübelte Sam darüber nach, warum die Kleine so verdammt gut gekämpft hatte und was das Amulett um ihren Hals bedeutete.
Er hatte keine Zeit gehabt danach im Internet zu suchen, aber wenn sie erst mal in Rufus' Hütte angekommen waren, hatten sie Zeit, sich darum zu kümmern.
Irgendetwas würde bestimmt auch in einem von Bobby's Büchern stehen.
Da war er sicher.
Und sie mussten herausfinden, was die Dämonen von Valerie gewollt hatten.
Das war der Punkt, der bestimmt schwieriger werden würde.
Diesen Gedanken nachhängend schlief Sam auf dem Beifahrersitz ein.
Dean ließ seinen kleinen Bruder in Ruhe und lenkte sein Baby allein in Richtung Montana, aber nicht ohne sich doch ein paar mal im Rückspiegel zu vergewissern, dass das Motorrad ihnen immer noch förmlich am Heck klebte.---------------------------------------------------------------------------------------
Ich hoffe es hat euch gefallen?
Für Kommentare/Anregungen bin ich immer offen und dankbar.
LG
Jane
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SeelenFeuer - The Beginning || Supernatural FanFiktion
FanfictionDämon? Engel? Hexe? Von allem etwas oder doch "nur" ein Mensch - jedenfalls mehr oder weniger - , dessen magisches Erbe gerade erst hervorbricht und erst noch kontrolliert werden will? Wer genau ist die junge Frau, die unter mysteriösen Umständen m...