◇ Chapter 47 ◇

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Am nächsten Morgen half Gerd-Anne mir dabei, meine Perücke so weit zu kürzen, dass es morgen in der Schule niemandem auffallen würde, dass das nicht meine echten Haare waren. Eigentlich wollte ich nicht schon wieder Tag und Nacht diese bescheuerte Perücke tragen, aber ohne sie konnte ich mich nicht mal selbst ansehen und das wollte ich anderen erst recht nicht antun. 

"Oh Adri, du siehst echt fertig aus", stellte Alina mitleidig fest, als wir uns am Montagmorgen in der Schule sahen. "Ich weiß", seufzte ich. "Die Medikamente zerstören meinen Körper, ich kann nichts essen, schlafe nur noch und bin trotzdem ständig müde und außerdem verliere ich meine Haare", jammerte ich. 

"Ach komm." Alina nahm mich in den Arm, bevor ich wieder zu weinen begann. "Das wird schon wieder. Du wirst ganz schnell wieder ganz gesund und dann wachsen deine Haare auch wieder nach." Sie klang so optimistisch, dass ich es am liebsten geglaubt hätte.

"Weißt du", begann ich und jetzt rollten doch ein paar Tränen über meine Wangen. "Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Ich gehe kaputt und ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalte." "Sag sowas nicht." Alina wischte mir die Tränen weg. "Du schaffst das. Und du wirst nicht sterben! Letztes Mal nicht und dieses Mal auch nicht."

Ich sagte nichts mehr, denn sie wusste genauso gut wie ich, dass das keine Begründung war. Mit halbem Ohr lauschte ich dem Unterricht, nebenbei dachte ich nach. Was brachte es mir, in der Schule zu sitzen und unnötiges Zeug zu lernen, wenn ich in zwei Wochen vielleicht tot war? Außerdem fühlte ich mich nicht besonders gut, die Kopfschmerzen und der Schwindel waren immer noch Nachwirkungen der Medikamente. 

Als es endlich zur Pause klingelte, wollte ich gleich zu Tinus. Auf dem Weg dorthin musste Alina mich mehrmals stützen, da ich sonst gestürzt wäre, denn wenn sich wieder alles um mich herum drehte, verlor ich auch immer das Gleichgewicht.

"Wie geht's dir?", fragte Tinus und schlang einen Arm so um meine Taille, dass er mich notfalls halten konnte. "Nicht so gut", antwortete ich müde und schloss für einen Moment die Augen. "Ich möchte gerne nach Hause gehen."

Tinus fragte nicht weiter nach und brachte mich ins Sekretariat, wo eine nette Frau sich gleich bereit erklärte, uns beide gehen zu lassen. Sie rief Gerd-Anne an, die schon zehn Minuten später hier war, um uns abzuholen. 

Zuhause fiel ich nur noch ins Bett und schlief trotzdes extremen Schwindels nach ein paar Minuten ein. Geweckt wurde ich erst Mittags, als Mac nach Hause kam und Sturm klingelte. Ich schaffte es, ohne Hilfe nach unten zu gehen, auch wenn ich fast auf der Treppe gestürzt wäre.

"Habt ihr Lust, einen Filmenachmittag zu machen?", fragte Mac beim Mittagessen. Ich zuckte die Schultern und schob meinen Teller ein Stück von mir weg. Wie immer hatte ich kaum was gegessen, aber mir war einfach nicht danach. Ich war schon froh, dass ich überhaupt noch aufrecht hier sitzen konnte, ohne vom Stuhl zu fallen. 

"Von mir aus gern", antwortete jetzt Tinus. "Ich glaube bloß, wir brauchen was Actionreiches, damit Adri nicht gleich wieder einschläft." Tatsächlich fielen mir schon seit ein paar Minuten immer wieder die Augen zu und ich hatte Mühe, nicht gleich am Tisch einzuschlafen. Ich nickte.

Also schleppte ich mich nach dem Mittagessen ins Wohnzimmer und machte es mir auf der Couch gemütlich. Die Zwillinge diskutierten gerade, welchen Film wir zuerst anschauen sollten, als Kjell-Erik die beiden in die Küche rief. 

Kurz darauf kam Gerd-Anne zu mir und setzte sich. "Wie geht es dir?", fragte sie und ich bemerkte den besorgten Unterton in ihrer Stimme. "Hm", machte ich, schaffte es aber im Moment nicht, meine Augen zu öffnen und sie anzusehen.

"Ich mache mir gerade wirklich Sorgen um dich. Ich weiß genau, dass es dir gar nicht gut geht. Sollten wir vielleicht zum Arzt?" Ich schüttelte den Kopf. Was würde der schon tun? Mir andere Medikamente mit anderen Nebenwirkungen geben? Tolle Lösung! "Das geht schon." 

Gerd-Anne seufzte. "Na gut. Ich muss mit Kjell für ein paar Stunden weg, versprich mir, dass du es den Jungs sagst, wenn es dir schlechter geht. Dann sollen sie zusehen, dass du zu einem Arzt kommst." Ich nickte. "Ist gut." "Okay." Gerd-Anne drückte meine Hand. "Dann bis später."

Als Mac und Tinus zurückkamen, hatten sie sich auf einen Film geeinigt. Er war wirklich actionreich und ich schlief auch nicht ein. Nur fast. Als der Film vorbei war und Mac einen anderen Film anschaltete, stand ich mühsam auf, um mir etwas zu trinken zu holen. 

Dabei wurde mir schon wieder ganz komisch, deshalb ging ich schnell zurück und kuschelte mich neben Tinus aufs Sofa. Mein Hals juckte plötzlich wie verrückt und ich musste husten, doch das Trinken half nicht dagegen. "Alles in Ordnung?", fragte Tinus besorgt und klopfte mir auf den Rücken.

Ich nickte, auch wenn ich meinte, jeden Moment umzukippen. Der Husten wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer und zu allem Überfluss begann auch noch meine Nase heftig zu bluten.

"Adri!", schrie Tinus auf. Alles, was er danach sagte, verschwamm in meinen Ohren zu einem seltsamen Gemisch aus Tönen, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich hörte gar nichts mehr.

Heartbeat ~ Marcus and Martinus ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt