Kapitel 29

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Das Büro im zwanzigsten Stock des Hochhauses in Paris war nur spärlich beleuchtet.
Draußen war es bereits stockfinstere Nacht und Laurent war der letzte in dem großen Gebäude.
Er brütete schon seit Stunden über einem Plan, mit dem er doch noch das Schlimmste abwenden konnte.
Das Gespräch mit seinem besten Freund Pierre und dessen Hintergrundwissen über seinen angeblichen Geschäftspartner hatte ihm die Augen geöffnet.

Wie hatte ich nur so blind sein können?

Das hatte er sich die letzten Tage immer wieder gefragt und seitdem fieberhaft nach einem Ausweg aus dieser Misere gesucht.
Vielleicht hatte ihn damals die Aussicht auf Macht korrumpiert.
Hätte er gewusst, dass die gesamte Menschheit dafür den Preis bezahlen würde ... er wäre den Deal nicht eingegangen.

Sein Freund hatte es einfach und doch so treffend formuliert:
„Was erwartest du, wenn du einen Handel mit dem König der Hölle eingehst?"

Zu Anfang konnte er nicht glauben, was Pierre im Brustton der Überzeugung über das Wesen seines Partners erzählte.
Er sei ein Dämon.
Aber nicht irgendeiner.
Nein.
Er sei der König der Hölle und soweit weg von einem seriösen Geschäftspartner wie .... wie hatte er es noch gleich ausgedrückt?
Genau, wie Steve Erkel von einem Gigolo.

Doch im Laufe des langen Gesprächs, in dem Pierre all sein Wissen mit ihm teilte und alle unumstößlichen Beweise, die er und sein Team in akribischer Kleinarbeit zusammengetragen hatte, vorlegte, begann er dann doch die Wahrheit zu erkennen.
Eine schmerzliche Wahrheit war es.
Aber vielleicht war es trotz allem noch nicht zu spät.
Sein Freund wusste von einem Mann, der ihnen möglicherweise helfen würde.
Der Dreh und Angelpunkt in der ganzen Sache war diese junge Frau, die er für seinen Partner hatte aufspüren lassen.
Ursprünglich geplant war, dass ihre Fähigkeiten am Ende der Operation dem Orden zu Gute kommen sollten.
Vorher wollte sie sich sein Kompagnon nur mal kurz „ausleihen".
Weiter nichts.
Er und seine Leute waren aber nur solange für seinen Partner von Nutzen gewesen, bis er selbst in der Lage gewesen war, ihre Spur weiter zu verfolgen.
Laurent sollte nie die Gelegenheit haben, auch nur ein Wort mit ihr zu sprechen, geschweige denn, ihre Macht zu nutzen, um den Orden zu neuer Blüte zu führen.
Im Gegenteil.
Der König der Hölle allein würde ihre Kraft nutzen, um seinen Machtbereich bis auf die Oberfläche der Erde oder vielleicht auch darüber hinaus auszudehnen.
Dann würde die Menschheit der Dunkelheit anheim fallen.

Das kann ... nein, dass werde ich nicht zulassen.
Niemals.

Pierre hatte ihm versprochen einen Kontakt zu diesem geheimnisvollen Mann herzustellen, der ihnen angeblich als einziger noch zu helfen vermochte.
Dieser sollte sich exakt um Mitternacht - wie theatralisch, dachte er - bei ihm melden.

Er sah etwas nervös auf seine Rolex.
Es war eine Minute vor Mitternacht.
Gespannt starrte er abwechselnd auf das vor ihm auf dem Tisch stehende Telefon und auf sein Handy.
Der Zeiger seiner Uhr wanderte unermüdlich weiter.
Es wurde Mitternacht.
Aber nichts geschah.
Er wartete weitere fünf Minuten, aber auch dann erwachte keines der Telefone zum Leben.
Eine E-Mail erreichte ihn ebenfalls nicht.
Kein Anzeichen einer Kontaktaufnahme in irgendeiner Form.

Gerade, als er selbst zum Telefon greifen wollte, um seinen Freund anzurufen, sah er etwas aus den Augenwinkeln.
Es war als würde die Luft schräg rechts vor seinem Schreibtisch, in unmittelbarer Nähe der großen Glasfenster, zu flackern beginnen.
Zunächst tat er diese Wahrnehmung als eine Halluzination ab.
Begründet durch seine Übermüdung und den Stress der letzten Tage.
Aber als sich aus dem unbestimmten Flimmern eine Gestalt entwickelte, begann er zu ahnen, was er da sah.

Langsam aber stetig gewann die Gestalt immer mehr an Substanz, bis vor seinem Schreibtisch ein durchschnittlich großer Mann mit leicht ergrautem Harr und einem alterlosen Gesicht stand.
Alles in allem war das einzig Auffällige an seinem Gast die unterschiedlichen Augenfarben.
Eines war auffallend hell, das andere von eher dunkler Färbung.

Laurent erhob sich, als er seine Überraschung überwunden hatte und streckte dem Mann vor ihm die Hand entgegen.
„Ich bin froh, dass sie es doch geschafft haben, Monsieur ..."

Die Gestalt vor ihm rührte sich nicht.
Machte keine Anstalten den Gruß zu erwidern.
„Mein Name ist Constantin. Die Hand kann ich ihnen leider nicht geben, so gerne ich es auch würde. Aber ich bin nicht wirklich hier in ihrem Büro."

Verwundert antwortete Laurent,
„Wie meinen sie das?"

Die Gestalt flackerte kurz.
Wie bei einem alten Fernsehbild, dass noch über eine terrestrische Antenne übertragen wird und gegen die Unwägbarkeiten des analogen Daseins ankämpfen musste.


„Sie sehen nur meinen Geistkörper. Dies ist im Moment die sicherste Art der Kommunikation."
Als er sah, dass sein Gegenüber ihn skeptisch betrachtete, ergänzte er, „Sie können davon ausgehen, dass Crowley sie abhören lässt."

„Crowley?"

„Der wahre Name ihres Geschäftspartners."

„Oh .... Natürlich. Und wie können sie mir nun helfen?"

„Ich kann ihnen die junge Frau bringen."

Laurent hob interessiert die Augenbrauen.
„Können sie das wirklich? Was wollen sie als Gegenleistung?"

Die Gestalt flackerte erneut kurz, bevor sie nickte und antwortete.
„Sie müssen mir nur versprechen, sie mit Hilfe ihres gesamten Ordens zu beschützen. Wenn es sein muss, sogar mit ihrem Leben.
Es ist essentiell wichtig, dass sie überlebt und ihre Fähigkeiten schulen kann. Ihr Orden wird ihr das ermöglichen. Sichern sie mir das zu und wir haben eine Abmachung."

Laurent, nun wieder ganz Geschäftsmann, überlegte.
Er ertappte sich dabei, wie er begann das Für und Wider abzuwägen, bis ihm wieder gewahr wurde, dass er hier nicht nur über Gewinne oder Arbeitsplätze verhandelte, sondern möglicherweise um das Wohl der gesamten Menschheit.
Die weitreichenden Konsequenzen seiner Entscheidung und die schrecklichen Alternativen, standen ihm plötzlich wieder vor Augen.

„Mein Orden und ich werden sie beschützen und wenn es das letzte in unserem Leben ist, was wir tun!"

Zufrieden nickte die Gestalt und begann bereits wieder zu verblassen, bevor der überraschte Anzugträger hinter dem Schreibtisch auch nur die geringste Möglichkeit hatte, nach Einzelheiten des Plans zu fragen.

Spielt ja eigentlich auch keine Rolle.
Er wird mir schon rechtzeitig Bescheid geben und dafür sorgen, dass es funktioniert.
Ist ja schließlich auch sein Deal.


Und es ist ja auch nicht so, als ob ich eine Wahl hätte.

Oder?



SeelenFeuer - The Beginning || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt