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In den letzten Wochen meines Lebens hat sich so vieles verändert. Ich habe mich von Sebastian getrennt obwohl ich dachte, dass wir den Rest unseres Lebens gemeinsam verbringen würden. Wir haben vor zwei Monaten Schluss gemacht, aber es kommt mir schon so viel länger vor. An einem Tag waren wir noch glücklich zusammen und im nächsten Moment ist er aus meinem Leben verschwunden.

Sowohl von meinem Ex als auch von Nicole habe ich seit mehreren Wochen nichts mehr gehört. Auch Amanda hat keinen Kontakt mehr zu Nicole, da sie ebenfalls von ihrem Verhalten enttäuscht ist. Ehrlich gesagt kann ich auf Nicole verzichten, denn ich brauche keine falschen Freundinnen.

Beide Verluste haben mich innerlich zerrissen. Wenn ich jetzt auch noch meinen Vater verlieren würde, würde meine gesamte Welt zusammenbrechen. Ohne Nicole und Sebastian kann ich leben, aber ohne meinen Vater schaffe ich es nicht. Mein Leben wäre ohne ihn leer.

Die Situation mit Sebastian habe ich ohnehin mir selber zuzuschreiben. Die Trennung war meine Schuld. Nicoles Verrat hingegen konnte ich nicht vorhersehen – woher auch?

Mit Shawns Hand in meiner laufen wir den Gang des Krankenhauses entlang. Es ist ein typischer weißer Gang und der Geruch von Desinfektionsmittel liegt in der Luft. Ich fühle mich in Krankenhäusern unwohl, denn ständig ist man hier mit dem Tod konfrontiert, auch wenn wir als Besucher nicht immer etwas davon mitbekommen.Vielleicht stirbt zwei Stöcke über uns gerade jemand. Möglicherweise ist erst gestern jemand von uns gegangen. Auch heute könnte es jemanden treffen. Mir bleibt bloß zu hoffen, dass es nicht meinen Vater trifft.

Das letzte Mal habe ich ein Krankenhaus besucht, als ich an meinem Bauch operiert wurde. Die Narbe an meinem Bauch wird mich für immer daran erinnern. Die Narbe selbst ist nur ein „Überbleibsel" einer Blinddarm-Operation, aber sie ist hässlich. Mir ist bewusst, dass viele Menschen so eine Narbe haben und sie auch nicht wirklich schlimm ist, aber sie stört mich dennoch sehr.

Die OP ist damals ohne Komplikationen verlaufen. Trotzdem war die Situation sehr schrecklich für mich. Wären wir wenige Minute später zum Arzt gefahren, hätte mein Blinddarm durchbrechen und eine lebensbedrohliche Entzündung auslösen können.

Wir laufen um die Ecke und treffen dort auf meine Schwester und meine Mutter.

Es tut weh, Sofias von Tränen überströmtes Gesicht zu sehen. Als sie mich erblickt hat, steht sie von ihrem Platz auf und rennt auf mich zu. „Camila!" Ihre Arme wirft sie um meinen Körper und krallt sich an meinem roten Pullover fest. Mein Herz bricht, als sie auch noch anfängt zu schluchzen.

„Hey, es ist alles gut", versuche ich sie zu besänftigen und streichele ihr über den Rücken, wofür ich Shawns Hand loslasse. Ich hoffe sehr, dass meine Worte stimmen.

Sofias gebrochene Stimme bringt mich um. „Ich will nicht, dass er stirbt."

„Das wird er nicht. Keine Sorge."

Ich spüre eine Hand, die auf meine Schulter gelegt wird. Ich wende meinen Kopf zur Seite, auf der die Hand liegt und sehe meine Mutter, die ebenfalls feuchte Wangen hat. „Was ist passiert?"

„Das bist du endlich. Oh und hallo Shawn." Sie lächelt ihn traurig an, was er erwidert. Meine Mutter schüttelt den Kopf, als könnte sie nicht glauben, was passiert ist. Dann beginnt sie leise zu erzählen, was geschehen ist. „Wir haben vor einer halben Stunde einen Anruf aus dem Krankenhaus bekommen. Dein Vater hatte einen Zusammenstoß mit einem anderen Wagen, aber wir wissen noch nichts genaueres. Er wird gerade untersucht." Ich nicke.

Arm in Arm stehen Sofia und ich mitten im Gang, weshalb ich sie sanft zur Seite ziehe und wir uns auf freie Stühle setzen. Shawn setzt sich neben mich.

„Es wird ihm gut gehen. Da bin ich mir sicher." Shawns Worte klingen glaubwürdig und ich vertraue auf seine Worte. Meine Familie tut es mir scheinbar gleich, denn sie nicken. Vielleicht hoffen sie auch einfach nur, dass er Recht hat.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir alle vorbeilaufenden Ärzte, Ärztinnen und Krankenschwestern nach Informationen zu unserem Vater gefragt haben, bleibt ein Mann in einem weißen Kittel vor uns stehen und spricht uns direkt an.

„Guten Tag, sind sie Familie Cabello?"

Meine Mutter und ich nicken. Wir sind nicht in der Lage zu sprechen, da wir viel zu verzweifelt auf Neuigkeiten warten. Mit meiner linken Hand drücke ich Shawns Hand fest, aber es scheint ihm nichts auszumachen. Trotzdem lockere ich den Griff ein wenig.

„Okay", sagt er und schiebt seine schwarze Brille höher. „Wir haben Neuigkeiten für sie", beginnt der Arzt sanft zu erzählen und lässt seinen Blick über meine Familie, Shawn und mich schweifen.

„Wie geht es meinem Vater? Ist er wach? Können wir zu ihm?", stellt Sofia eine Frage nach der anderen und reißt ihre Augen weit auf.

„Alejandro Cabello wird längere Zeit im Koma liegen. Er hat starke Hirnblutungen und wir versuchen unser Bestes, damit er überlebt, aber wir können ihnen keine Garantie dafür geben."

Seine Worte treffen mich wie einen Schlag. Mein Magen zieht sich zusammen und Galle steigt in mir hoch.

Die Geräusche um mich herum nehme ich nur noch gedämpft wahr. Shawns Hand, die gerade eben noch fest in meiner war, scheint verschwunden zu sein.

Wortlos drehe ich mich um und renne aus dem Krankenhaus. Jemand ruft meinen Namen, aber ich kann die Stimme niemandem zuordnen.

Warmer Wind weht mir ins Gesicht und die Eingangstür fällt hinter mir zu. Nachdem ich einige Meter aus dem Gebäude heraus gerannt bin, sinke ich auf meine Knie auf werfe mein Gesicht in meine Hände. Den Tränen, die ich bisher zurückgehalten habe, lasse ich freien lauf. Ich wollte für Sofia und meine Mutter stark sein, aber das schaffe ich nicht. Nicht jetzt, wo mein Vater sterben könnte.

Die Worte des Arztes wiederhole ich in meinem Kopf.

Alejandro Cabello wird längere Zeit im Koma liegen. Er hat starke Hirnblutungen und wir versuchen unser Bestes, damit er überlebt, aber wir können ihnen keine Garantie dafür geben.

Er wird sterben. Mein Vater wird sterben.

Wie geht es wohl weiter? Glaubt ihr Alejandro wacht auf?

Used To This [S.M. & C.C. Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt