Leise seufzte ich, als ich mein Klassenzimmer verließ und mich endlich auf die Suche nach Jeongin machen konnte. Ich hatte ihn den ganzen Tag über noch nicht gesehen, da seine ersten beiden Stunden entfallen waren und er erst zur dritten kommen würde. Somit hatte ich ihn nicht morgens abholen können, was mich ehrlich gesagt besorgte, da auch Jisung nicht mit ihm gemeinsam kommen würde. Mein kleiner Bruder hatte aufgrund ihrer freien Stunde heute bei Minho übernachtet, der - zu Jisungs Glück - ebenso Entfall gehabt hatte, worauf ich etwas neidisch war. Jedoch konnte ich nichts daran ändern, mein Glück beschränkte sich auf Jeongin und darum suchte ich diesen nun auch, wollte ihn wieder umarmen und küssen.
Das hatte ich zu lange nicht getan.
Besonders, weil Jeongin in den letzten zwei Tagen etwas kühler geworden war. Seit das zwischen seinem Vater und Hyuna am Essenstisch vorgefallen war, war er schweigsamer geworden. Noch wusste ich nicht den Grund dafür, ich schätzte einfach, dass es damit zu tun hatte, dass er wieder mehr mit diesem Thema zwischen sich und seinem Vater konfrontiert worden war. Dennoch machte ich mir Sorgen um ihn und wollte ihn umso schneller finden, sodass ich ihn mit meiner Liebe überschütten konnte und ihm zeigen, wie sehr ich ihn brauchte.
Aber als ich am Haupteingang ankam, traf ich auf eine kleine Ansammlung starrender Schüler, die alle nur zu einem Punkt schauten. Irritiert drückte ich mich an ihnen vorbei, da sie die Tür blockierten und leise miteinander flüsterten, bis ich schockiert erblickte, was wohl das Gesprächsthema war, das alle so still werden ließ.
Jeongin.
Mein Freund lief mit gesenktem Kopf über den Schulhof und krallte seine Finger fest in die Riemen seiner Schultasche. Schon vor hier konnte ich seine rot angemalten Lippen erkennen, auf die er sich biss und dass seine Wangenknochen einen glitzernden Schimmer angenommen hatten, obwohl er nie zuvor Make-Up benutzt hatte oder je benutzen hatte wollen. Sein schmächtiger Oberkörper steckte in einem bauchfreien, pinken T-Shirt, dessen Ärmel zwar fast bis zu seinem Ellenbogen reichten, aber freie Sicht auf seinen dünnen, untrainierten Bauch gaben. Dazu trug er eine sehr kurze, dunkelblaue Mädchenhose, unter der sich eine schwarze Löcherstrumpfhose befand.
Meine Augen waren aufgerissen, während ich ihn mit meinem Blick musterte und ich wusste wirklich nicht, was ich dazu sagen sollte. Jeongin so zu sehen, vor allem ihm anzusehen, wie unwohl er sich dabei fühlte, brach mir das Herz, aber dennoch standen ihm die Sachen erschreckend ausgezeichnet, weshalb ich zugeben musste, dass mir dieser Anblick irgendwie gefiel. Doch dann schüttelte ich schnell meinen Kopf, schnauzte die anderen Schüler an, dass sie gefälligst hineingehen und das vergessen sollten und lief mit schnellen Schritten auf Jeongin zu.
Mein Freund zuckte zusammen, als ich ihn erreichte und meine Arme um ihn schlang, jedoch ließ er widerstandslos zu, dass ich ihn mit mir nach drinnen zu meinem Spind zog. Dort befanden sich meine Sportsachen, die ich meinem Freund statt diesen kurzen Dingen geben können würde - ich sollte hierbei erwähnen, dass Jeongin sich manchmal sogar weigerte, T-Shirts zu tragen, da er sich nur in langen Klamotten wohl fühlte -, sodass er zumindest nicht in Tränen wegen der Freizügigkeit ausbrach.
Ich unterließ es, Jeongin zu fragen, aus welchem verdammten Grund er sich zum Crossdressing überreden hatte lassen, da ich genau wusste, dass er so etwas niemals freiwillig tun würde. Doch offensichtlich beantwortete sich meine Frage von selbst, als wir durch die Haupttür traten und zu den Spinden laufen wollten, da sich mir ein Schüler, den ich bereits einmal gesehen hatte, mit verschränkten Armen in den Weg stellte.
"Pfoten weg von dem Püppchen", knurrte er mich leicht an und wollte mich augenscheinlich damit bedrohen, doch ich verzog keine Miene. Stattdessen ließ ich Jeongin los und schob ihn hinter mich, damit ich mich vor diesem Idioten aufbauen konnte, der tatsächlich zu glauben schien, mir mein Baby wegnehmen zu können. Dieser Spitzname, den er ihm gegeben hatte, war einfach nur ekelhaft und ich war schon jetzt kurz davor, ihm einfach eine reinzuwürgen. Erst jetzt bemerkte ich, dass das der Typ von letztens war, der von Jeongin einen Kuss gewollt hatte. Woher kannte er ihn, verdammt?!
"Wag es noch einmal, meinen Freund so zu nennen oder auch nur falsch anzuschauen und ich werde dir zeigen, was ich mit solchen Idioten wie dir mache", schnauzte ich ihn an, ballte meine Hände zu Fäusten und verachtete seinen Blick, den er meinem geliebten Jungen zuwarf. Er hatte nicht das Recht dazu, ihn so zu sehen und mich beschlich das Gefühl, dass Jeongin nur seinetwegen so gekleidet war. Gleichzeitig versetzte mir diese Tatsache jedoch auch einen Stich. Warum hatte Jeongin mir nichts gesagt und mich auch nicht um Hilfe gebeten?
"Ach ja? So wie letztes Mal, als du wegen deinem kleinen Freund es nicht einmal gewagt hast, mich anzufassen? Gib doch zu, dass es dir auch gefällt. Die Beule ist nicht so übersehen, mein Freund", grinste der Junge mir gegenüber und machte einen Schritt auf mich zu. Provozierend hob er seine Hand an und tippte mir auf die Brust, offenbar wollte er noch mehr sagen, aber mir reichte es. Ich hatte genug von dieser Nummer, ich wollte nur noch meinen Freund beschützen und diesen Vollidioten loswerden.
"Ich zeige dir gleich, was mir gefällt."
Und mit diesen Worten ging ich einfach auf den Kerl los, schlug ihn zusammen und trat auf ihn ein. Mir war vollkommen egal, was Jeongin sagte, mir war egal, wie unbeholfen und ängstlich er neben mir stand und nicht wusste, was er tun sollte. Mir war egal, dass der Typ recht hatte und ich tatsächlich von Jeongins Anblick erregt wurde, was dieser inzwischen wahrscheinlich auch bemerkt hatte. Mir war sogar egal, dass ein Lehrer mich erwischen könnte und ich daraufhin wirklich Ärger bekommen. Ich wollte einfach nur meinen Freund rächen und verhindern, dass dieser je wieder von diesem Ekelpaket belästigt werden würde. Er sollte bereuen, es auch nur bei Jeongin versucht zu haben.
Niemand tat meinem Jeongin so etwas an. Nicht, ohne dafür bestraft zu werden.
ღ-›❀‹-ღ
❤️🖤💚💙💜
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Colorless Rainbow ★ Jeongchan
Fanfiction»Seine Liebe ist die Farbpalette, die meine Welt kunterbunt gezaubert hat. Doch aufgrund seines Misstrauens sind diese Farben dabei, langsam wieder zu verblassen und meine Welt ergraut erneut. Dabei will ich ihn doch einfach nur glücklich machen...«...