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Shawns Sicht

Nachdem Andrew mich in sein Hotelzimmer gebeten hat, drücke ich den kalten Türgriff herunter und öffne die Tür. Sofort fällt mir auf, dass sein Hotelzimmer viel kälter ist als meines. Andrew lüftet so gut wie immer sein Zimmer.

Mein Manager sitzt in einer Jogginghose und einem grauen T-Shirt auf seinem Bett und liest ein Buch, dessen Titel ich von hier nicht erkennen kann. Ich sehe ihn nur selten in solchen Klamotten, da er sonst immer einen Anzug trägt.

,,Hallo Shawn!" Mein Manager legt das Buch auf dem Nachttisch neben dem Bett ab und schaut mich an.

,,Hey Andrew", erwidere ich. Ich schlucke, ehe ich weiter spreche. ,,Ich wollte mit dir über etwas sprechen."

,,Klar." Er deutet mir mit seiner Hand, mich auf die Matratze zu setzen. ,,Was gibt es?", fragt er und schiebt seine schwarze Brille auf dem Nasenrücken höher.

,,Es geht um meine nächste Single. Ich habe einen Text geschrieben und würde gerne deine Meinung dazu haben." Den Flug gestern habe ich damit verbracht, ein Lied fertig zu stellen, dass ich vor einigen Wochen angefangen hatte zu schreiben. Ich habe es auch tatsächlich hinbekommen, einen vollständigen Song zu schreiben, auch wenn er noch überarbeitet werden muss.

,,Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr dazu", lacht der Braunhaarige. ,,Also, kann ich den Text sehen?"

Ich nicke und überreiche ihm dann mein aufgeschlagenes Notizbuch.

Der Text handelt – wer hätte es gedacht – von Camila. Den Flug über habe ich darüber nachgedacht, weshalb die Situation zwischen uns so angespannt ist. Die einzige Erklärung, die ich finden kann, ist mein Liebesgeständnis von früher. Dieser Tag hat einen Keil zwischen uns getrieben, den wir nicht mehr loswerden. Das Schlimmste an allem ist, dass meine Gefühle genau die gleichen sind. Und ich muss Camila irgendwie mitteilen können, was ich fühle, ohne zu aufdringlich zu wirken. Sie ist immerhin in einer Beziehung und die möchte ich nicht kaputt machen. Aber irgendetwas in mir hat immer noch die Hoffnung, dass sie etwas empfindet, auch wenn das verrückt klingt.

Andrews Stimme holt mich aus meinen Gedanken. ,,Das ist gut. Sehr gut. Hast du schon eine Melodie dazu?"

,,Ich habe einige Ideen, aber mehr auch nicht. Ryan und Teddy könnten mir dabei bestimmt helfen." Mit Ryan und Teddy habe ich bereits eine Menge Lieder geschrieben. Es sollte also kein Problem sein, schnell eine Melodie für das Lied zu entwickeln. Außerdem begleiten die zwei Songwriter mich auf meiner Tour, das heißt, wir können den Song noch während meiner Tour aufnehmen.

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Nur wenige Stunden später sitzen Ryan, Teddy und ich in einem Studio in Berlin und tauschen unsere Ideen, für eine mögliche Melodie und Begleitmusik aus. Glücklicherweise war der Besitzer des Studios so nett, uns spontan hereinzulassen.

,,Hast du denn eigentlich schon eine genaue Vorstellung? Bisher sind wir ja nicht wirklich weit gekommen."

Ich schaue zu Ryan, der mir die Frage gestellt hat. Er hat Recht, wir sitzen schon seit einer Stunde im Studio ohne eine gute Idee gefunden zu haben. Ich habe Ryan und Teddy meine bisherigen Ideen gezeigt, aber sie waren nicht zufrieden. Sie meinen, meine Vorschläge passen nicht zum Liedtext. ,,Nicht wirklich, aber der Text soll definitiv im Vordergrund stehen", erwidere ich.

Summen nickt er. Sein nach hinten gestyltes dunkelblondes Haar glänzt wegen des Haargels. ,,Wie wäre es damit", sagt er und spielt auf dem Keyboard eine kurze Melodie vor, die mein Interesse weckt. Im Anschluss notiert er sich die Melodie auf einem Notenblatt.

,,Das klingt schön", gibt Teddy ihre Meinung dazu.

Nickend stimme ich Teddy zu.

,,Ich habe eine Idee." Teddy erhebt sich vom Platz neben mir und läuft zu Ryan. Die kurzen Absätze ihrer Schuhe erzeugen beim Aufkommen auf dem Boden ein Klacken. ,,Wir könnten die Melodie damit fortsetzen."

Wenige Stunden später haben wir eine Melodie und die dazu passende Begleitmusik komponiert. Daher wagen wir einen ersten Versuch, bei dem ich den Text mit der Melodie singe. Zu Beginn brauche ich ein wenig, um die richtige Tonfolge zu beherrschen, aber nach mehreren Durchläufen klappt das ganz gut.

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,,Shawn!" höre ich die mir bekannte weibliche Stimme, die durch das Telefon zu mir dringt. Ein Lächeln macht sich auf dem Gesicht der Braunhaarigen, das auf dem Display erscheint, bemerkbar. Sie liegt auf ihrem Bett und stützt sich mit den Ellenbogen ab. An der rosa Wand hinter ihr hängt ein Bilderrahmen mit einem Bild von mir und Aaliyah, das geschossen wurde, als wir Kinder waren.

,,Hey, Kleine", begrüße ich sie. ,,Wie geht es meiner Lieblingsschwester?"

Sie verdreht die Augen. ,,Sehr witzig, Shawn. Ich bin deine einzige Schwester."

,,Und deswegen bist du meine Lieblingsschwester", entgegne ich grinsend. ,,Was machst du gerade?"

,,Hausaufgaben. Du weißt ja, wie viel Mr. Brooklyn immer aufgibt." Ich nicke. Aaliyah beschwert sich ständig über ihren Mathelehrer, weil er, ihrer Meinung nach, zu viel von den Schülern verlangt. Er soll nicht nur zu viele Hausaufgaben aufgeben, sondern auch zu hohe Anforderungen haben. Für mich kommt es eher so rüber, als hätte Aaliyah einfach keine Lust auf Mathe. Vielleicht hat sie aber auch Recht.

,,Wo sind Mum und Dad?"

,,Sie sind essen gegangen. Die beiden wollten mal wieder einen Tag nur zu zweit haben", erklärt das Mädchen, das mir nicht mal ansatzweise ähnlich sieht. Ihre Haut ist dunkler als meine und ihre Nase etwas breiter. Das einzige, was wir gemeinsam haben, sind die braunen Haare und Augen.

Aaliyah ist also alleine zuhause. Mir kommt es wie gestern vor, als ich auf meine fünf Jahre jüngere Schwester aufpassen musste. Damals war sie vielleicht zehn. Jetzt ist sie fünfzehn. So alt war ich, als ich meine Karriere angefangen habe.

Manchmal habe ich das Gefühl, meine gesamte Familie wegen meiner Gesangskarriere zu vernachlässigen. Ich gebe mir zwar Mühe, sie so oft es geht anzurufen und zu besuchen, wenn ich frei habe, aber manchmal finde ich keine Zeit dazu. Ich habe Angst, dass vor allem Aaliyah darunter leidet. Es tut mir wirklich leid, denn sie braucht ihren großen Bruder, der für sie da ist, auch wenn sie es nicht zugeben möchte.

Eine unbekannte männliche Stimme aus dem Apparat ertönt. Ich habe nicht verstanden, was sie gesagt hat.

,,Aaliyah wer war das?" Ich ziehe die Augenbrauen zusammen.

Auf einmal ist kein Ton mehr zu hören. Aaliyah hat ihr Telefon auf Stumm geschaltet. Ich sehe durch den Bildschirm, wie sie von ihrem Bett aufsteht und aus dem Bild läuft. Als sie wieder an ihrem Handy ist, stellt sie ihr Mikrofon wieder an.

,,Wer war da gerade?"

,,Derek. Ein Freund von mir. Wir wollen zusammen die Matheaufgaben machen." Unschuldig blickt sie in die Kamera.

,,Ein Freund? Bist du dir sicher, dass ihr nur-"

Die Braunhaarige unterbricht mich. ,,Wir sind nur Freunde, Shawn. Mehr nicht."

Ich gebe mich mit der Erklärung nicht zufrieden, belasse es aber dabei. Mich stört aber etwas an dem Gedanken, dass Aaliyah alleine mit einem Jungen zuhause ist. Den Gedanken verwerfe ich schnell wieder. Darüber sollte ich mit Aaliyah sprechen, wenn ich wieder in Toronto bin.

Welchen Song hat Shawn wohl gesungen?

Ratet mal, wer endlich angefangen hat, Harry Potter zu lesen. Ich habe heute angefangen mit dem Lesen und bisher gefallen mir der erste Teil.

Used To This [S.M. & C.C. Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt