Als ich am nächsten Morgen von Tinus' Wecker geweckt wurde, war ich völlig fertig, als ob ich überhaupt nicht geschlafen hätte. Ich war noch mehrmals in der Nacht durch die Schmerzen aufgewacht, aber so schlimm war es nicht mehr geworden. Jetzt war es besser, die Schmerzen waren fast verschwunden.
Verschlafen machte ich den Gips und die Schiene wieder dran, was nicht unbedingt ein angenehmes Gefühl war. Es drückte furchtbar. Aber das half wohl nichts, ohne das Zeug durfte ich ja nicht herumlaufen.
Vorsichtig stand ich auf und versuchte, mit Tinus' Hilfe nach unten zu gehen, wo noch meine Krücken lagen, doch kaum versuchte ich, den linken Fuß zu belasten, gab das Knie unter mir nach und Tinus konnte mich gerade noch festhalten. "Au", brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Warte ich trag dich runter." Er nahm mich hoch, als ob ich federleicht wäre.
Unten setzte er mich auf dem Sofa ab und sagte Gerd-Anne Bescheid. Währenddessen nahm ich den Gips und die Schiene wieder ab, weil ich den Druck und die Schmerzen nicht mehr aushielt und nicht wollte, dass es noch einmal so ausartete wie in der Nacht.
Gerd-Anne betrachtete mein Bein noch einmal ganz genau, konnte aber immer noch nichts Außergewöhnliches entdecken. "Weißt du was, es ist mir egal, was Dr. Johansen sagt", beschloss sie dann. "Du wirst doch wohl einmal ohne das in die Schule gehen können, wenn dir das weniger Schmerzen bereitet. Heute Nachmittag müssen wir sowieso zu ihm, da kann er sich dann was besseres überlegen." Das war doch mal ein guter Vorschlag.
So konnte ich natürlich nicht mit dem Schulbus fahren, viel zu groß war die Gefahr, dass mich jemand anrempelte und ich mir wieder das Knie verdrehte. Oder noch Schlimmeres passierte.
"Hey, du trägst ja deine Schiene gar nicht. Bist du jetzt wieder gesund?", fragte Nele, als ich es endlich auf meinen Platz im Klassenzimmer geschafft hatte. Es war ganz seltsam, so zu laufen und ich traute mich auch nicht so recht, mein Bein zu belasten. Sie tippte mir ans Knie. "Bitte nicht berühren." Ich brachte ein gequältes Lächeln zustande. "Und nein, ich bin nicht gesund. Die Schiene trag ich nur ausnahmsweise nicht, weil es so wehtut."
"Also kannst du heute in Sport doch nicht mitmachen? Dabei habe ich fest mit dir gerechnet!", rief Alina mit einem Augenzwinkern. Ich seufzte. "Das wird leider noch eine ganze Weile dauern, bis ich wieder Sport machen kann."
Zeitsprung》 Nachmittag
"Das ist ungünstig." Dr. Johansen rieb sich das Kinn, nachdem ich ihm die Geschichte von gestern Nacht erzählt hatte. Was? Mehr hatte er dazu nicht zu sagen? Sein Ernst? "Und jetzt?", fragte ich etwas hilflos, weil er von selbst auch nicht weitersprach. "Naja jetzt werden wir zuerst mal die ganzen Untersuchungen durchführen, die sowieso dran wären. Vielleicht kann man da ja was sehen. Ansonsten müssen wir uns eben was überlegen."
Achso. Er hatte also auch keine Ahnung.
Innerhalb der nächsten zwei Stunden wurde alles gemacht, was ich schon kannte. Unzählige Nale hatte ich sie während der Chemotheraphie über mich ergehen lassen müssen. Röntgen, Blutabnahme, irgendein Lungentest und zum Schluss MRT. "Wenn irgendwas ist, einfach auf den Knopf drücken." Die Schwester setzte mir diese Kopfhörer auf und verließ den MRT-Raum. Ich betrachtete den Knopf in meiner Hand. Keine Ahnung, wie oft ich davon schon Gebrauch gemacht hatte, aber wir hatten bis jetzt fast nie ein MRT zuende gebracht, weil ich in dieser engen Röhre einfach Panik bekam. Besonders in Kombination mit den ganzen Medikamenten.
Heute war allerdings ein guter Tag. Ich schloss die Augen und konnte den Lärm um mich herum komplett ausblenden. Vielmehr beschäftigte mich die Frage, die mir schon den ganzen Tag im Kopf herumgeisterte. Was hat Tinus gestern Nacht mit seinem 'Ich hab dich lieb' gemeint? Sah er mich als seine (Adoptiv-) Schwester oder war da mehr, war er in mich verliebt? Wie es Lara schon im Krankenhaus vermutet hatte? Ich wusste selbst nicht so richtig, ob und welche Gefühle ich für ihn hatte. Eins stand auf jeden Fall fest: Unsere Beziehung war ganz anders als die zwischen Mac und mir. Mac war für mich wirklich wie ein Bruder und ich hatte ihn auch sehr sehr gern. Aber eben anders als Tinus. Und Tinus war wirklich schon wahnsinnig süß zu mir. Er schien sich richtig gefreut zu haben, dass ich jetzt bei ihm schlief und er war auch immer sofort da, wenn ich Hilfe brauchte, half mir wo er konnte. Er mochte mich, keine Frage, und ich mochte ihn auch.
"So, du bist erlöst." Die Schwester befreite mich von den Kopfhörern und dem Plastikteil, in dem mein Bein gesteckt hatte und schickte mich dann zu Gerd-Anne in den Warteraum, wo wir noch mal eine ganze lange Stunde warten mussten, bis Dr. Johansen so weit war, um die Ergebnisse zu besprechen.
Aber war ich in Tinus verliebt?, gingen meine Gedanken sofort weiter, kaum dass ich neben Gerd-Anne Platz genommen hatte.
JA.
NEIN.
VIELLEICHT.
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Heartbeat ~ Marcus and Martinus ff
FanfictionABGESCHLOSSEN Heartbeat- das ist alles, was in Andrianas Leben noch zählt. Trotzdem geht sie auf das Konzert von Marcus& Martinus, um ihre Lieblingssänger endlich persönlich zu treffen. Doch damit setzt sie alles aufs Spiel...