You dont know me
"Grace, schön das du da bist" begrüßte mich Anja, meine alte Betreuerin, des Kinderheims. "Hallo" lächelte ich sie an. Ich war nun seit einem Jahr in einer Pflegefamiele, doch 16 Jahre habe ich hier verbracht, ich komme immer noch hier her um Anja ein bisschen unter die Arme zu greifen. "Ich hänge total mit der Zeit hinterher, könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun und schon mal in der Küche anfangen zu kochen, die Kinder kommen gleich und ich muss noch die Zimmer putzen" ich zog mir gerade meine Jacke aus. "Ja das mache ich doch gern" und schon lief ich los. "Das Rezept hängt am Kühlschrank" schrie sie mir noch nach.
Ich machte mich also an die Arbeit und nach ungefähr 20 Minuten kam Anja mir zur Hilfe. "Ich weiß nicht was ich ohne dich machen würde" bedankte sie sich bei mir. "Ich mache das gern, dass weißt du" grinste ich sie an. Hier im Kinderheim wohnen nicht viele, es ist ehr klein und deswegen ist der Staat auch der Meinung das Anja mit 5 Kindern alleine zurecht kommen würde. Das Telefon klingelte und Anja ließ mich wieder alleine in der Küche, ich blickte auf die Uhr und merkte das Laura und Tom gleich von der Schule kommen würden, die beiden waren hier die jüngsten. Acht und neun, ihre Eltern haben sie direkt nach der Geburt abgegeben. "Grace" schrie Anja plötzlich und riss mich aus meinen Gedanken. "Ja?" rief ich zurück, aber keine zehn Sekunden später stand sie schon vor mir. "Das Amt hat gerade angerufen" seufzte sie. "Haben die endlich eingesehen das du das hier allein nicht schaffst?" fragte ich hoffnungsvoll. Sie schüttelte leider den Kopf. "Sie sind jetzt auf die tolle Idee gekommen, diese Einrichtung hier für Sozialstunden zu nutzen" man konnte an ihrer Stimme hören das es ihr gar nicht passt. "Sie denken das wäre eine Unterstützung, dabei wird es wahrscheinlich nur noch mehr Arbeit" sie fuhr sich verzweifelt durch die Haare. "Ich meine was denken die sich dabei, irgendwelche Verbrecher auf Kinder los zu lassen" daran hatte ich noch gar nicht gedacht. "Vielleicht wird es doch eine Hilfe sein, warte erstmal ab" versuchte ich sie aufzumuntern. "Ja vielleicht hast du recht, aber sie wollen heute Mittag schon direkt jemanden vorbei schicken" so schnell? "Ich werde ja auch da sein, also mach dir nicht so einen Kopf" Anja fing leicht an zu grinsen. "Danke Grace, du bist mir so eine große Hilfe" ich schenkte ihr auch ein lächeln und machte mich dann wieder an die Arbeit.
Nachdem Laura und Tom schon gegessen hatten, kam Mia auch aus der Schule. Als es zehn Minuten später wieder klingelte wurde mir ganz anders, ich wusste das das dieser "Verbrecher" sein muss. Anja schaute mich auch skeptisch an und lief zur Haustür. Ich blieb bei den Kindern. "Wer hat geklingelt?" fragte Laura mich. "Das ist nur ein neuer Mitarbeiter" sagte ich schnell. Sie schien sich mit der Antwort zufrieden zu geben, denn sie griff wieder nach ihrer Puppe und beachtet mich nicht mehr. "Grace kommst du mal kurz?" ich konnte aus Anja ihrer Stimme hören das sie ein wenig verzweifelt ist. Ich atmete nochmal tief ein und aus, ab jetzt muss ich mich wohl mit irgendeine Asi-Braut rumschlagen, doch als ich auf den Flur trat war ich überrascht, vor mir stand ein Junge mit den Rücken zu mir gewandt. Er trug eine dunkle Jeans, die meiner Meinung nach viel zu tief sahs. Er trug wie ich es von hinten erkennen konnte noch einen grauen Hoddie. "So Justin, das ist Grace, sie wird dir hier erstmal alles zeigen" was? Das kann Anja mir nicht antun. Genau in diesem Moment drehte sich dieser Justin zu mir um. Ich musste kurz die Luft anhalten, er blickte mir mit seinen brauen Augen direkt in die Augen. Ich konnte meine Augen nicht von ihm nehmen, dieser Kerl der da gerade vor mir steht hatte etwas was mich einsüchtern ließ und trotzdem sah er so wunderschön aus. "Also ich muss zurück zu den Kindern, Grace wenn du ihn alles gezeigt hast kommt einfach in den Garten" sagte Anja freundlich. "Ehm.. ja.. ja mache ich" stammelte ich immer noch total aufgewühlt. Anja verschwand in das Wohnzimmer und nun standen wir da. "WIllst du weiter dort so dumm rumstehen oder mir diesen Drecksladen nun zeigen?" seine Stimme bereite mir sofort eine Gänsehaut, sie war so tief und so verdammt gefährlich. "Ehm, nein.. also komm mit" ich versuchte meine Stimme wieder zu finden, vergebens. Ich marschierte einfach die Treppe hoch und hoffte das er mir folgt, was er zum Glück auch tat. Ich zeigte ihm die Kinderzimmer und versuchte so wenig wie möglich zu sprechen und vor allem versuchte ich ihn nicht anzuschauen. Ich will gar nicht wissen warum er Sozialstunden machen muss. "So und hier ist das Wohnzimmer" flüsterte ich und Anja schaute mich dankend an. Justin hatte die ganze Zeit nichts gesagt, hatte mir einfach zugehört oder auch nicht, ich kann es nicht genau sagen. "So Kinder, das ist Justin, der wird die nächsten 5 Wochen mir jeden Mittag ein bisschen helfen" 5 Wochen? Meine Augen wurden größer, das kann doch nicht wahr sein. Hat der eine Bank ausgeraubt oder wieso muss der so viele Sozialstunden machen. Es war eine unangenehme Stille bis Laura plötzlich aufstand. "Hallo Justin" ich schloss schon aus Angst das er jetzt mega unfreundlich sein wird die Augen, doch ich war verwundert was ich hörte. "Hallo, wie ist denn dein Name?" ich öffnete meine Augen und sah wie er sich tatsächlich vor ihr gekniet hat. "Laura" sagte sie verlegen. Oh wie süß. Ich grinste Anja an und sie war genauso überrascht wie ich. "Wir wollten jetzt auf den Spielplatz und Melanie und Henrik müssten gleich kommen, wartest du hier Grace und kommst dann nach?" fragte Anja freundlich. "Ich kann mir nicht vorstellen das Melanie darauf Lust hat, aber ich werde sie fragen" Melanie war gerade 16 geworden und der reinste Horror, sie schlich sich Nachts weg und alles was dazu gehört. "Justin möchtest du mit warten oder schon mal mitkommen?" fragte sie ihn freundlich. Nun blickte er ganz kurz zu mir. "Ich warte hier" ich hatte das Gefühl das auf seinen Lippen sich ein ganz kleines Grinsen bildete, wahrscheinlich nur Einbildung, aber mein Herz rutsche mir in die Hose. Ich würde mit ihm mindesten 10 Minuten alleine in diesem Haus sein.