𝕋𝕨𝕖𝕟𝕥𝕪-𝕊𝕖𝕧𝕖𝕟

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Seit Jeongins Vater von der Sexualität seines Sohnes Bescheid wusste, lebte dieser bei uns. Er schleppte sich zwar noch gemeinsam mit uns zur Schule, jedoch ging er jedes Mal, kaum waren wir daheim wieder angekommen, in Jisungs Zimmer. Mein Bruder wich mir jedes Mal, wenn ich versuchte, über Jeongin zu sprechen, aus und somit hatte ich keine andere Wahl, als allein in meinem Haus zu sitzen, in dem sich auch mein Freund befand. Ohne dass ich Kontakt zu ihm hatte. Und ohne dass er mich beachtete.

Mein Leben war ja so grandios.

Doch auf einmal klingelte es an der Tür und verwirrt stand ich auf, um nachzuschauen, wer zu Besuch gekommen war. Meine Eltern würden erst heute Abend zurückkommen, da sie arbeiten gingen und weil ich weder von Jisung, noch von Jeongin erwarten konnte, dass sie die Tür öffnen würden, machte ich die Tür auf. "Minho?", fragte ich verwundert und musterte den blonden Jungen, der vor der Tür stand. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er zu Besuch kommen würde, immerhin hatte Jisung keine Zeit für ihn. Also, wieso war er hier?

"Hey... Jisung antwortet nicht auf meine Nachrichten, darum hab ich mir gedacht, dass ich vorbei komme und nach ihm sehe", erklärte er mir und spickte dann an mir vorbei, hielt wohl nach meinem Bruder Ausschau. Aber diesen würde er nicht finden. Immerhin war er mit Jeongin in seinem Zimmer.

"Jeongin ist zu Besuch und die beiden verlassen das Zimmer nicht", erzählte ich ihm und sah ihn entschuldigend an. Daraufhin blies Minho die Wangen auf, ließ sich aber nicht abschütteln und schlüpfte an mir vorbei. "Dann warte ich eben solange auf ihn, bis er aus seinem Zimmer herauskommt", meinte er überzeugt von seinem Plan, schlüpfte aus seinen Schuhen und setzte sich aufs Sofa.

Oh großer Gott, durfte ich ihn jetzt etwa beschäftigen, bis Jisung irgendwann seinen Arsch hier herunter bewegen würde?

-

Wie ich vermutet hatte, lag es an mir, ein Auge auf Minho zu werfen und ihn irgendwie zu beschäftigen. Der Jüngere spielte mit seinen Fingern und zog immer wieder sein Handy hervor, um darauf herumzutippen. Ich hingegen saß schweigend neben ihm. Wir redeten nicht miteinander und die Stille war irgendwie unangenehm, allerdings fiel mir auch kein Gesprächsthema ein. Worüber sollte ich mit Minho denn auch reden? Ich kannte ihn kaum, nur aus den Erzählungen meines Bruders. Und die waren leider immer relativ mager gewesen.

"Wieso verbringt Jisung Zeit mit Jeongin? Ich dachte, er wäre dein fester Freund?", durchbrach Minho irgendwann - Gott sei Dank - die Stille und schaute neugierig zu mir. Sein Handy legte er beiseite und so betrachtete er mich, fragend glänzten seine Augen. Dadurch entwich mir ein leises Seufzen und ich kratzte mich am Hinterkopf, wusste nicht ganz, was ich sagen sollte. Wie sollte ich das auch erklären? Dass Jeongin mir nicht mehr vertraute und offenbar nichts mehr mit mir zu tun haben wollte? Würde ich es nicht am eigenen Leibe erfahren, würde ich es doch auch nicht glauben.

"Unsere Beziehung ist gerade... schwierig", meinte ich etwas unsicher und fuhr mir durch meine blonden Haare. Minho zog seine Stirn kraus und sein Blick wurde fragender, er schien nicht ganz zu verstehen, worauf ich hinaus wollte. Das war mir klar gewesen.

"Wie meinst du das?", wollte er wissen und rutschte etwas näher zu mir. Deswegen musste ich nun leicht auf meine Unterlippe beißen und drehte meinen Kopf weg, doch irgendetwas in mir sagte mir, dass es mir gut tun würde, darüber zu reden. Vielleicht würde mir dann eine Last vom Herzen fallen.

"Stell dir... unsere Beziehung wie einen Regenbogen vor, ja?

Bevor ich mit Jeongin zusammen kam, war meine Welt grau und regnerisch. Ich kannte kein wirkliches Licht in meinem Leben und habe in den Schatten gelebt, andauernd Fröhlichkeit vorgegeben, aber wirklich glücklich war ich nie. Doch als ich vor zwei Jahren hierher gezogen bin, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Licht gesehen. Und das durch Jeongin. Er war derjenige, der meine Welt zum Leuchten gebracht hat.

Schnell habe ich Interesse an ihm gefunden und auch Jeongin hat von dem ersten Augenblick von mir geschwärmt. Dennoch ist einige Zeit vergangen, bevor wir überhaupt daran gedacht haben, eine Beziehung zu führen. Zu Beginn beispielsweise habe ich mitbekommen müssen, dass sein Vater manchmal ihm gegenüber gewalttätig wird und nur kurz darauf, an seinem Geburtstag, ist seine Mutter verstorben. Das war der Moment, in dem Jeongin zerbrochen ist und unsere Nähe zueinander verschwand.

Nur langsam konnten wir das wieder aufbauen und jedes Mal, wenn ich in seiner Nähe war, habe ich versucht, ihn zum Lächeln zu bringen. Und das mit Erfolg. Er hat meine Welt mit Farben gefüllt, er hat das Graue verschwinden lassen und stattdessen Licht hinterlassen. Er hat auf den Wassertropfen, die mein Leben berieselt haben, einen Regenbogen gemalt und mir gezeigt, wie es ist, glücklich zu sein.

Und eines Tages, da kamen wir zusammen. Ich habe mich getraut, ihm meine Gefühle zu gestehen und mit Freuden ist er darauf eingegangen. Ich war der glücklichste Mensch des Universums und seither habe ich die schönste Zeit meines Lebens erleben dürfen, jeden Tag aufs Neue gab es einen Grund für mich, mit einem Lächeln auf den Lippen aufzustehen. Doch je näher ich ihm kommen wollte, desto weiter hat sich Jeongin von mir entfernt. Ich darf seine Haut nicht berühren und nicht dabei zusehen, wie er sich umzieht. Ich darf nicht mit ihm Duschen gehen, von Sex ganz zu schweigen. Wir sind bereits seit über einem Jahr zusammen und haben vor zwei Monaten erst fröhlich unser Einjähriges gefeiert. Doch danach ist alles bergab gegangen.

Tag für Tag sind die Farben des Regenbogens unserer Beziehung mehr und mehr verblasst. Das Vertrauen, das Glück, die Traurigkeit, die Freude und die Liebe... all diese Elemente, die unsere Beziehung hätten stärken sollen, sie sind alle verblasst und verschwunden. Sie sind verloren gegangen und ich habe das Gefühl, sie werden niemals wieder zurückkehren...

Und auch wenn ich Jeongin nach wie vor liebe, habe ich Angst, dass wir schon bald keine Beziehung mehr führen werden... einfach nur deswegen, weil so viele schlimme Dinge nacheinander geschehen sind, die uns förmlich auseinander gerissen haben. Von kaum etwas weiß ich Bescheid, weil Jeongin nicht wirklich mit mir redet und ich... ich bin einfach am Ende meiner Kräfte. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll...

Soll ich Jeongin etwa gehen lassen? Ist es das, was er will? Hält er deshalb Abstand zu mir? Wird er... erst dann endlich wieder glücklich werden?"

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Colorless Rainbow ★ JeongchanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt