𝕋𝕨𝕠

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"Ich weiß langsam wirklich nicht mehr weiter", beklagte ich mich offen heraus und legte seufzend meinen Kopf auf meinen Armen ab. Es war der nächste Morgen, Jeongin lag noch in meinem Bett und schlief. Nachdem er mich gestern von sich gedrückt hatte, hatten wir noch einen Film angesehen und waren danach schlafen gegangen. Gekuschelt hatten wir während dem Filmeschauen nicht, wir lagen nur nebeneinander und hatten auch kein Wort miteinander gewechselt. Später im Bett war es ein wenig anders. Ich hatte einen Arm um ihn legen dürfen und er hatte mir seinen Rücken zugedreht. Aber wenigstens war es in Richtung Kuscheln gegangen. Wenn man es so überhaupt nennen konnte.

"Du bist zu ungeduldig, Chan. Ihr seid erst seit knapp zwei Monaten zusammen, du erwartest einfach zu viel von ihm", erwiderte Jisung, der sich mit mir zusammen in der Küche befand. Er bereitete gerade Spiegeleier mit Speck zu, eine ausländische Tradition, die meine Mutter ihm beigebracht hatte. Wir stammten aus Australien und waren vor zwei Jahren nach Südkorea gezogen, weil meine Mutter sich in Jisungs Vater verliebt hatte. Dementsprechend waren wir nur Stiefbrüder, jedoch verstanden wir uns ziemlich gut und da Jisung schon seit Jahren Jeongins bester Freund war, war er gleichzeitig auch mein persönlicher Ratgeber, wenn ich in meiner Beziehung Tipps brauchte.

"Es geht mir nicht darum, Sex zu haben", widersprach ich ihm sofort. Schon öfters hatten wir beide dieses Gespräch geführt, da auch Jisung keine Probleme hatte, über das Thema Sex zu reden. Dadurch wusste er auch alles über mein und Jeongins (nicht vorhandenes) Sexleben und versuchte den Jüngeren immer in Schutz zu nehmen. Allerdings wussten wir beide, wieso mir das so sehr am Herzen lag und ich betonte es jedes Mal aufs Neue. Selbst Jeongin wusste es, aber trotzdem ließ er es einfach nicht zu. Und leider war Jisung, was Sex anging, leider eine totale Niete. Er selbst hatte zwar sein erstes Mal längst mit seiner festen Freundin zusammen verloren, doch da die beiden sich inzwischen getrennt hatten und ich den Verdacht hegte, dass er sich mehr für das männliche Geschlecht interessierte, hatte er leider nicht so viel Erfahrung in diesem Thema.

"Ich will, dass Jeongin endlich aufhört, mich von sich zu stoßen. Ich will ihm helfen, seinen Selbsthass zu überwinden und ich möchte ihm zeigen, dass er so, wie er ist, perfekt ist. Es ist schrecklich für mich, mitansehen zu müssen, wie sehr er an sich zweifelt, und die Frage, wieso ich mit ihm zusammen bin, weil er nicht gut genug ist, lässt mein Herz zerbrechen", erklärte ich seufzend und schloss für einen Moment meine Augen. Vor meinem inneren Auge spielte sich das gestrige Geschehen wieder ab und wie sehr er sich gegen meine Zärtlichkeiten gewährt hatte. Und wieder stach mein Herz schmerzhaft, weshalb ich wieder meine Augen öffnete und zu Jisung schaute, der mich mitleidig musterte.

"Alles, was du tun kannst, ist Verständnis dafür aufzubringen. Ich verstehe dich ja und weiß, dass du es nur gut meinst, aber er hatte es noch nie leicht in seinem Leben. Deine Liebe überfordert ihn immer noch, er ist so viel Sorge außer von mir einfach nicht gewohnt. Erinner dich doch mal daran, wie geschockt er war, als du ihm deine Liebe gestanden hast. Er hat zwar ewig für dich geschwärmt, aber hat immer fest daran geglaubt, dass du es niemals erwidern würdest. So schwer es dir auch fällt, er braucht diese Zeit einfach. Wenn du ihn drängst, wird das nichts", seufzte er und drehte sich nun wieder zu den Spiegeleiern. Er stützte sich leicht auf der Küchenzeile ab und schob sein Becken etwas heraus, während er eine seiner blauen Haarsträhnen aus seinem Gesicht strich. Aktuell schien er in einer Rebellen- oder Selbstfindungsphase zu sein, doch mich störte es nicht. Ihm hatten bisher alle Haarfarben gestanden und da ich sein älterer Bruder war, suchte er stets Rat und auch Schutz bei mir, was wirklich niedlich war.

"Das weiß ich doch. Aber es ist einfach-", wollte ich gerade wieder ansetzen, als ich auf einmal das Knarzen unserer Holztreppe vernahm, das mir verriet, dass wohl jemand gerade herunterkam. Augenblicklich verstummte ich und schaute zur Tür, in der ein verschlafen dreinblickender Jeongin auftauchte, der einmal gähnte und über seine Augen rieb. Sogleich huschte mein Blick zu Jisung, der mir einen vielsagenden Blick zuwarf, meinen Freund mit einem gut gelaunten "Guten Morgen, Innie~" begrüßte und sich dann wieder ganz dem fast fertigen Essen widmete.

"Morgen", nuschelte er leise und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Sofort zauberte mir sein Anblick ein Lächeln auf die Lippen und ich richtete mich von dem Tisch auf, sodass ich auf meinen Schoß klopfen und darauf warten konnte, dass er sich setzte. Das tat er auch und lehnte sich direkt an mich, während er die Ärmel meines ihm zu großen Pullovers über seine Hände zog.

"Hast du gut geschlafen, mein Kleiner?", wollte ich von ihm wissen und gab ihm einen sanften Kuss in seinen Nacken. Leise quietschend zog er deswegen seinen Kopf ein und kicherte leise, ich hingegen schlang grinsend meine Arme fest um seinen schmächtigen Körper. Tief atmete ich seinen angenehmen Duft ein, inhalierte ihn förmlich und schloss meine Augen. Gott, wie sehr ich diesen Jungen doch liebte.

"Ja, Chanie-Hyung, das habe ich. Ich schlafe immer gut bei dir.~"

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Colorless Rainbow ★ JeongchanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt