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„Stört es dich wenn Sofia zuhört?", fragt meine Mutter und streicht meiner kleinen Schwester, die neben ihr am Tisch sitzt, durch das dunkle Haar.

,,Nein, natürlich kann sie hierbleiben. Was wäre ich denn für eine Schwester, wenn ich Geheimnisse vor meiner kleinen Schwester hätte?" Ich reiße die Augen weit auf und grinse dabei komisch, was Sofia zum Lachen bringt.

Meine Mutter schüttelt lachend den Kopf und ich steige mit ein. ,,Du kommst genau nach Alejandro." Mein Vater zieht auch gerne verrückte Grimassen. Damit kann er mich, Sofia und sogar meine Mutter immer zum Lachen bringen.

,,Was ist denn los?", fragt meine kleine Schwester, die nicht mehr so klein ist, mit ihrer niedlichen Stimme. Sie wird nächsten Monat einfach schon zwölf Jahre alt. Die Zeit vergeht so schnell – ich bin vor einigen Wochen auch schon 22 geworden. Meinen Geburtstag habe ich nicht wirklich gefeiert. Ich hatte meine Familie, Nicole, Amanda und ihren Freund nach Hause eingeladen und mit ihnen den Abend verbracht.

Ich drehe meinen Kopf zu Sofia, die mich interessiert anschaut. Zunächst zögere ich, aber dann erzähle ich ihr und meiner Mutter das, was gestern passiert ist. Meiner Mutter hatte ich auch nur die Sache mit dem Kuss berichtet. Also berichte ich den Beiden von Shawns Nachricht bis hin zum Treffen im Hotel und ignoriere dabei die Schuldgefühle, die wieder intensiver werden. Nachdem ich fertig bin, schaut Sofia mich mit weit aufgerissenen Augen an.

„Er weiß aber, dass ich mit Sebastian zusammen bin", beende ich meine Erzählung. Ich lächele bedrückt. Die ganze Situation verwirrt mich immer noch. Letzte Nacht habe ich nur eine Stunde geschlafen, weil ich die ganze Zeit am Grübeln war. Ich habe Sebastian betrogen und ich weiß, dass er mir das nie verzeihen wird. Für ihn ist Vertrauen das Wichtigste in einer Beziehung.

,,Du musst es ihm sagen. Das kannst du nicht vor Sebastian geheim halten." Sofia hat Recht, das weiß ich. Sebastian hat das Recht, das zu erfahren.

,,Es fühlt sich einfach so scheiße an. Ich wollte das doch gar nicht", bedauere ich. Meine Fingernägel bohren sich in meine Handflächen und lenken mich damit von der aufsteigenden Übelkeit ab. Da sind sie wieder: die schlechten Schmetterlinge.

Anstatt etwas zu sagen, läuft Sofia zu mir und schlingt ihre Arme um mich. Ich drücke sie an mich und schließe die Augen, um das Gefühl der Sicherheit zu genießen. Es ist ungewohnt, dass ich diejenige bin, die auf die Hilfe ihrer jüngeren Schwester angewiesen ist. Normalerweise sollte ich für meine Schwester da sein und sie unterstützen, anstatt mich bei ihr auszuheulen. Doch in diesem Moment bin ich ihr dankbar dafür, dass sie für mich da ist.

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Meine Mutter stellt ein Tablett mit einigen Oreos und Gummischlangen auf der Tischmitte ab. Sofia greift sofort nach mehreren Gummischlangen und stopft sie sich in den Mund. Lachend sehe ich dabei zu, wie sie eine Ladung nach der anderen isst. Sie ist genauso verfressen wie ich.

Immer wieder schweifen meine Gedanken zum Kuss mit Shawn ab, aber die Schuldgefühle sind ein wenig geringer geworden, als vor einer halben Stunde. Trotzdem bleibt ein Kribbeln in meiner Brust. Plötzlich fällt mir etwas ein, was ich die ganze Zeit verdrängt habe. Der Traum.

„Ich hatte gestern einen echt komischen Traum." Mit meinen Worten unterbreche ich die Stille.

„Was ist passiert?", fragt Sofia mit vollem Mund.

,,Ich war gerade dabei Tomaten zu schneiden und Sebastian hat sich darüber beschwert, weil er Tomaten hasst. Dann meinte er zu mir, dass er Shawn sei, was keinen Sinn ergeben hat. Am Ende haben wir getanzt." Ich muss grinsen. „Er ist ein schrecklicher Tänzer."

,,Hast du eine Idee was das bedeuten könnte?" Sofia hat mittlerweile aufgehört zu essen und meiner Mutter und mir einige Süßigkeiten übrig gelassen.

Ich schüttele den Kopf. „Ich verstehe nicht, wieso er sich selbst Shawn genannt hat. Er war eindeutig Sebastian. Die kleine Narbe neben seiner Nase, das Vogeltattoo und die eine Strähne, die ihm ständig ins Gesicht fällt sind eindeutig Merkmale von ihm."

Sofia nickt. ,,Waren sich Shawn und Sebastian schon immer so ähnlich? Mir fällt das zum ersten Mal auf. Sie haben beide sogar einen Tomatenhass und können nicht tanzen."

„Ich weiß, aber das hat doch nichts weiter zu bedeuten." Ich lege meinen Kopf in den Nacken und seufze.

Meine Mutter räuspert sich, weshalb ich zu ihr schaue. ,,Mila, ich muss dich etwas fragen. Das wollte ich gestern schon ansprechen, aber ich wollte persönlich mit dir darüber reden." Sie streicht eine Strähne ihres hellbraunen Haares nach hinten. „Wieso hast du damals nichts erzählt?"

Ich runzele die Stirn.„Was meinst du? Wovon soll ich nichts erzählt haben?" Ihr plötzlicher Themenwechsel und die Frage selbst verwirren mich.

„Kann es sein, dass du für Shawn damals mehr als nur Freundschaft empfunden hast?" Woher weiß sie das? Ich habe noch nie mit ihr oder irgendjemand anderem darüber gesprochen.

Meine Schultern spannen sich an. ,,Wie kommst du darauf?", entgegne ich und lache nervös.

,,Ich bin deine Mutter." Sie greift nach meinen zu Fäusten geballten Händen, die ich auf dem Tisch abgelegt hatte und massiert sie leicht, wodurch ich sie öffne. ,,Dachtest du wirklich, ich hätte nicht gemerkt, wie du immer gegrinst hast, wenn du von ihm geredet hast? Dachtest du ich hätte nicht mitbekommen, wie du ihn während eurer gemeinsamen Interviews angeschaut hast?" Sie schmunzelt nach dem letzten Wort.

Ich brauche einen Moment, um mich zu sortieren. Sie wusste die ganze Zeit über, dass ich in Shawn verliebt war.

„Ich weiß nicht, was du meinst", lüge ich.

Meine Mutter gibt aber nicht nach. „Hör bitte auf, mich anzulügen."

Ich seufze. „Du hast Recht", murmele ich. „Ich war damals in ihn verliebt." Ein unangenehmes Ziehen entsteht in meiner Gegend. Ich sollte nicht über meine früheren Gefühle für Shawn sprechen, wenn ich in einer Beziehung bin. „Aber warum sprichst du das jetzt an? Du weißt, dass ich Sebastian liebe."

„Mila, ich habe da eine Vermutung. Vielleicht hast du es selber noch nicht gemerkt, aber mir ist etwas aufgefallen", spricht meine Mutter sanft. „Versprich mir, dass du ehrlich zu dir selbst sein wirst. Du musst mir nicht antworten, aber denk über das, was ich dir gleich sagen werde, nach."

„Okay." Ich warte gebannt auf ihre Antwort. Ihre Worte treffen mich wie ein Schlag in die Magengrube. Das kann nicht sein.

„Kann es sein, dass du dich in Sebastian verliebt hast, weil er Shawn so ähnlich ist?"

Glaubt ihr, ihre Mutter hat Recht? Hat sich das jemand von euch schon gedacht?

Eigentlich wollte ich den letzten Satz ins nächste Kapitel schreiben, aber ich dachte mir, ich bin nicht so gemein 😝💚

Used To This [S.M. & C.C. Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt