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Ich nehme einen Stuhl und stelle ihn unter das Fenster, ehe ich dieses aufmache und mich mit einem Sprung auf das Dach hieve. Dort klettere ich vorsichtig auf den höchsten Punkt und ziehe meine Beine auf der Dachschrägen an mich. Tja... Das wars dann, hm? Ich sehe über die Dächer hinweg und höre lachende Kinder, die unpassender nicht sein könnten. Zumindest im moment. Die haben es gut. Müssen sich um nichts kümmern und haben keine sorgen. Keine Probleme! Vorallem, wenn ich an meine eigenen Probleme im moment denke. Ich verlasse alles, was ich aufgebaut habe. Lasse alles zurück, wofür ich öfters als einmal meinen Kopf hingehalten habe.

Aber dennoch ist es besser so. Denn wie ich es verstanden habe wäre es entweder so abgelaufen, dass ich getötet worden wäre und jeder hätte noch die Erinnerung an mich gehabt. Wäre voller Trauer und Schmerz. Unwissend. Wut, wieso ich den gestorben wäre. Wer es denn war. Doch jetzt ist eigentlich alles friedlich. Niemand weiß mehr, dass ich existiere und niemand hat eine Ahnung, was ich alles angestellt habe. Alles bleibt im dunkeln und nichts wird aufgemischt. Jeder kann sein leben weiterführen, als wäre nichts. Als wäre der Mensch, der ihm in einem moment so nah gestanden hat, nie auf die Welt gekommen.

Ich hebe meinen Kopf und fange an zu lächeln. Wieso auch immer ich plötzlich so sozial denke... Es hat etwas gutes an sich! Etwas frieden bewahre ich in mir und ich gehe mit dem wissen, dass niemand so seelisch verletzt wurde, wie ich. Denn ich kann meinen seelischen Schmerz aushalten. Habe es auch, seitdem ich ein kleines Kind bin! Aber meine Familie dann in solchen Schmerzen zu wissen, würde mich nicht mehr loslassen. Nickend, seufze ich. Niemand braucht das durchzumachen, was ich nun durchmache. Ich verstehe nun, wieso die Menschen eigentlich nicht vor diese Entscheidung gestellt werden.

"Sera?" eine rufende Stimme reisst mich aus meinen Gedanken und ich sehe zum Fenster. Will ich, dass jetzt jemand zu mir hoch kommt? Doch ich runzle die Stirn, als ich die Stimme erkenne. Schnell klettere ich zurück zum Fenstern und schwinge mich wieder rein. "Spinnst du Jeff?! Du sollst nicht stehen, geschweige denn gehen!" zische ich und schiebe ihm den Stuhl in seine Kniekehlen. Mit einem entschlossenem Gesichtsausdruck drücke ich ihn runter und sehe ihn ernst an. "Deine Wunden sind noch nicht so gut verheilt, als dass du herumwandern könntest, als wäre alles wieder in Ordnung!"

Jeff verdreht kurz die Augen, bevor er mich ansieht. "Ich hab mir halt sorgen gemacht! Weder EJ noch Slendy haben mir gesagt, wie du dich entschieden hast!" Für einen moment bin ich überrascht, bevor ich ihn leicht anlächle. "Was hättest du denn gerne...?" frage ich leise und er sieht von mir weg. "Ich..." murmelt er und ich warte noch ein paar Augenblicke, bevor ich seufze. "Also endet es so wie damals...?" Ich weiß, dass ich im moment ein Arschloch bin. Dass ich auch einfach sagen könnte, dass ich mit ihnen mitgehe und dass ich ihm wohl noch eine weile auf die Nerven gehen werde.

Langsam drehe ich mich um, ehe ich schon einen Schritt mache. "Warte!" Ich bleibe stehen und lächle kurz zufrieden und auch ein wenig erleichtert, bevor ich mich wieder zu ihm umdrehe. Jeff's Augen sind weit geöffnet. Sein Mund und somit auch sein eingeritztes lächeln leicht. Die schwarzen Haare glänzen in der hereinscheinenden Sonne und die einzelnen strahlen machen auch die herumfliegenden und glitzernden Staubpartikel sichtbar. Er murmelt irgendwas und ich runzle die Stirn. "Was ist?" frage ich provokant und er steht langsam auf, bevor er auf mich zukommt. Bei mir angekommen, hält er mich an meinen Schultern fest und sieht mir tief in die Augen.

"Bleib... bitte." Seine Stimme ist schon fast ein flehen und seine Augen sagen dies auch. Ich sehe ihn eine weile an, bevor ich lächle und ihn vorsichtig umarme. "Das stand schon lange fest, du mordender Idiot..." flüstere ich an seiner Brust und spüre, wie er ebenfalls seine Arme um mich legt. "Du bist echt schlimm, mit deinem auf die Folter spannen!" knurrt er mürrisch und ich kratze den letzten Rest an Mut zusammen, den ich finden kann. Dann lehne ich mich ein wenig zurück und streife mit meinen Lippen seine aufgeschlitzte Wange, die sich verdammt warm und weich anfühlt.

"Danke, dass du mir immer zugehört hast. Und danke, dass du mir die entscheidung erleichtern wolltest." flüstere ich und kuschle mich wieder an ihn. Die Wärme und die Sicherheit, die er mir trotz seines verletzten Zustandes gibt, ist atemberaubend. Ungewohnt. Aber doch angenehm und schon fast abhängig machend! Er schnaubt amüsiert. "Wer hat mir denn auch zugehört? Wer hatte keine Angst, als ich mein Gesicht enthüllt habe? Wer hat mich nicht amateurhaft, sondern wie ein richtiger Arzt zusammengeflickt? Und wer hat uns verdammt leckere Pfannkuchen gemacht, nachdem dir zwei völlig fremde in deinem Zimmer erschienen sind?"

Ich fange an zu grinsen und schließe kurz meine Augen, bevor ich mich löse und ihn ansehe. "Und jetzt sollten wir los. Ansonsten kommen wir hier nie weg und du musst dich wirklich ausruhen!" Mein Gesicht wird wieder streng. "Deswegen werde ich dich tragen!" entschlossen, ziehe ich ihn hinter mir her und gehe die ersten Stufen hinunter, bevor ich mich umdrehe. "Und jetzt rauf da!" befehle ich und Jeff sieht mich an, als hätte ich einen Vogel. "Du brichst dir alles, was du an Knochen hast! Ich bin viel zu schwer!" erwiedert er und schüttelt den Kopf, sodass seine Haare fliegen.

"Ich bin der Doktor von uns beiden! Also klappe halten und auf den Dok hören!" knurre ich nur und höre ein aufgebendes geseufze, ehe ich ein Gewicht auf meinem Rücken spüre, dass langsam aber sicher immer schwerer wird. "Geht's?" fragt Jeff besorgt und ich nicke. "Hopp! Ganz rauf!" stachele ich ihn noch an und schlussendlich schnappe ich mir seine Oberschenkel, ehe er seine Arme um meinen Hals gelegt hat. Meine linke Hand, mit der ich EJ den Blutpfannkuchen gemacht habe, brennt wie sau und meine Beine brennen jetzt schon. Aber ich schaffe das! Also gehe ich die Treppen hinunter, als wären sie nichts und trage ihn auch in mein Zimmer.

Another LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt