Überrascht lasse ich ihn los und trete einen Schritt zurück. "DU hast dir das angetan?" frage ich und bin geschockter, DAVON zu hören, als dass er Betti umgebracht hat. Bei mir läuft echt was schief. Mein gegenüber sieht mich einfach nur an, bevor ich mich wieder sammele, einen Schritt nach vorn gehe und ihm gegen die Stirn schnippe. Das ich mich bei dieser Aktion auf die Zehenspitzen stellen musste, lassen wir geschmeidig ausser acht. Überrascht hebt er eine Hand und legt sie sich an die Stirn. "Hey! Wofür war das?!" knurrt er und ich verschränke meine Arme, während ich ihn ein wenig genervt ansehe.
"Jetzt streng du mal DEIN Gehirn an!" erwiedere ich und mit gerunzelter Stirn mustert er mich. "Ich habe keine Ahnung, was du meinst!" ruft er und schmeißt zur Verdeutlichung seine Arme in die Luft. Mit finsterer Miene hebe ich meine Hände, stecke beidseitig meine Zeigefinger durch seine aufgeschlitzten Wangen und drücke gegen seine Zähne. "Hilft dir das vielleicht auf die Sprünge?!" Er nimmt meine Hände und bringt sie aus seinem Mund. Jetzt, wo er das macht, realisiere ich erst, wie komisch das klingen und aussehen muss. "Das ist die Vergangenheit. Ist doch jetzt egal!" meint er nur und legt seinen Kopf schief.
Das einzige, was ich im moment zustande bringe, ist das komplette gegenteil von dem, was man eigentlich so tun sollte. "Du bist ein Idiot..." murmelnd, umarme ich ihn wieder und lege meinen Kopf an den weißen Hoody. Im ersten moment passiert nichts. Es ist still, keine Tiere machen irgendwelche Geräusche und die Sonne wird von dem Kerl abgeschirmt. Trotzdem ist es warm und noch ein wenig gemütlicher, als er eine Hand auf meinen Kopf legt. "Ich bin ein mordender Idiot, wenn du das bitteschön nicht vergessen würdest!" erwiedert er und es ist, als würde er sich etwas entspannen.
Ich sehe zu ihm auf und strecke ihm die Zunge raus, ehe ich lächelnd erwiedere: "Aber immer noch ein Idiot!" Lachend, schüttelt er den Kopf und ich lasse ihn los. Nach einer weile beruhigt er sich wieder und ich habe mich derweilen an die Steinwand neben der Lianenwand gelehnt. "Du bist doch selbst ein Idiot!" meint er und ich lege den Kopf schief. "Wieso?" frage ich und er kommt auf mich zu. Er bleibt vor mir stehen und sieht von oben auf mich hinunter. Seine schwarzen Haare fallen ihm dabei ein wenig in sein Gesicht und verdecken die aufgeschnittenen Stellen ein bischen.
"Wer ist denn geblieben als ich sagte, dass ich Betti getötet habe? Wer hat sich die ganze Zeit mit einem unbekannten Unterhalten? Wer hat seine ganzen geheimnisse ausgeplaudert? Und wer hat sich an einen fremden gekuschelt?" Ich muss anfangen zu grinsen und lehne mich wieder an ihn. "Meinst du so?" frage ich und ihm entkommt ein amüsiertes kichern. "Ungefähr so!" stimmt er mir zu und im nächsten moment werde ich gegen die Wand gepresst. Die unebenheiten, die eine Steinwand nunmal so hat, drücken in meinen Rücken. Doch meine Aufmerksamkeit liegt auf den Kerl vor mir und sein Gesicht, das verdammt nah ist!
Ich halte dem Blick stand. Lasse mich nicht einschüchtern und bin mir trotzdem bewusst, dass ich einen Mörder vor mir habe. "Hast du keine Angst, dass ich dich töten könnte?" fragt er und ich sehe ihn viel zu ruhig an. Eine eigenschaft, die ich nun mal habe. Ich bleibe äußerlich extrem ruhig und schon fast desinteressiert, während ich innerlich am rumspringen bin und panik schiebe. Manchmal ganz nützlich. Wobei... Nein. Eigentlich immer! Ich atme tief durch und antworte in einer ebenso ruhigen Stimme: "Du hättest genügend gelegenheiten gehabt, mich zu töten, wenn du gewollt hättest. Und ich vertraue dir mehr, als meinen eigentlichen Freunden."
Er erstarrt. Keine Regung ist zu sehen. Das einzige, ist überraschung, die sich in seinen Augen wiederspiegelt. "Ich habe dir schonmal gesagt, dass ich dir vertraue. Ansonsten hätte ich dir nicht so viel erzählt." mache ich weiter und entspanne mich mit viel mühe. "Du bist der einzige, der von den Problemen mit Betti wusste. Von meinen machenschaften. Von meinen Intrigen. Von den Psychospielchen, die ich abgezogen habe. Von den Fäden, die ich im Hintergrund ziehe. Niemand anderes wusste bis dahin, dass ich hinter all dem stecke. Und jetzt weißt nur du es. Nur du weißt, wie ich wirklich bin."
Langsam richte ich mich auf und lehne mich nun gegen die Wand, da der Kerl ein paar Zentimeter Platz gemacht hat. "Meine Eltern denken, dass ich zwar Faul bin, aber sonst ziemlich normal. Eine Handysüchtige Erwachsene. Meine Freunde kennen vielleicht einmal sieben Prozent von dem, was ich wirklich gemacht habe und von den Fäden haben sie auch keine Ahnung. Ich lasse jeden sehen, was sie wollen. Niemand hat mein wahres ich ausser dir gesehen. Warum sollte ich dir also nicht vertrauen?" Er ist still geworden. Sein Mund geschlossen und sein Blick auf mich fixiert. Diese blauen Augen, die mich irgendwie faszinieren.
Ich seufze und schließe meine Augen. "Aber..." Ich sehe ihn wieder an und lächle schief. "Vielleicht vertraue ich dem falschen? Oder irre ich mich?" Seine Augen zucken von links nach rechts. Als müsse er stark nachdenken und sich dafür sein Hirn zermattern. Mit einem leicht schmerzlichen Lächeln sehe ich auf die Seite und gehe dann an ihm vorbei. "Diese stille Antwort reicht mir..." sage ich leise und mein Herz zieht sich zusammen. Mein Weg führt mich zum Lianenvorhang und ich strecke meine Hand aus, bevor ich den schwarzhaarigen ein letztes mal ansehe. "Danke für alles, was du getan hast."
Mit diesen verhängnissvollen Worten trete ich durch das Gestrüpp und lasse den Kerl einfach stehen. Es ist normalerweise nicht meine Art, aber es tut mir überraschenderweise weh. Es tut weh, dass ich ihn verlassen muss. Dass ich ihn wahrscheinlich nie wieder sehen werde. Aber was bringt es mir? Was bringt es mir, jemanden zu vertrauen, der sich selbst nicht genügend vertraut, um mir eine einfache Sache zu beantworten? Er war der erste, dem ich hinterher trauere... Doch ich bin stark und meine Einstellung ist einfach. Wer mir nicht traut oder mir nichts mehr nützt, hat keinen Wert. Auch, wenn es emotional wird.
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Another Life
FanfictionSera hat einen Freund, den sie noch nie zuvor gesehen hat. Dennoch weiß dieser alles über sie. Was sie in wirklichkeit macht. Wie sie Leute manipulieren kann. Und was wirklich hinter ihren Aktionen steckt. Die beiden treffen sich immer in einer Höhl...