◇ Chapter 4 ◇

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"Darf ich noch ein paar Fragen stellen?" Marcus wirkte jetzt ehrlich interessiert und ich war froh, dass ich ihn mit meiner Geschichte nicht verschreckt hatte. Ich nickte. "Was ist das wöchentliche Programm, von dem du gesprochen hast? Ist es wirklich immer dasselbe?" Ich lachte und nickte wieder. "Ja, für jeden Wochentag gibt es ein bestimmtes Programm. Am Montag gibt es eine Stunde Chemotherapie. Am Dienstag und Mittwoch jeweils drei Stunden und am Donnerstag, also auch heute, vier Stunden. Freitags bekomme ich dann immer die Bestrahlung für meine Lunge. Am Wochenende ist es nicht immer dasselbe, aber meistens findet dann die Physiotherapie und irgendwelche Operationen statt. Deswegen wird mein Knie auch erst am Samstagmorgen operiert." "Wegen deinem Sturz gestern? Was ist denn eigentlich passiert und warum?" "Ich darf mein Bein eigentlich gar nicht belasten und weil ich das ganze Konzert über ja schon gestanden bin, war es nicht besonders stabil. Als du mich dann ein wenig am Ellenbogen gezogen hast, hat sich mein Knie irgendwie verdreht. Dabei habe ich mir das Kreuzband und den Innenmeniskus gerissen und das Innenband angerissen." Für einen Moment herrschte Schweigen, Marcus sah mich nur bedröppelt an. "Es ist nicht deine Schuld", sagte ich schließlich beschwichtigend, denn ich konnte von seinem Gesicht ablesen, dass er sich schreckliche Vorwürfe machte. "Es ist meine Schuld. Ich hätte in meinem Zustand gar nicht auf das Konzert gehen dürfen. Das Singen ist mir eigentlich auch verboten worden, wegen der Lunge. Gehen und Stehen darf ich erst recht nicht, eigentlich ist mir Bettruhe verordnet worden. Ich bin mir sicher, jedes gesunde Mädchen hätte das ausgehalten, was du mit mir gemacht hast." Marcus nickte, sah aber nicht besonders überzeugt aus. "Aber ist nicht eigentlich unüblich, dass man so lange am Stück im Krankenhaus bleibt? Vier Monate sind ja eine lange Zeit", wechselte er dann das Thema. "Ich weiß, normalerweise kann man immer ein paar Wochen nach Hause. Zuerst war ich auch alle paar Wochen bei meiner großen Schwester in meinem alten Heimatort, aber vor vier Monaten wollten sie und meine Eltern in den Urlaub irgendwo nach Südeuropa fliegen und naja, das Flugzeug hatte wohl einen Defekt und ist abgestürzt. Nachdem ich sonst keine Verwandten habe und die Ärzte nicht wussten wohin mit mir in der freien Zeit, haben sie beschlossen, einfach in der freien Zeit die Behandlung fortzusetzen, damit ich möglichst schnell gesund werde und dann ganz nach Hause kann." Marcus sah mich ernst an. "Und das macht dir nichts aus?" "Doch natürlich, aber ich hatte hier so viel Zeit, darüber nachzudenken, dass ich inzwischen wirklich über ihren Tod hinweg bin." "Und wann kommst du hier wieder raus? Die können dich ja nicht bis an dein Lebensende hierbehalten, nur weil du keine Familie hast." Ich zuckte die Schultern. "Ich weiß nicht genau, aber der Oberarzt hat letztens davon gesprochen, dass wir uns dem Ende nähern. Ich schätze, es wird noch ungefähr vier Wochen dauern."Das ist doch gut." Endlich lächelte er wieder. "Eine Frage habe ich aber noch: Warum hast du so schöne Haare?" Begeistert strich er über die lange, glatte Mähne, die schön über meine Schultern fiel. Und die leider nicht echt war. "Ich trage eine Perücke", erklärte ich seufzend. Die Perücke war zwar meinem Echthaar sehr ähnlich, aber irgendwie war es doch ganz anders und ich vermisste meine richtigen Haare.

"Darf ich dich auch noch was fragen?", brachte ich schließlich heraus. "Klar, nur zu." Er strahlte mich an und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass er mich nicht nur als eine von vielen M&Mmern betrachtete. "Warum bist du überhaupt hier und warum bist du allein?"

Heartbeat ~ Marcus and Martinus ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt