Als ich die Schule endlich erreichte, waren viele Schüler gerade dabei, das große Gebäude zu betreten. Ich schloss mich ihnen an und machte mich sogleich auf den Weg zu Jisungs Klassenzimmer, in der Hoffnung, irgendwo die beiden aufzufinden. Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis ich ein leises Schluchzen aus einer Abstellkammer vernahm und stehen blieb. Ich lauschte diesen traurigen Tönen und biss mir leicht auf die Lippe, weil ich sie erkannte.
Das waren Jeongins Schluchzer.
"Es tut mir so schrecklich leid, Jeonginie...", hörte ich Jisung direkt sagen, als ich den kleinen Raum betrat. Der Druck auf meiner Unterlippe wurde stärker und vorsichtig trat ich näher an die beiden auf dem Boden kauernden Jungs heran. Mein Herz zerbrach bei diesem Anblick und zum ersten Mal seit Wochen spürte ich wieder eine starke Emotion - Schmerz. Mentaler Schmerz, weil die Person, die ich eigentlich liebte, herzzerreißend weinte. Und das meinetwegen.
"M-Mein Vater hasst mich...", schluchzte Jeongin laut auf und ignorierte voll und ganz Jisungs verzweifelten Versuche, ihn zu beruhigen. Diesem war anzusehen, wie schrecklich er sich fühlte und er nahm seinen besten Freund mehr in den Arm, wohl wissend, dass dieser es höchstens unterbewusst bemerkte. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob er sauer auf Jisung war oder diese abweisende Reaktion von der Situation mit seinem Vater kam. Aber ich wusste, dass er Jisung niemals hassen könnte.
Niemand konnte das, egal, was für Fehler er manchmal machte.
"Nein, Jeonginie, er hasst dich ganz bestimmt nicht. Hörst du? Es wird alles gut werden, versprochen", redete Jisung auf Jeongin ein und wog ihn sanft in seinen Armen, doch wieder wehrte er sich dagegen. "Nein! Nichts wird gut! I-Ich kann nicht mehr nachhause... M-Mein Vater wird mich bestrafen... U-Und Chan wird mich ganz bestimmt verlassen u-und mich auch anfangen zu hassen... nichts wird wieder gut!", widersprach er ihm lautstark und stieß Jisung von sich. Dieser hatte nicht damit gerechnet, wodurch er das Gleichgewicht verlor und perplex zurück auf den Boden fiel. Jeongin hingegen schlang seine Arme fest um seine Beine und weinte noch stärker, weshalb ich mich dazu entschied, einzuschreiten.
Er brauchte mich.
"Es tut mir so leid, Jeongin... Hyunjin meinte... er meinte doch, alles sei gut... dass Hyuna deinem Vater seine dumme Meinung ausreden konnte...", sagte Jisung nun leise, sprach mit so viel Schuld und Reue in der Stimme, dass sich mein Herz stark zusammenzog. Und gleichzeitig verstand ich endlich, warum Hyunjin und Jisung miteinander gesprochen hatten... dieses kleine Arschloch hatte meinen Bruder also dazu angestiftet, ihn bei seinem Vater zu verpetzen. Das würde er bereuen. Das würde er sowas von bereuen. Wieso zur Hölle hasste er Jeongin nur so sehr?
"Schon gut, Jisung. Es lässt sich sowieso nicht mehr rückgängig machen", schaltete ich mich nun ein. Ich ließ meine Stimme ruhig klingen und legte eine Hand auf seine Schulter. Dadurch hob er sofort seinen Kopf und schaute mich aus glasigen Augen traurig an. Sanft gab ich ihm einen Kuss auf die Stirn und zog ihn dann auf die Beine, ehe ich durch seine Haare wuschelte und ihm mit einem Kopfnicken andeutete, dass er schon einmal in den Unterricht gehen sollte. "Ich kümmere mich um ihn", versprach ich ihm und nach einem kurzen Zögern befolgte er meiner Aufforderung, war sich bewusst, dass Jeongin nicht allzu gut auf ihn zu sprechen war.
"Sag ihm, dass es mir leid tut", bat er mich noch ein letztes Mal, bevor - nach einem Nicken meinerseits - endlich die Abstellkammer verließ. Ich hingegen ging zu Jeongin und setzte mich neben ihn, zog ihn fest in meine Arme und ließ nicht zu, dass er sich mir entwand. Es war meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es ihm besser ging. Also würde ich das auch tun. Ich wollte ihm nicht beim Leiden zuschauen. Das würde ich selbst nicht überleben.
"Jeonginie... ich bin es, Chan. Dein Freund, der dich liebt und der niemals damit aufhören wird", redete ich mit warmer, liebevoller Stimme auf ihn ein. Aber das brachte Jeongin dazu, noch viel lauter zu weinen und wieder drückte er mich von sich, was ich wieder nicht erlaubte. "Ich hasse dich nicht und dein Vater tut es auch nicht. Er ist immer noch dein Vater, Jeongin. Er hat immer versucht, sich gut um dich zu kümmern und ja, auch wenn er bei diesem Thema absolut falsch reagiert, könnte er dich niemals hassen. Das wissen wir beide, mein Kleiner", fuhr ich fort und fing an, ihn in meinen Armen zu wiegen. Schon immer war ich im Trösten besser gewesen als Jisung, deswegen hörte Jeongin nach kurzer Zeit tatsächlich auf, sich gegen mich zu wehren.
Er wusste, dass ich nicht locker lassen würde.
"A-Aber ich bin eine Schande... ei-eine Enttäuschung...", widersprach er mir schwach und krallte sich nun fest in mein Oberteil. Sein Schluchzen verebte langsam, jedoch bebte sein Körper noch immer stark. Fest hielt ich ihn in meinen Armen und fing zärtlich an, sein Gesicht zu küssen, sowie die Tränen vorsichtig wegzustreichen. Trotz meiner aktuellen Emotionslosigkeit bemühte ich mich, ihm so viel Liebe wie möglich zu zeigen und ihm zu beweisen, dass seine Worte Lügen waren.
"Du weißt, dass das nicht stimmt, Jeonginie. Du bist wundervoll. Und ich liebe dich. Ich liebe dich von ganzem Herzen und es zerbricht mir das Herz, dich weinen zu sehen", meinte ich zu ihm und strich beruhigend durch seine Haare. "E-Es tut mir leid", erwiderte Jeongin mit zitternder Stimme und presste sich mehr an mich, suchte Schutz und Geborgenheit bei mir. Und die würde er auch bekommen.
"Entschuldige dich nicht, mein Baby. Es ist alles in Ordnung, ja? Die dunklen Nebelschleier werden verschwinden und bis dahin bleibst du bei mir und Jisung. Du bist keine Enttäuschung und du hast auch nichts falsch gemacht. Ja, es ist alles gerade schwer für dich, aber wir werden das schaffen. Zusammen. Das verspreche ich dir. Ich werde dich nicht im Stich lassen." Mit jedem Wort wurde meine Stimme fester, überzeugender und sicherer. Dennoch hielt ich nicht die Liebe, die ich ihm gegenüber empfand, zurück und küsste nun einmal kurz seine Lippen. Dadurch hörte Jeongin gänzlich auf zu weinen und sah mich aus großen, verdächtig glänzenden Augen noch etwas misstrauisch an. Aber dann blitzte etwas in seinem Blick auf, das ich schon lange nicht mehr gesehen und mir umso mehr ersehnt hatte:
Vertrauen.
"O-Okay, Hyung... ich vertraue dir... u-und ich liebe dich auch..."
ღ-›❀‹-ღ
🖤🖤🖤🖤💜
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Erwartet am Mittwoch-Abend eine kleine Lesenacht bis vorraussichtlich Kapitel 30. Ich muss meine aktuelle Motivation und die Freizeit, die ich die nächsten Tage habe, ausnutzen. :3
The pain ist going over and the love is coming back. Slowly, but it does.
~Cookie
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Colorless Rainbow ★ Jeongchan
Fanfiction»Seine Liebe ist die Farbpalette, die meine Welt kunterbunt gezaubert hat. Doch aufgrund seines Misstrauens sind diese Farben dabei, langsam wieder zu verblassen und meine Welt ergraut erneut. Dabei will ich ihn doch einfach nur glücklich machen...«...