Von der Tür ging ich zu seinem Schreibtisch und wieder zurück. Immer wieder tigerte ich von der einen Seite des Raums zu der anderen. Ich wusste einfach nicht wirklich, wie ich meine Gedanken sortieren sollte.
Klar, jetzt konnte ich meine Mutter schon irgendwie verstehen, dass sie einfach Angst um mich hatte, aber gleichzeitig war ich auch unglaublich wütend auf sie, dass sie so oberflächlich gegenüber Zayn war. Ich kannte ihn mittlerweile vier Jahre und in keinem einzigen hat er mir jemals weh getan oder mich irgendwie verletzt...
Aber auch wenn ich auf meine Mutter sauer war, überdeckte das Gefühl der Enttäuschung die restlichen.
Wieso hatte Zayn mir nie davon erzählt? Wir kannten uns schon so lange und ich habe ihm so viele Geheimnisse von mir anvertraut.
Er war der erste vor dem ich mich geoutet hatte.
Mit ihm hatte ich das erste Mal über meinen früheren Crush gesprochen.
Er hatte mir beigestanden, als mein Crush eine andere hatte.
Ich hatte ihm von meinen Ängsten erzählt, dass ich nicht ohne Licht schlafen konnte, oder dass ich regelrecht eine Phobie gegen Marienkäfer hatte.
Er war der einzige, vor dem ich wirklich so viel aß, wie ich wollte und mich nicht irgendwann zurück hielt, um keine komischen Blicke auf mich zu ziehen.
Nur mit ihm traute ich mich Horrorfilme zu schauen, da ich wusste, dass ich mich hinterher an ihn kuscheln durfte, um dem ganzen Spuk zu entgehen.
Und er?
Er hatte mich die ganzen Jahre angelogen.
Stimmte überhaupt der Rest, den er mir erzählt hatte, oder hat er mir noch mehr Lügen aufgetischt?Ich vergrub meine Hände in meinen Haaren und zog leicht an ihnen, um irgendwie einen klaren Gedanken fassen zu können. "Warum?", brachte ich schließlich dann doch nur raus. "Was?", fragte Zayn überrascht, der in der Zwischenzeit auf seinem Bett immer kleiner geworden war. "Warum hast du es mir nie erzählt?", formulierte ich meine Frage aus. "Ich- ich hatte Angst... Nachdem mein Vater damals ins Gefängnis gekommen ist und ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, haben sich plötzlich alle meine alten Freunde von mir abgewannt. Sie wollten mich nicht einmal mehr ansehen.
Die Lehrer in der Schule haben sich nicht mehr getraut mich einer Gruppe bei Partnerarbeiten zu zuweisen. Beim Einkaufen mit meiner Mutter haben uns alle angestarrt, als kämen wir vom Mars und unser Arzt hat uns einfach vor die Tür gesetzt, er wollte uns nicht mehr behandeln. Angeblich weil er schon so viele Patienten hatte, aber wir haben ganz genau gesehen, wie er andere, die nach uns kamen, behandelt hat. Meine Mutter hat dann beschlossen, als ich mit Fieber im Bett lag, ohne Medikamente, weil es keinen Arzt gab, der mich mehr behandeln wollte, dass wir da weg ziehen.
Du musst wissen, dass es eine sehr kleine Stadt war, jeder kannte jeden und die Geschichte mit meinem Vater hatte sich wie ein Lauffeuer rumgesprochen. Erst wollte meine Mutter nur in eine Nachbarstadt ziehen, aber da bekam sie wegen unserem Nachnamen keine Wohnung. Es wirkte so, als würden alle glauben, dass eigentlich wir den Mord begangen hätten, obwohl wir eigentlich die Opfer waren...
Also zogen wir nach Irland, wo kaum einer die Geschichte kannte und die Menschen uns wieder normal behandelten.
Nach so langer Zeit, die wir in Angst und mit Schmerzen leben mussten, wollten wir das einfach hinter uns lassen und es vergessen. Meine Mutter hat mir nie verboten über meinen Vater zu sprechen, aber ich wollte und konnte es einfach nicht, also haben wir ausgemacht, dass wir sagen, er sei gestorben, denn wenn man das sagt, dann wird meistens nicht mehr nachgehakt, sondern das Thema gewechselt. Es hat mir damals unheimlich geholfen damit abzuschließen. Ich wurde nicht ständig daran erinnert und wenn ich bei der Frage nach meinem Vater einen leidenen Gesichtsausdruck annahm, dann war das für alle verständlich.
Wer wird schon gerne an seinen toten Vater erinnert?
Als ich auf deine Schule kam, beschloss ich die Geschichte beizubehalten und mit der Zeit habe ich teilweise wirklich selber daran geglaubt, dass mein Vater tot sei...
Doch sowas lässt sich nicht einfach so verdrängen und auch nicht einfach so verarbeiten für andere Menschen. Also erzählte ich es niemanden und als wir beiden immer mehr miteinander machten, war ich im ersten Moment einfach nur froh, dass ich wieder einen echten Freund gefunden hatte, einer der mich nicht aufgrund meiner Vergangenheit verurteilte.
Ich weiß, es war nicht unbedingt meine weiseste Entscheidung, aber die einfachste...
Vor etwa einem Jahr wollte ich dir davon erzählen, endlich die Wahrheit sagen, aber- es ging nicht.
Ich konnte nicht.
Die Angst dich zu verlieren war zu groß...
Und als deine Mutter es vor ein paar Monaten herausgefunden hat, hatte ich noch größere Angst, dass sie dich vielleicht wirklich davom überzeugen könnte, den Kontakt zu mir abzubrechen, denn damit würde ich nicht leben können.
Du bist mir viel zu wichtig geworden, um dich zu verlieren...
Bitte Niall, bitte lass mich nicht alleine!", schluchzte Zayn zum Ende hin und ich sah, wie schwer es ihm fiel über seinen Vater zu reden. Langsam ging ich wieder zurück zu seinem Bett und setzte mich neben ihn. Zaghaft legte ich einen Arm um ihn und zog ihn vorsichtig an mich. Die andere Hand wanderte fast wie automatisch in seine Haare, über die ich immer wieder streichelte. Das tat ich immer bei ihm, wenn ich tröstete.
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1D und 5SoS OS und DK
Fanfiction1D und 5SoS OS und DK. Zur Zeit auf On hold, werde irgendwann wieder weiter schreiben.