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Kalter Wind peitscht gegen mein Gesicht. Die offene Tür prallt leise gegen die Wand des Studios. Wortlos überreiche ich dem Braunhaarigen sein Notizbuch. Ich habe extra noch einmal reingeschaut, um sicher zu gehen, dass ich ihm nicht aus Versehen mein Notizbuch gebe.

Mein Notizbuch ist wie ein Tagebuch für mich. Viele meiner geheimsten Gedanken, die ich niemanden anvertrauen kann oder möchte, stehen dort in Form von Lieder drinnen. Im Grunde wäre es nur fair, wenn er in mein Notizbuch reinschauen würde, immerhin habe ich auch ungefragt in seines rein gelesen. Und dabei habe ich auch noch etwas gelesen, das ich wahrscheinlich nicht hätte lesen sollen.

Seine Finger hinterlassen kleine Stromstöße an den Stellen, an denen er mich berührt - obwohl wir uns nur wenige Millisekunden berührt haben. Haben wir uns so sehr entfremdet, dass ich nicht einmal mehr den Körperkontakt zu Shawn aushalte?

,,Danke." Seine Stimme klingt kalt. Für einen kurzen Moment schaut er mich an, wendet den Blick dann aber sofort nach unten ab.

Ein schlechtes Gefühl mach sich in meinem Magen bemerkbar. Meine abweisende Art hat ihn gestern scheinbar doch mehr verletzt, als ich gedacht habe. Aber was hätte ich tun sollen? Ihm zu sagen, dass ich ihn damals angelogen habe - weil ich ihn mehr gemocht hatte, als mir lieb war - wäre eine schlechte Idee gewesen. Das hätte ihn noch mehr verletzt, als ihn zurückzuweisen. Vor allem, weil er scheinbar immer noch das gleiche wie damals empfindet.

,,Habe ich etwas im Gesicht?" Seine Frage verwirrt mich, weshalb ich die Stirn runzele.

,,Nein, wieso?" Mit meinen Finger fahre ich Rand des Türrahmen, in dem ich stehe, auf und ab. Meine Nägel reiben dabei auf der Oberfläche.

,,Du hast mich so komisch angesehen", erwidert er auf meine Frage. Das ist mir gar nicht aufgefallen. Ich war wohl zu sehr in Gedanken.

Stille. Unterbrochen wird sie zwischendurch von Autos, die auf der Straße vor dem Studio fahren.

Wir beide meiden es, den anderen direkt anzuschauen. Ich halte es nicht aus ihn anzuschauen und dabei zu wissen, dass er mich liebt, während ich nichts für ihn empfinde. Er muss sich schrecklich fühlen, wenn er sieht, wie Sebastian und ich uns küssen. Oder wenn wir in der Öffentlichkeit Händchen halten.

In regelmäßigen Abständen atme ich ein und aus und hoffe, damit die Schuldgefühle in mir verdrängen zu können, aber natürlich klappt es nicht. Es fühlt sich eher so an, als würde jemand das Messer in meinem Magen herumdrehen.

Shawn presst die Lippen aufeinander und knetet seine Finger. Wenn er das früher gemacht hat, wollte er etwas sagen, hat sich aber nicht getraut, es auszusprechen. Ob er jetzt auch etwas aussprechen möchte, aber sich nicht traut?

Schließlich räuspere ich mich und beschließe das Wort zu ergreifen. ,,Was ist los, Shawn?", frage ich besorgt.

Von meinem plötzlichen Stimmungswechsel verwirrt, zieht er die Augenbrauen zusammen. ,,Mir geht es gut. Wie kommst du darauf, dass-"

,,Weil du immer die Lippen aufeinander presst, wenn du dir um etwas Sorgen machst", unterbreche ich ihn.

,,Du erinnerst daran?" Seine Augen werden größer. Klingt das so unwahrscheinlich.

Ich nicke. ,,Also, was ist los?" Ein weiterer Windzug weht mir entgegen. Vielleicht sollten wir ins Studio gehen.

,,Ich-" Er schüttelt den Kopf. ,,Es ist nichts los." Mit der Hand macht er eine Wegwurfbewegung.

,,Ich sehe doch, dass dich irgendetwas bedrückt." Meine Stimme wird gegen Ende leiser. Ich kann mir vorstellen, was Shawn belastet. Jedenfalls wenn meine Vermutung, dass er mich liebt, stimmt. Ich würde jetzt echt gerne Shawns Hand greifen und ihn beruhigen, so wie früher, aber er könnte es falsch auffassen. Deswegen lasse ich es liebe.

Erneuert schweigen wir. Im Studio muss es auch schon eiskalt sein, weil wir seit mehreren Minuten im Eingang stehen.

,,Irgendetwas ist zwischen uns Camila, aber ich weiß nicht was", spricht Shawn plötzlich.

Ich hatte befürchtet, dass er darauf hinaus will. Was soll ich ihm sagen? Ich will ihn nicht verletzen, indem ich ihn schon wieder abweise.

,,Ich wollte unsere Freundschaft nicht zerstören. Damals war ich mir so sicher, dass du auch etwas empfindest", murmelt er enttäuscht.

Das habe ich auch Shawn. Damals. Aber ich habe dich angelogen. Aus uns könnte niemals etwas werden. Erst recht nicht jetzt, wenn ich mit Sebastian zusammen sind.

Ich könnte mir nicht vorstellen, mit Sebastian Schluss zu machen. Dafür liebe ich ihn zu sehr. Er hat mir gezeigt, wie einfach es sein kann, sich selbst zu lieben.

Ich habe Angst ihm in die Augen zu sehen und beobachte daher den Boden. ,,Tut mir leid Shawn." Ich entschuldige mich dafür, dass ich seine Gefühle nicht erwidern kann und dafür, dass ich ihn damals angelogen habe. Aber das wird er nicht erfahren.

,,Ja, mir tut es auch leid." Er seufzt leise. ,,Naja, ich sollte jetzt gehen. Wir sehen uns dann in einem Monat." Shawn fliegt heute Abend nach Europa, um seine Welttour fortzusetzen. Davor wollte er noch unbedingt sein Notizbuch abholen, dass er gestern hier vergessen hatte.

Ohne sich zu verabschieden dreht er sich um und läuft die Stufen zum Bürgersteig hinunter.

Dieses Mal fühlt es sich wie ein Abschied für immer. Ein Abschied von meinem besten Freund. Dabei hatte ich gehofft, dass wir uns bald wieder so verstehen könnten, wie vor drei Jahren. Aber nachdem wir unser neues Lied aufgenommen haben, werden wir wahrscheinlich keinen Kontakt mehr haben.

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Langsam strecke ich meine Beine in der Badewanne aus. Das heiße Wasser hat schlagartig eine entspannende Wirkung auf meinen Körper. Ich greife nach der Badekugel vom Badewannenrand ich lasse sie ins Wasser fallen. Langsam färbt sich das Wasser rosa.

Bis auf meinen Kopf tauche ich meinen restlichen Körper unter und schließe meine Augen. Ich konzentriere mich auf den Geruch von Rosen, der in der Luft liegt.

Shawn sitzt mittlerweile im Flugzeug, das nach Berlin fliegt. Dort hat er sein erstes Konzert. Jedes Mal wenn ich an Shawn denke, fühle ich mich schlecht. Ich möchte ihn nicht verletzen, auch wenn es nicht meine Absicht ist, ihm weh zu tun.

Ich schüttele die Gedanken an Shawn ab. Jetzt ist der falsche Moment, um an ihn zu denken. Stattdessen atme ich tief ein und beginne zu meditieren. Das hat mir schon immer geholfen, mich zu beruhigen. Tatsächlich hilft es und nach mehreren Atemzügen spüre ich, wie meine Muskeln erschlaffen.

Was glaubt ihr, passiert als nächstes? Mir fällt gerade keine andere Frage ein 🙈

Used To This [S.M. & C.C. Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt