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Camilas Sicht

„Bist du sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist?" Sebastian mustert mich kritisch und streicht eine Strähne, die ihm vor die Stirn gefallen ist, nach hinten. „Du hast echt dunkle Augenringe", bemerkt er und streichelt sanft meine Wange.

Ich versuche seine Berührung zu genießen, aber es geht nicht.

Ich verdiene diesen Mann nicht.

Ich spiele ihm ein Lächeln vor. „Mir geht es super, ich bin nur müde. Wirklich", erzähle ich ihm einen Teil der Wahrheit. Müde bin ich tatsächlich, da ich die letzte Nacht gerade mal eine Stunde geschlafen habe. Die Plage der schlechten Schmetterlinge in mir hält mich vom Schlafen ab, aber natürlich erzähle ich Sebastian nichts davon. Wie soll das auch gehen? Ich kann nicht einfach zu ihm gehen und sagen: Hey Schatz, ich liebe dich, aber ich liebe auch Shawn. Das kann ich nicht machen. Es würde ihm das Herz brechen.

Sebastian scheint mir zu glauben. „Okay", flüstert er und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Dann sehen wir uns heute Abend."

Er verlässt die Wohnung, weshalb ich alleine in der Küche zurückbleibe. Erleichtert atme ich aus und stütze meine Ellbogen auf der glatten Küchentheke ab. Meinen Kopf lasse ich auf meine offenen Hände fallen.

Mal wieder höre ich die Stimme meiner Mutter im Kopf. Seit dem Gespräch mit ihr und Sofia habe ich ständig an ihre Worte gedacht. Kann es sein, dass du dich in Sebastian verliebt hast, weil er Shawn so ähnlich ist? Mir ist bewusst geworden, dass ich die Gefühle für meine ehemaligen besten Freund verdrängt habe und sie nur darauf gewartet haben, wieder aufzutauchen. Bei unseren Treffen gestern hatte ich ein intensives Kribbeln im Magen und meine Knie wurden weich, sobald ich ihn angeschaut habe. Daher habe ich den Blickkontakt zu ihm so oft wie möglich vermieden.

Auch wenn meine Mutter Recht hat, würde ich nicht so weit gehen und sagen, dass ich Sebastian nur liebe, weil er mich an Shawn erinnert. Ansonsten würde ich doch nichts mehr für meinen Freund empfinden, oder? Schließlich haben Shawn und ich uns wieder getroffen. Das heißt, die Gefühle hätten von Sebastian auf Shawn springen müssen, was nicht passiert ist. Macht das überhaupt Sinn? Frustriert stöhne ich.

Am Liebsten würde ich den Kontakt zu Shawn abbrechen und so tun, als wäre niemals etwas zwischen uns beiden gewesen – weder damals noch heute. Vor zwei Tagen hatte ich Roger angerufen und ihn angefleht, das Projekt mit Shawn abzubrechen, aber er hat verneint. Er meinte, dass wir wegen der Verträge, die wir unterschrieben haben, zur Vollendung des Projekts verpflichtet sind. Das bedeutet, dass Shawn und ich uns weiterhin sehen werden. Und auch wenn wir uns nicht treffen, werden wir miteinander telefonieren müssen.

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Ich lese mir die Zeile, die ich gerade eben geschrieben, erneuert durch.

There's something I gotta confess.

Mein Sichtfeld verschwimmt, aber ich blinzele die Tränen weg, bevor sie meine Augen verlassen. Seit mehreren Minuten versuche ich mir einzureden, dass es doch ,,nur" ein Kuss gewesen ist. Ich habe Sebastian nicht betrogen. Immerhin hat Shawn mich geküsst.

Aber ich kenne die Wahrheit, auch wenn ich sie nicht wahr haben will. Ich brauche Shawn mehr als ich möchte. Meine Hand sträubt sich dagegen, die nächsten Worte aufzuschreiben, aber schließlich schaffe ich es.

I need you more than I want to.

Der Stift fällt aus meiner Hand und landet geräuschlos auf der Matratze unter mir. Mein Herz trommelt kräftig gegen meine Brust und hinter meinem Brustkorb wird es immer enger. Plötzlich empfinde ich eine Übelkeit, die viel stärker ist, als die Übelkeit der Tage zuvor.

Normalerweise hilft mir das Schreiben von neuen Lieder dabei, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Heute scheint es jedoch keine Wirkung zu zeigen. Ich klappe das Notizbuch zu und lege es unter mein Kissen. Nachdem ich auch das schwach leuchtende Nachtlicht ausgeschaltet habe, kauere ich mich auf dem Bett zusammen.

„Es war bloß ein Kuss. Ich empfinde nichts für Shawn", flüstere ich und versuche mich selber anzulügen.

Doch wenn der Kuss so unbedeutsam für mich wäre, würde ich nachts nicht wach im Bett liegen und an Shawns Lippen denken. Das Schlimmste daran ist, dass ich an einen anderen Mann denke, während Sebastian seine Arme um mich geschlungen hat und schläft.

Der Druck hinter meinen Augen wird stärker und ein Träne rollt meine Wange hinunter. Die nächste Träne folgt ihr direkt. Ich ignoriere den Schmerz, der durch meine Fingernägel, die sich in mein linkes Handgelenk bohren, entsteht.

Ich höre das Geräusch von Schlüsseln, die in einem Türschloss umgedreht werden.

Scheiße! Das kann nur Sebastian sein.

„Schatz?", höre ich seine Stimme und nehme dann das Geräusch der Tür wahr, die zufällt.

„Ich bin hier", krächze ich und hebe meinen Kopf. Mein Hals ist mittlerweile komplett trocken.

Die Schritte meines Freundes werden immer lauter, bis ich schließlich seine Silhouette im Türrahmen erkenne. „Wieso sitzt du hier im Dunkeln?"

„Ich musste nachdenken", murmele ich und strecke mich, um mit meinen zitternden Fingern das Nachtlicht einzuschalten. Das Licht blendet mich ein wenig, aber sobald ich mich an das schwach leuchtende Licht gewöhnt habe, erkenne ich Sebastian Gesichtszüge im Türrahmen. Seine blonden Haare glänzen. Er wird wohl im Fitnessstudio geduscht haben.

„Woran hast du gedacht?" Er setzt sich neben mir auf die Bettkante und streichelt meinen Rücken. „Was bedrückt dich?" Seine Worte und die Art, wie er sie betont, zerreißen mein Herz. Er sorgt sich um mich. Er liebt mich. Er ist der perfekte Mann für mich. Und ich habe ihn betrogen.

Dem sanften Druck  seiner Hand, mit der versucht, mein Gesicht in seine Richtung zu drehen,widersetze ich mich. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen.

„Ich muss-", spreche ich. Sebastian runzelt die Stirn, weshalb ich annehme, dass er meine Stimme – die nicht einmal ein Flüstern gewesen ist – nicht verstanden hat.

„Hey, ganz ruhig." Sebastian redet, aber ich nehme seine Stimme nur sehr leise wahr. Mein Herzschlag übertönt alle Geräusche.

Mein Freund küsst mich auf die Stirn und die weichen Lippen, die ich so gut kenne, kommen mir plötzlich so unbekannt vor. Die auf-und-ab-Bewegung seiner Hand an meinem Rücken beruhigt mich nicht, sie hat sogar eine gegenteilige Wirkung: Die Enge hinter meiner Brust verstärkt sich und ich habe das Gefühl, als würde sich alles um mich herum drehen.

Den Kloß in meinem Hals schlucke ich herunter, bevor ich anfange zu reden. Dieses Mal zittert meine Stimme überraschend wenig. „Wir müssen reden", sage ich mit dem Blick auf den Kleiderschrank vor mir gerichtet und ich ignoriere die Angst davor, wie Sebastian reagieren wird.

Jetzt ist der Moment gekommen, in dem ich ihm vom Treffen mit Shawn erzählen muss. Mein Verstand und meine Gefühle drängen mich dazu – ich kann es nicht länger vor ihm Geheim halten.

Wird Camila Sebastian die Wahrheit erzählen?

Ich habe beim Schreiben das Kapitels „I love me" von Demi Lovato gehört, was irgendwie gar nicht zum Inhalt des Kapitels gepasst. Es ist mir aber viel leichter damit gefallen 🤷‍♂️😅

Used To This [S.M. & C.C. Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt