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Kleidungsstück nach Kleidungsstück werfe ich, ohne sie vorher zu falten, in den Koffer neben mir. Ein zweiter Koffer liegt bereits gefüllt neben dem Bett.

Nachdem Sebastian gestern nach Hause gekommen ist, haben wir nur wenige Worte miteinander gewechselt und die Hoffnung, unsere Beziehung retten zu können, hatte ich auch aufgegeben. Seine Worte waren eindeutig: Es ist aus.

Ein stechender Schmerz durchzieht meine Brust und ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Ich hätte nie gedacht, dass wir uns trennen würden. Sebastian ist mein erster Freund und ich hatte immer gedacht, dass er irgendwann mein Ehemann sein würde. Vielleicht wäre das auch eines Tages passiert, wenn ich nicht so dumm gewesen wäre und mich in Shawn verliebt hätte.

Sobald ich meine letzte Unterhose aus dem Schrank in den schwarzen Koffer und ziehe leise den Reißverschluss zu. Die eine Träne, die meine Wange runter rollt, wische ich mit dem Handrücken weg.

,,Ich bin soweit", murmele ich, als ich im Türrahmen des Wohnzimmers angekommen bin, weshalb Sebastian vom Fernseher wegsieht und zu mir schaut. Beim Anblick seiner kalten Miene läuft mir ein Schauer über den Rücken. Er kann vielleicht seine Gefühle verstecken, aber an seinen geröteten Augen erkenne ich, dass er geweint hat. Mein Magen zieht sich beim Gedanken daran, dass er wegen mir geweint hat, zusammen. Wir haben uns in den mehr als zwei Jahren, in denen wir zusammen waren, nie wirklich gestritten. Dass es wegen eines Jungen, den ich einst vergessen hatte, so endet, tut weh.

Der Blonde steht auf und läuft mit geräuschlosen Schritten an mir vorbei. Schwer schluckend beobachte ich, wie er die Wohnungstür aufschließt, meine beiden Koffer nimmt er in seine Hände.

Mein Blick gleitet zu einem Bilderrahmen, der auf dem Wollteppich liegt. Um den Bilderrahmen herum liegen Glasscherben verteilt. Ich muss nicht näher herangehen, um zu erkennen, dass wir beide auf dem Bild abgebildet sind. Die einzigen Bilder, die im Wohnzimmer stehen, sind Bilder von uns beiden. Wie erstarrt starre ich auf die Glasscherben. Es fühlt sich an, als würde ich mich aus der Ferne an ihnen schneiden. Für einen Moment verschwimmt meine Sicht, aber sofort blinzele ich die Flüssigkeit weg.

,,Hast du auch mal vor zu kommen?", ruft Sebastian genervt. Ich nicke, drehe mich um und laufe zu ihm.

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Der Motor hört auf zu Brummen und Sebastian zieht die Handbremse.

,,Wir sind da", bemerkt Sebastian. Ich schaue von meinen Händen, die mit dem Saum meines T-Shirts spielen, auf. Rechts von mir sehe ich die Fassade des Hauses meiner Eltern.

Sebastian und ich haben heute Morgen beschlossen, dass es das Beste wäre, wenn einer von uns beiden auszieht. Da er sich noch eine Wohnung hätte suchen müssen, die vermutlich teurer als die jetzige gewesen wäre - in Miami findet man nur schwer Wohnunge, die nicht in einem Drogenviertel sind - , habe ich darauf bestanden zu meinen Eltern zu ziehen. Erzählt habe ich meiner Familie von unserer Trennung nichts, deswegen hoffe ich, dass sie nichts gegen meinen Einzug haben werden.

,,Danke fürs Fahren."

Anstatt mir zu antworten nickt er und guckt durch Frontscheibe nach draußen. Seitdem Sebastian und ich seine Wohnung - die früher unsere war - verlassen haben, hat er mich kein einziges Mal angeschaut.

Ein letztes Mal sehe ich Sebastian an und versuche dabei, mir so viele Merkmale wie möglich von ihm einzuprägen. Seine Narbe. Sein markantes Kiefer. Seine blonden Haare. Seine braunen Teddyaugen.

,,Ich liebe dich", hauche ich und kämpfe gegen den Drang an, zu weinen. Meine brüchige Stimme und meine zitternde Unterlippe verraten mich trotzdem. Ich steige aus dem Auto, knalle die Tür hinter mir zu und hole meine Koffer aus dem Kofferraum.

Ein letztes Mal drehe ich mich zum grauen Wagen um. Sebastians und mein Blick streifen sich. Mit seinem Mund formt er einige Silben, doch ich erkenne nicht, was er sagen will. Ich kann nur hoffen, dass er meine letzten Worte erwidert hat.

Ich sehe dem schwarzen Auto noch einige Sekunden nach, bis es abbiegt und hinter einem Gebäude verschwindet.

Das war es also mit uns. Unsere Beziehung ist zu Ende. Ich habe sie beendet.

Mit langsamen Schritten laufe ich zur Haustür und drücke die Klingel. Wenige Sekunden später wird sie geöffnet und Sofia erscheint vor mir.

Und in genau diesem Moment kann ich mich nicht mehr beherrschen und beginne zu schluchzen. Die Koffergriffe lasse ich los, um meine Arme um meine jüngere Schwester zu legen. Meine Finger krallen sich an ihrem T-Shirt fest, während immer mehr Tränen meine Augen verlassen.

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„Und ich mache euch sicher keine Umstände?", frage ich meine Mutter und sehe zu, wie sie eine Packung Vanilleeis auf dem Wohnzimmertisch vor meinen Füßen abstellt.

„Was redest du da, Mila? Natürlich machst du keine Umstände. Und jetzt hör bitte auf, das ständig zufragen." Mitleidig schaut sie mich an. Sie setzt sich auf den freien Platz rechts von mir und tätschelt mir den Rücken. „Möchtest du uns erzählen, was passiert ist?"

Ich nicke. Bevor ich anfange zu erzählen, räuspere ich mich. „Ich habe Sebastian erzählt, dass Shawn und ich uns geküsst haben. Er weiß auch, dass ich noch etwas für Shawn empfinde." Gegen Ende des zweiten Satzes bricht meine Stimme.

Sofia, die links neben mir sitzt, streichelt sanft meine Schulter. „Es tut weh, aber vertrau mir, es war das Beste."

Ihre Worte klingen gelogen. Wieso sollte es gut für mich sein, wenn es so weh tut? Was ist gut daran, dass ich Sebastian verletzt habe? „Aber ich liebe ihn", hauche ich und presse meine Lippen fest aufeinander, um nicht wieder zu weinen. Auch als der Schmerz stärker wird, höre ich nicht auf.

„Ich weiß." Mehr sagt meine Schwester nicht. Aber ihre Worte reichen mir. Das Gewissen, dass meine Schwester und meine Mutter für mich da sind, reicht mir.

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Es ist schon seit einigen Stunden dunkel, als ich mich in das Bett im Gästezimmer lege. Das Bett mit dem weißen Holzgestell ist noch immer das gleiche Bett, wie damals, als das Zimmer noch meins war. Heute Mittag habe ich festgestellt, dass auch die Wände noch hellrosa sind.

Ich greife nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch neben dem Bett liegt. Zum ersten Mal seit gestern Abend schaue ich auf meinen Handydisplay. Unter den Nachrichten von Amanda und Nicole sticht mir eine besonders ins Auge.

Sie ist von Shawn.

Wie wird Camila reagieren, wenn sie die Nachricht liest?

Used To This [S.M. & C.C. Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt